Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(34/35): 1750
DOI: 10.1055/s-0028-1082800
Korrespondenz | Correspondence
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Prophylaxe von Diarrhoe unter Capecitabin-Therapie

V. Grouls
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Publication Date:
11 August 2008 (online)

Die Einführung einer oralen Therapie gegen das metastasierende kolorektale Karzinom mit Capecitabin allein oder in Kombination mit Oxaliplatin (XELOX) und/oder Bevacizumab ist akzeptiert und stellt für die Patienten im Vergleich zur herkömmlichen Infusionstherapie mit 5-FU eine deutliche Erleichterung dar [3].

Die für Angehörige und Patienten gleichermaßen v. a. emotional belastendende Nebenwirkungen der Therapie sind gastrointestinale Störungen wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Blähungen und anhaltenden Diarrhoen. Daneben kann es zu einer Übersäuerung des Magens kommen, gekoppelt mit unangenehmen Sodbrennen und Übertritt von stark angesäuertem Speisebrei in den Dünndarm. Auch wenn die Ursachen der erwähnten gastrointestinalen Symptome vielschichtig und von individuellen Faktoren abhängig sein dürften: Es ist erwiesen, dass nach Chemotherapie und/oder Strahlentherapie abhängig von Zeit und Dosis früher oder später die Dünn- und Dickdarmschleimhaut geschädigt wird und Funktionsverluste erleidet. In erster Linie ist hier, v. a. wegen der fast identischen Symptomatik, eine erworbene sekundäre Laktoseintoleranz zu nennen. Sie tritt aufgrund einer stark verminderten oder komplett eingestellten Produktion des Milchzucker spaltenden Enzyms Laktase auf. Folge sind z. T. heftige Diarrhoen, die auch Loperamid-refraktär sein können, besonders bei bisher unbekanntem genetisch bedingtem vollständigen oder latenten Laktasemangel.

Auf vielen Internetseiten und in allgemein verständlichen Ratgebern zum Thema Laktoseintoleranz (z. B. [1]) werden wertvolle Hinweise und Ratschläge zum diätetischen Umgang gegeben. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass auch viele Medikamente und Arzneimittel Laktose als Füllmittel oder Festigungssubstanz aufweisen. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass auch das Capecitabin-Präparat Xeloda® laut Beipackzettel im Tablettenkern Laktose (Konzentration?) enthält. Das bedeutet: Nach wochenlanger Einnahme dieser Tabletten wird die Dünn- und Dickdarmschleimhaut zunächst mit konsekutivem Mangel an Milchzucker spaltender Laktase toxisch geschädigt und gleichzeitig findet eine kontinuierliche Zufuhr von Laktose in den gleichen Tabletten statt. Der Gehalt von Laktose in Xeloda® mag vielleicht gering und vernachlässigbar sein; unter dem Blickwinkel einer ständigen Einnahme und zusätzlichen Belastung durch Laktose in Nahrungsmitteln, auch z. T. in Präparaten, die der diätetischen Behandlung einer Mangelernährung dienen, kommt einem (unnötigen) Laktosezusatz in Xeloda® evt. doch eine besondere Bedeutung in der Provokation von Diarrhoen zu. Darüber hinaus kann in den häufig zur Therapie des Durchfalls eingesetzten Loperamid-Präparaten ebenfalls Laktose vorhanden sein (z.B. Imodium akut), so dass der erwünschte Effekt dieser Medikamente bei der Behandlung von Durchfall beeinträchtigt wird.

Geht man also von einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer Chemotherapie-induzierten Laktose-Unverträglichkeit unter der Therapie mit Capecitabin aus, erscheinen folgende Überlegungen und Empfehlungen zur Prophylaxe gastrointestinaler Nebenwirkungen angebracht, zumal sich zu diesem Thema auch in einem größeren Werk über eine Supportivtherapie bei malignen Erkrankungen keine Hinweise finden [2].

Empfehlung einer strikten Karenz von Milch und Milchprodukten. Eventuellen Kalzium-Mangel durch hohe Ca-Konzentrationen in Mineralwasser oder durch Ca-Tabletten ausgleichen. Möglichst laktosefreie Nahrungsmittel (Packungsbezeichnung) verwenden. Oft fehlen entsprechende Hinweise, und Fertiggerichte, Fertigsaucen, Gewürzmischungen oder mariniertes Fleisch enthalten versteckt Laktose als Füllstoff, Wasserstabilisatoren oder Geschmackverstärker. Problematisch können deshalb Restaurantbesuche sein, da unbekannt ist, welche Zutaten in den Gerichten verwendet wurden. Empfehlung laktasehaltige Enzympräparate vor Mahlzeiten mit zu erwartender oder unbekannter Laktosekonzentration einzunehmen. Dem Patienten möglichst nur laktosefreie Medikamente verschreiben. Konsequenterweise sollten Patienten kurz vor Einnahme von Xeloda® ebenfalls ein laktasehaltiges Enzympräparat einnehmen. Laktosehaltige Loperamid-Kapseln/Tabletten zur Therapie einer Diarrhoe nicht verschreiben. Auf entsprechende laktosefreie Präparate umstellen. Zur Vermeidung einer therapiebedingten Übersäuerung des Magens und Übertritt von saurem motilitätssteigerndem Speisebrei in den Dünndarm erscheint die zusätzliche Gabe von Säureblockern überlegenswert.

Es liegt auf der Hand, dass die angeregten Maßnahmen einen nur vorbeugenden Charakter haben und die Nebenwirkungen der Therapie, besonders Diarrhoen, nicht vollständig verhindern können. Sie könnten aber dazu beitragen Frequenz und Intensität der Durchfälle abzuschwächen. Eine vollständige laktosefreie Ernährung ist nur schwer zu erreichen und dürfte kostenintensiv sein, da dann komplett auf teure Bio-Produkte umgestellt werden müsste. Sinnvoll und einfach wäre es jedoch, wenn therapeutisch unwirksame Laktose nicht mehr in Capecitabin oder Loperamid zugesetzt werden würde. Es ist widersprüchlich, Patienten einerseits eine laktosefreie Diät zu empfehlen, andererseits diese Substanz in Tablettenform zuzuführen.

Die dargelegten Überlegungen und Empfehlungen zu einer verbesserten Prophylaxe gastrointestinaler Nebenwirkungen beruhen auf eigenen, persönlichen und somit subjektiven Erfahrungen mit einer Capecitabin-Therapie und müssten daher hinsichtlich einer objektivierbaren Wirksamkeit an einem größeren Patientenkollektiv überprüft werden.

Literatur

  • 1 Khim-Schreiber D, Oschsenkühn T. Richtig essen bei Laktoseintoleranz. München; Südwest Verlag 2007
  • 2 Link H, Bikemeyer C, Feyer P . Supportivtherapie bei malignen Erkrankungen. Prävention und Behandlung von Erkrankungssymptomen und therapiebedingten Nebenwirkungen. Köln; Deutscher Ärzte-Verlag 2006
  • 3 Seufferlein T, Wichert G v, Adler G. Medikamentöse Therapie des Kolon-Karzinoms.  Dtsch Med Wochenschr. 2007;  132 1951-1962

Prof. Dr. med. Volker Grouls

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