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29.03.2018 | Politik | Nachrichten

Untergrenzen als Herausforderung

verfasst von: Christiane Badenberg

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Verpflichtende Personalschlüssel für den Pflegedienst einzuführen finden selbst viele Klinikmanager richtig. Aber wie soll die richtige Zahl bemessen werden und vor allem, wo sollen die Pflegekräfte kurzfristig herkommen?

Pflegerin traurig © stokkete - stock.adobe.comDie geplanten Personaluntergrenzen sind offenbar Fluch und Segen zugleich. Segen, weil sie auf lange Sicht die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte deutlich senken können.

Das würde den Beruf wieder attraktiver machen. Schwestern und Pfleger könnten im Beruf gehalten werden, mehr junge Menschen eine Ausbildung in der Pflege in Betracht ziehen. Der Pflegeberuf könnte wieder an Ansehen gewinnen.

Denn deutsches Pflegepersonal wird offenbar viel härter in die Pflicht genommen als Kollegen in anderen Ländern. So betreut in Deutschland eine ausgebildete Pflegekraft 13 Patienten, in der Schweiz sind es 7,9, in Schweden 7,7 und in den USA 5,3.

Untergrenzen als Herausforderung

Momentan scheinen die geplanten Untergrenzen zumindest für Klinikmanager allerdings eher ein Fluch zu sein, auch wenn sie von ihnen grundsätzlich begrüßt werden. Das zeigte sich kürzlich beim "Zukunftskongress" in Offenbach. Der gewichtigste Grund sie zu verfluchen, ist der leergefegte Arbeitsmarkt für Pflegekräfte.

Wie sollen Mindeststandards erfüllt werden, wenn kaum Bewerber für offene Stellen zu finden sind? Und das ist nicht die einzige Kritik, die Klinikmanager mit den geplanten Neuregelungen verbinden.

"Wir fürchten, dass die Untergrenzen zum Goldstandard werden. Das ist schlecht für alle, die heute mit einer besseren Besetzung arbeiten", fasste ein Teilnehmer die Befürchtung vieler zusammen.

Sorge um flexiblen Personaleinsatz

"Für zielgenaue Personaluntergrenzen fehlen bisher die empirisch ermittelten und evident belegbaren Grundlagen", kritisierte der Vorstandsvorsitzende des Klinikums Augsburg, Alexander Schmidtke. Fakt ist aber, dass eine bessere Personalausstattung zu besseren Ergebnissen führt.

So zeigt eine Untersuchung des Hamburger Gesundheitsökonomen Professor Jonas Schreyögg im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, dass sich in 15 von 28 Fachabteilungen signifikante Zusammenhänge zwischen der Besetzung und der Behandlungsqualität ergeben haben.

Demnach könnten viele Dekubiti, Harnwegsinfektionen, im Krankenhaus erworbene Pneumonien, Sepsen oder physiologische/metabolische Entgleisungen vermieden werden, wenn Abteilungen besser personell aufgestellt wären. Wer mehr Zeit hat, kann eben genauer hinschauen und im Notfall zügiger reagieren.

Doch was Klinikmanager und Pflegedirektoren am meisten fürchten, ist mangelnde Flexibilität. Sie wollen sich von der Politik nicht vorschreiben lassen, wo sie ihr Personal einsetzen müssen.

"Es muss explizite Ausnahmeregelungen bei Nichtverfügbarkeit von Personal und unvorhergesehenen Notfällen geben", fordert Schmidtke.

Stationen wegen Personalmangel geschlossen

Für eine Besetzung nach Bedarf spricht sich auch der Pflegedirektor der Uniklinik Düsseldorf, Torsten Rantzsch, aus. Untergrenzen nähmen den Führungskräften vor Ort Steuerungsmöglichkeiten, befürchtet er.

"Es müssen jetzt schon wegen Personalmangels Stationen geschlossen werden, die Patienten werden dann durch ganz Bayern geschickt und keiner will sie aufnehmen", beschrieb Schmidtke die Situation, wie sie sich schon heute darstellt. Wie soll es dann erst nach der Einführung der Untergrenzen weitergehen?

Fest steht, die Personaluntergrenzen werden kommen. Schon bis zum Beginn des nächsten Jahres sollen sie für besonders sensible Pflegebereiche zwingend eingeführt werden.

In einem Zwischenbericht an das Bundesgesundheitsministerium haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband bereits sechs Bereiche benannt: Neurologie, Geriatrie, Herz- und Unfallchirurgie, Kardiologie sowie die Intensivmedizin. Das ist allerdings noch keine endgültige Liste.

Welches Gewicht hat die Pflegelast?

Aber woran orientiert sich eigentlich eine Untergrenze? Schon darüber waren sich beide Seiten laut Zwischenbericht nicht einig.

Die DKG versteht darunter ein Mindestverhältnis von Pflegekräften zu Patienten, der GKV-Spitzenverband will dagegen die unterschiedliche Pflegelast der zu betreuenden Personen berücksichtigt sehen.

Geprüft werde als Interimslösung ein Ansatz, der Pflegekräfte zu den Pflegeerlösen eines Krankenhauses im Jahresdurchschnitt ins Verhältnis setzt. "Dieses Vorgehen schafft Transparenz darüber, inwieweit die finanziellen Mittel für die Pflegekräfte auch tatsächlich dafür eingesetzt werden", heißt es in dem Zwischenbericht.

Die Einführung der Untergrenzen für besonders pflegesensible Bereiche hat noch die alte Bundesregierung getroffen. Der Koalitionsvertrag der neuen GroKo sieht sogar für alle bettenführenden Abteilungen Untergrenzen vor.

Personaluntergrenzen einzuführen ist eine richtige Entscheidung. Politisch Druck aufzubauen, beschleunigt die Suche nach Lösungen. Aber ein Konzept, wie kurzfristige Lösungen aussehen können, scheint bislang niemand zu haben. Weder in der Politik, noch in der Selbstverwaltung oder in den betroffenen Kliniken.