Z Geburtshilfe Neonatol 2024; 228(02): 126
DOI: 10.1055/a-2276-6562
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Ungekünstelt und persönlich: ein medizinisches Forscherleben in zwei Staaten

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RDS (respiratory distress syndrome) und ARDS (acute respiratory distress syndrome) wiesen vor 50 Jahre hohe Letalitäten auf, heute ist das RDS von Frühgeborenen kausal behandelbar, und obwohl das ARDS weiterhin eine Herausforderung darstellt, wissen wir damit wesentlich besser umzugehen. Der therapeutische Fortschritt bei beiden nosologischen Entitäten ist eng mit dem Namen Burkhard Lachmann verknüpft. 1942 als Sohn eines Gärtnermeisters und einer Bäckerin in Templin geboren (in die ehemalige Dienstwohnung der Familie sollte später einmal die Familie von Angela Merkel, damals noch Angela Kassner, einziehen), arbeitete er nach dem Abitur zunächst als Hilfslaborant am Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten und Tuberkulose der DDR in Berlin-Buch. Mit Abschluss des Medizinstudiums an der Charité kehrte er umgehend dorthin zurück und erntete bald eine internationale Reputation für seine RDS- und ARDS-Tiermodelle. Nach der Heirat durfte er ins westliche Ausland reisen, für längere Zeitabschnitte und immer wieder – ein ungeheures Privileg. Burkhard Lachmann ging es gut, er hatte Haus, Auto, Familie und Westkontakte, machte einen PhD in Schweden bei Bengt Robertson und habilitierte sich bei Ingeborg Syllm-Rapoport an der Charité. Die DDR erhoffte sich von seinen Arbeiten Reputation, Innovation und Devisen. Man verlieh ihm den Rudolf-Virchow-Preis und setzte inoffizielle Mitarbeiter auf ihn an. Als Rückkehrpfand hatte man die Frau und die beiden Kinder. Doch 1985 kam Burkhard Lachmann von einem Besuch in Rotterdam nicht mehr in die DDR zurück. Der Familie wurde es drei Jahre später gestattet, die DDR zu verlassen, nachdem sich viele namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik dafür eingesetzt hatten. Burkhard Lachmann erhielt 1987 eine Professur in Rotterdam und blieb dort 20 Jahre mit Erfolg seinen Themen und seiner Methodik treu. – Was diese Memoiren so lesenswert macht, ist ihre persönliche Narrativität, ohne didaktische oder gar missionarische Hintergedanken. Erlebte Geschichte, ungekünstelt, ein Einzelschicksal verwoben mit der Erforschung zweier Krankheiten und der Fusion zweier Staaten. Das reich bebilderte Werk (die Hälfte des Buches besteht aus Fotos und Dokumenten) legt Zeugnis ab von einem untergegangenen System und wie ein medizinischer Wissenschaftler trotz allem darin produktiv sein konnte.

Prof. Dr. med. Christoph Bührer, Berlin



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Article published online:
12 April 2024

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