Gesundheitswesen 2008; 70 - A187
DOI: 10.1055/s-0028-1086412

Einstellungen niedergelassener Ärzte gegenüber dem Begriff des Dienstleisters: Eine explorative Analyse

M Thanner 1, J Loss 1, E Nagel 1
  • 1Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, Universität Bayreuth

Hintergrund und Ziel: Die gesundheitswissenschaftliche Diskussion im Zusammenhang mit der Arzt-Patienten- bzw. Dienstleister-Kunden-Beziehung konzentrierte sich bisher insbesondere auf die Frage, inwieweit der Patient tatsächlich Kunde sein kann. Ziel der vorliegenden Arbeit war es zu evaluieren, inwieweit sich niedergelassene Ärzte mit dem Begriff des Dienstleisters identifizieren können und welche Vorbehalte sie gegebenenfalls dagegen anführen. Methodik: Mit explorativer Zielsetzung wurden semistandardisierte Interviews (n=17) mit niedergelassenen Ärzten geführt. Die Interviews thematisierten die ärztliche Tätigkeit vor dem Hintergrund von steigenden Patientenwünschen und der Möglichkeit eines ärztlichen Angebots an Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Die Interviewtranskripte wurden analysiert, codiert und ausgewertet. Ergebnisse: Die Einstellungen gegenüber dem Begriff des Dienstleisters zeigten eine große Bandbreite von völliger Zustimmung bis zu völliger Ablehnung. Gleichzeitig machte die Befragung deutlich, dass keine einheitliche Definition eines Dienstleisters in den ärztlichen Vorstellungen existiert. Im Falle einer Ablehnung der Übertragung des Begriffes auf den Arzt war meist entscheidend, dass für den Dienstleister ethisches Verhalten eher bezweifelt, für den Arzt aber als essentiell erachtet wird. Die Erfüllung von Patientenwünschen über das medizinisch Notwendige hinaus würde am Grundsatz „primum nihil nocere“ seine Grenzen finden. Die befragten Ärzte waren sich einig, dass zukünftig die Fähigkeit, die eigene ärztliche Leistung, z.B. in Form von IGeL, gut verkaufen zu können, von größerer Bedeutung sein wird als dies heute der Fall ist. Dabei zeigte sich auch, dass Verkaufen eine Tätigkeit ist, die Ärzte zwar nicht unbedingt generell als unvereinbar mit dem ärztlichen Selbstverständnis sehen, von der sie aber zumindest glauben, sie müssten sie erst erlernen. Die persönliche Abneigung gegen die Tätigkeit des Verkaufs kann dabei so groß werden, dass diese Aufgabe an die Arzthelferin delegiert wird. Diskussion: Die Befragung machte deutlich, dass mit einer Entwicklung hin zum Dienstleister neue Anforderungen an den Arzt herangetragen werden. Eine quantitativ-empirische Überprüfung der Ergebnisse bei größeren Fallzahlen erscheint ratsam.