Krankenhausträger und Krankenkassen konnten sich nicht fristgerecht über die Ausgestaltung von Pflegepersonaluntergrenzen einigen. Jetzt hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Personalausstattung zur Chefsache gemacht. Gestern verabschiedete das Bundeskabinett den von ihm vorgelegten Entwurf zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Über mögliche Auswirkungen sprachen wir mit dem Präsidenten des Deutschen Pflegerates (DPR), Franz Wagner.
Herr Wagner, ab 2020 soll es für jedes Krankenhaus eine auf den Pflegeaufwand des Hauses abgestimmte Mindestpersonalausstattung geben. Was halten Sie von dieser „Quoten-Regelung“?
Ich halte das grundsätzlich für den richtigen Ansatz. Allerdings ist für das Verbesserungspotenzial entscheidend, wie das Personalbudget berechnet wird. Erfolgt die Berechnung wie jetzt vorgesehen auf der Basis der IST-Situation, werden der bestehende Mangel und damit die hohe Belastung der Pflegenden und die unzureichende Versorgung der Patientinnen und Patienten fortgeschrieben. Deshalb ist aus Sicht des Deutschen Pflegerates die Personalausstattung am individuellen Versorgungsbedarf auszurichten und entsprechend zu finanzieren.
Die Wirksamkeit dieser Regelung steht und fällt mit der Qualität des Instruments, mit dem der Pflegeaufwand ermittelt wird. Wie gut bildet der dafür vorgesehene Katalog des „DRG-Instituts“ (InEK) die tatsächliche Pflegelast ab?
Der Katalog des InEK ist zur Risikoadjustierung gedacht. Er ist kein Instrument, das den Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten ermittelt und damit auch keines, das zur Personalbedarfsermittlung herangezogen werden kann. Ein geeignetes Instrument wäre unseres Erachtens eine modernisierte Pflegepersonalregelung (PPR).
Jede zusätzliche und jede aufgestockte Stelle für Pflegefachpersonal soll vollständig finanziert werden. Das ist begrüßenswert, aber ist es auch realistisch?
Es ist auf jeden Fall das richtige Signal. Bisherige Einwände gegen das Pflegestellenförderprogramm werden damit teilweise ausgeräumt. Ob es realistisch ist, werden die ersten Kassenverhandlungen zeigen. Ich erwarte von den Trägern der Einrichtungen nun Planungen, wie viel Personal sie aufbauen wollen, um eine gute Versorgung zu ermöglichen. Damit würden sie auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein deutliches Signal senden, dass sich spürbar etwas verbessern soll. Nur wenn das Vertrauen der Pflegenden in solche Verbesserungen wieder vorhanden ist, wird sich auch die Frage der Personalgewinnung und -bindung entspannen.
Reicht die jetzt beschlossene Lösung aus, um für eine sichere und qualitativ gute Pflege in den Krankenhäusern zu sorgen?
Nein, das reicht noch nicht. Neben einer gesetzlichen Grundlage zur Personalbedarfsermittlung braucht es Investitionen in Ausbildungskapazitäten – auch für die hochschulische Ausbildung. Die Rahmenbedingungen pflegerischer Arbeit, die Familie und Beruf in ein ausgewogenes Verhältnis bringen, müssen besser werden. Das gilt auch für die Vergütung. Unterschiede zwischen Regionen und Sektoren sind abzubauen. Wichtig sind aber auch Rückgewinnungsprogramme, bessere Entwicklungschancen im Beruf, Gesundheitsförderung, Leistungsanreize für Führungspositionen sowie Aufgaben- und Kompetenzerweiterungen für die Pflegenden.
Pflege ist grundsätzlich ein toller Beruf und sicher auch für die junge Generation attraktiv. Um aber aus dem Interesse und der Neigung eine Berufsentscheidung zu machen, müssen auch die Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig mit anderen Berufen sein.
Welche Weichen sind aus Ihrer Sicht noch zu stellen?
Aus meiner Sicht decken die in der Konzertierten Aktion Pflege aufgeführten Punkte die meisten zentralen Fragen und Herausforderungen ab. Ich hoffe sehr darauf, dass wir darüber zu ausgewogenen und nachhaltigen Verbesserungen für die Pflegenden und damit auch für die Menschen kommen, die Pflege benötigen.
Das Interview führte Nicoletta Eckardt.