ergopraxis 2024; 17(04): 1
DOI: 10.1055/a-2245-0189
Editorial

Auf dem Boden der Tatsachen

Julia Müller

Ich bin leidenschaftlich gerne Ergotherapeutin. Besonders, wenn alles stimmt, es einfach läuft. Momente, in denen sich die Erfahrungen der Klient*innen und meine ergotherapeutische Expertise so genial ergänzen, dass wir gemeinsam Lösungen und Strategien finden, die manchmal so einfach und doch so brillant sind. Genau in diesen Momenten wird mir deutlich, wie bedeutungsvoll die Ergotherapie ist und wie ich sie leben will – orientiert am individuellen Alltag.

Und dann gibt es die Augenblicke, die mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Eine Kinderärztin zum Beispiel, die einem 13-Jährigen mit psychischen Problemen keine Verordnung ausstellen will. Ergotherapie sei lediglich etwas für jüngere Kinder und ohnehin werde da nur gespielt. Pflegeheime, die ganz überrascht sind, wenn man ihnen erklärt, dass Ergotherapie mehr leisten kann als Beschäftigungsgruppen – was nicht heißen soll, dass diese nicht sinnvoll sein können. Klient*innen, die einfach bloß wollen, dass die Funktion ihrer Hand vollständig wiederhergestellt wird, und die keinen Bedarf sehen, auf ihren Alltag einzugehen.

Wo steht die deutsche Ergotherapie? Wie wollen wir uns definieren? Welchen Stellenwert hat Betätigung bei uns tatsächlich?

Lassen wir uns von Michael Iwama ab Seite 38 inspirieren, wie einzigartig die ergotherapeutische Perspektive ist, und darüber nachdenken, wo wir uns zukünftig sehen. Wie nehmen Sie die Ergotherapie in Deutschland wahr und wie sollte sie sich Ihrer Meinung nach entwickeln? Ich jedenfalls werde nicht müde, unser Berufsbild mit seinem Fokus auf den Alltag und die Betätigung von Klient*innen nach außen zu tragen.

Herzliche Grüße



Publication History

Article published online:
05 April 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany