NOTARZT 2009; 25(4): 107-108
DOI: 10.1055/s-0028-1090223
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kindernotfälle – Eine besondere Herausforderung für den Notarzt

Pediatric Accident – A Particular Challenge for the Emergency PhysicianP.  Sefrin1
  • 1Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte e. V. – agbn
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Publication Date:
07 August 2009 (online)

Ein Kindernotfall ist selten: nicht nur, weil die Anzahl der Kinder aufgrund der demografischen Entwicklung geringer ist als die Gruppe der Älteren, sondern auch, weil unterstellt werden darf, dass Kinder üblicherweise gesünder sind als Ältere. In einer bayernweiten Auswertung der Notfalleinsätze betrug der Anteil pädiatrischer Notfälle 4,9 %. Gerade wegen der Seltenheit, aber auch wegen der besonderen anatomischen und physiologischen Verhältnisse stellt der Kindernotfall den (Erst-)Versorgenden vor eine schwere Aufgabe. Somit wird der Kindernotfall als eine besondere Herausforderung empfunden, da in der Regel nur auf eine beschränkte persönliche Erfahrung zurückgegriffen werden kann. Darüber hinaus wird der Notfalleinsatz gerade bei Kleinkindern emotional häufig als belastend empfunden.

Die Angst vor dem Kindernotfall ist meist in der Unsicherheit im Umgang mit dieser Patientengruppe begründet. Das Spektrum der Kindernotfälle ist weit und ungewohnt. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen unterscheiden sich deutlich vom gewohnten Notfallpatienten. Es fehlten auch im klinischen Bereich – wiederum im Gegensatz zum Erwachsenen – die nötige Möglichkeit und Routine zur Einübung der notwendigen Techniken. Die Erhebungsmöglichkeit einer Anamnese fehlt meist völlig, – wenn überhaupt dann nur über die Eltern mit Unter- und Übertreibungen. Fehlende Kooperation und Verständigung erschweren die Situation zusätzlich, was auch für die Ankündigung notfallmedizinischer Maßnahmen (z. B. i. v. Zugang) zutrifft. Ungewohnt und manchmal verunsichernd ist die Tatsache, dass die Versorgung unter den kritischen Augen der Eltern erfolgen muss, wobei der Wunsch der Eltern bei der Therapie dabei zu sein, verständlich ist und für das Kind auch beruhigend sein kann. Allerdings kann hierdurch auch die Situation eskalieren.

Gerade bei Kindern ist das „Darandenken”, eine entscheidende Voraussetzung, gravierende Schäden nicht zu übersehen. Dies gilt besonders bei Erkrankungen, bei denen respiratorische Störungen unter dem gemeinsamen Leitsymptom „Atemnot” im Vordergrund stehen. Wichtig ist im Hinblick auf die medikamentöse Notfalltherapie dann dem Symptom eine richtige (Verdachts-)Diagnose zuzuordnen. Dabei bereitet dann die Dosierung der Notfallmedikamente erhebliche Schwierigkeiten. Im Gegensatz zu Erwachsenen weisen Kinder ein größeres Verteilungsvolumen für Medikamente auf, was teilweise zu einer Steigerung der relativen Dosis führen kann. Umgekehrt können durch fehlende Eiweißbindung höhere Wirkspiegel resultieren. Für eine Wirkverstärkung von Sedativa und Analgetika ist das leichtere Passieren der Blut-Hirn-Schranke verantwortlich. Somit kann ein einfaches Umrechnen von der Erwachsenen- auf die Kinderdosis nicht in jedem Falle der richtige Weg sein. Hilfreich sind deshalb Schemata, die allerdings wiederum gesondert mitgeführt werden müssen, um sie im Einsatzfalle präsent zu haben.

Bei sichtbaren Schädigungen, wie z. B. Verletzungen und Verbrennungen, kommt es nicht nur auf eine gezielte und suffiziente medikamentöse Ersttherapie an, sondern auch auf die richtige Erste Hilfe – z. B. durch die Eltern als unmittelbare Notfallzeugen. Hier können durch Wissensverluste und stressbedingte falsche Handlungsweisen Rehabilitationschancen vertan werden. So ist inzwischen erwiesen, dass die immer wieder empfohlene großzügige Kalt-Wasser-Therapie mehr Schaden anrichtet, als möglicherweise nutzen kann. Die Behandlung des Schocks ist dabei nicht nur im Rahmen traumatologischer Schädigungen eine dringende Notwendigkeit, sondern gerade bei Kindern können andere Ursachen auch andere Konzepte erfordern.

Die notärztliche Tätigkeit in der Präklinik ist ohne Frage mit besonderen Risiken behaftet. Ein wesentlicher Gesichtspunkt bei pädiatrischen Notfällen ist das Abwägen von Nutzen und möglichem Schaden der zu ergreifenden Maßnahmen. Unter teilweise ausgesprochen ungünstigen Umständen müssen weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Daher erhöhen sich mögliche Fehlentscheidungen und -handlungen. Durch eine gezielte Fortbildung kann zu einer Vertiefung der speziellen Kenntnisse und zu einer gesteigerten Handlungssicherheit beigetragen werden. Auch ist es möglich, den Notarzt für typische Gefahrensituationen zu sensibilisieren. Hierzu sollen die folgenden Themen einen konkreten Beitrag leisten und zur Diskussion beitragen.

Prof. Sefrin, Würzburg
Schriftleiter

Prof. Dr. med. Peter Sefrin

Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte e. V. – agbn

Sandweg 11

97078 Würzburg

Email: sefrin@agbn.de

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