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27.08.2018 | Politik | Nachrichten

Diskussion um Wundauflagen – Sparen auf Kosten chronisch kranker Menschen?

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Welche Wundauflagen sollen erstattet werden, welche nicht? Aktuell liegen der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und das Bundesgesundheitsministerium wegen dieser Frage im Clinch. Was bedeutet das für die Patientenversorgung? Wir fragten nach bei Gerhard Schröder, dem Leiter der Akademie für Wundversorgung in Göttingen.

Gerhard SchröderGerhard Schröder, Akademie für Wundversorgung in Göttingen.

Herr Schröder, zurzeit streiten der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) und das Bundesgesundheitsministerium über die Verordnungsfähigkeit bestimmter Wundauflagen. Um was geht es konkret?

Wie eigentlich immer in den letzten Jahren: Es geht um Geld und Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, hier um die Erstattungsfähigkeit der Wundauflagen zur modernen Wundversorgung. Betrachtet man den Preis der einzelnen Wundauflage, sind diese relativ teuer. Die Preise schwanken sehr und bisher gab es nur bedingt Einflussmöglichkeiten durch die Krankenkassen, die Preise zu senken.

Die Diskussion um die Kosten der Wundversorgung ist aber nicht neu …

Begonnen hat die Diskussion 2016, als das Heil- und Hilfsmittel Versorgungsgesetz (HHVG) überarbeitet wurde. Geplant war, nur noch Wundauflagen zuzulassen, die abdecken und das Wundexsudat absorbieren. Viele Produkte wären aus der Erstattungsfähigkeit rausgefallen. Das Gesetz wurde dann 2017 so verabschiedet, dass zunächst mehr oder weniger alles beim Alten blieb. Allerdings sollte der G-BA „Näheres“ regeln. Und das hat er jetzt auch getan: Antimikrobielle Verbände wie Silber und auch Hydrogele würden nach den Vorstellungen des G-BA künftig nicht mehr von den Kassen bezahlt. Diese nachträgliche Einengung hat das Bundesministerium für Gesundheit beanstandet. Der G-BA wiederum hat gegen den Rüffel des Ministeriums Rechtsmittel eingelegt.

Welche Konsequenzen hätte die vom G-BA geplante Regelung für Menschen mit chronischen Wunden?


Menschen mit chronischen Wunden müssten künftig die betreffenden Produkte selbst bezahlen. Das wäre für viele Patienten gar nicht leistbar – was dann? Ich gehe davon aus, dass die Neuregelung eine – wahrscheinlich beabsichtigte – Unsicherheit bei den verordnenden Ärzten schaffen wird: Was wird nun erstattet, was nicht? Am Ende werden die Ärzte, um einen Regress zu vermeiden, keine modernen Wundversorgungsprodukte mehr verordnen. Für die ambulanten Pflegedienste, die die Wundversorgung vor Ort umsetzen, wäre das ein riesiges Problem. Es geht also nicht um wirkungslose Produkte, sondern schlicht um Einsparungen auf Kosten von chronisch kranken Menschen. Einer Untersuchung aus dem Jahr 20161 zufolge kosten chronische Wunden in Deutschland bis zu 8 Milliarden Euro jährlich.

Wie sieht die momentane Versorgungssituation aus? Sind Wundpatienten eher über- oder unterversorgt?

Wir sehen beides. Die moderne Wundversorgung hat sich in Deutschland in den letzten 15 Jahren rasant ausgebreitet – dennoch wird jeder fünfte Patient mit konservativen Wundauflagen versorgt. Manche Patienten werden aus Unsicherheit oder Angst der anordnenden Ärzte vor dem Budget unterversorgt bis hin zur Anordnung von abenteuerlichen Hausmitteln. Da die Patienten eine Zuzahlung leisten müssen, ist die Wundversorgung für sie ohnehin teuer. Hinzu kommt, dass einige Ärzte Privatrezepte nutzen, die der Patient komplett selbst zahlen muss. Wir kennen Patienten, die mehrere hundert Euro pro Monat für ihre Wundbehandlung bezahlt haben.

Auf der anderen Seite schießen wenige Homecare-Unternehmen seit Jahren über das Ziel hinaus: Sie nutzen die Unkenntnis der Ärzte aus. Patienten werden mit besonders teuren Wundauflagen versorgt, die nicht notwendig sind.

Könnte die Wundversorgung wirtschaftlicher werden, wenn Pflegekräfte sie eigenständig verordnen dürften? In vielen Ländern ist das möglich.

Das wird nicht automatisch eintreten. Eine Pflegekraft müsste ebenfalls unter eigener fachlicher und wirtschaftlicher Verantwortung verordnen. Ich gehe davon aus, dass eine Pflegekraft genauso auf das Budget achten würde wie derzeit der anordnende Arzt.

In Großbritannien, wo speziell geschulte Pflegekräfte Wundauflagen verordnen, muss zunächst ein Arzt eine klare Diagnostik durchführen und eine effektive Kausaltherapie anordnen.

Wichtig wäre, dass Berater für Wundversorgung nicht mehr vom Verkauf der Wundprodukte abhängig sein dürften, wie das derzeit der Fall ist. Vielmehr müssten die Krankenkassen für eine gute Beratung des Patienten zahlen. Dann würde die Wundversorgung auch wirtschaftlicher werden.

Das Interview führte Nicoletta Eckardt.

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Literatur

Quelle:

Augustin (2016): Versorgung von Wunderkrankungen kostet acht Milliarden Euro. In: aerzteblatt.de vom 10.05.2016.

Web: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/66620/Versorgung-von-Wunderkrankungen-kostet-acht-Milliarden-Euro

Zugriff: 20.08.2018

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