Skip to main content

11.01.2022 | Politik | Nachrichten

Forschung zur SARS-CoV-2 Pandemie ohne Pflegewissenschaft?

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Nach einem Bericht der Tagesschau konnte das BMG keine geeigneten Pflegewissenschaftler*innen zur Erforschung der pflegerischen Versorgung in der SARS-CoV-2 Pandemie finden. Mangelndes Interesse seitens der Pflegewissenschaft? Mitnichten. Die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) nimmt Stellung.

Covid-Forschung © Corona Borealis / stock.adobe.comIm Umgang mit der Pandemie sind viele Fragen offen. Auch die Gründe von SARS-CoV-2-Ausbrüchen in Pflegeheimen gilt es wissenschaftlich aufzuarbeiten.

Mitte Dezember berichtete die Tagesschau, dass wichtige Fragen zur pflegerischen Versorgung im Zusammenhang mit der SARS-CoV-2 Pandemie nicht beantwortet werden könnten, da sich keine geeigneten Wissenschaftler*innen finden ließen, die bereit wären, im Auftrag des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zu forschen. Für eine Ausschreibung zur „Analyse der Gründe für SARS-CoV-2-Ausbrüche in stationären Pflegeeinrichtungen“ sei dem Bundesministerium für Gesundheit kein geeignetes Angebot vorgelegt worden und somit „konnte diese Studie nicht vergeben werden", wie eine Sprecherin des BMG nach Informationen der Tagesschau sagte. Alternativ habe man den Auftrag für eine Literaturanalyse „direkt an einen externen Forschungsnehmer vergeben“ können.

Ausschreibung ohne breite Streuung

Angesichts einer wachsenden Zahl pflegewissenschaftlicher Professuren und Institute in Deutschland sowie – mit der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft – einer pflegewissenschaftlichen Fachgesellschaft, stellt sich die Frage, warum niemand für einen solchen Auftrag gefunden wurde.

Die Gründe hierfür liegen jedoch nicht am mangelndem Interesse von Pflegewissenschaftler*innen, sondern sind offensichtlich systemimmanent. Eine Nachfrage der DGP bei dem betreffenden Journalisten ergab, dass es sich offenbar um eine begrenzte Ausschreibung im Sinne einer Auftragsvergabe handelte, die über das nur für autorisierte Nutzer zugängliche Portal "verwaltung.bund.de" erreichbar war. Auch wenn es sich um eine prinzipiell offene Ausschreibung handelt, wurde offenbar auf eine breite Streuung verzichtet und auch die DGP nicht einbezogen. Auch universitäre Standorte wurden – soweit es der DGP bekannt ist – nicht angefragt. Eine weitere Option wäre gewesen, das Beratungsgremium des Pflegebeauftragten des BMG einzubeziehen, um geeignete Forscher*innen zu benennen. Die Autor*innen der von der DGP initiierten Leitlinie „Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der Covid-19 Pandemie“ hätten ohne Frage Hinweise geben können.

Pflegewissenschaftliche Expertise einbeziehen!

Die erfolglose Ausschreibung zeigt nach Überzeugung der DGP daher nicht die Untätigkeit oder gar Unwilligkeit von Pflegewissenschaftler*innen in Deutschland, sondern wirft ein Schlaglicht auf die offensichtlich mangelnde Kenntnisnahme pflegewissenschaftlicher Kompetenzen, Strukturen und Kapazitäten in Deutschland (auch) in Zeiten der COVID-19-Krise. Als Beispiele dafür nennt die DGP die Förderung des Netzwerks Universitätsmedizin im Umfang von 390 Millionen Euro bis 2024, die vor allem für medizinische Grundlagenforschung und nur in sehr geringem Umfang zur Erforschung der pflegerischen Versorgung verausgabt wurden sowie die Nichtbeachtung pflegewissenschaftlicher Expertise in entscheidenden Beratungsgremien wie der interdisziplinären Kommission für Pandemieforschung der DFG oder dem Expertenbeirat des BMG.

Die DGP fordert in aller Deutlichkeit, dass angesichts der überragenden Bedeutung einer angemessenen pflegerischen Versorgung und der besonderen Rolle professionell Pflegender im Rahmen von Infektionsschutz und -kontrolle dringend pflegewissenschaftliche Expertise einbezogen werden muss. Und sie stellt klar: Dies gelingt sicher nicht über begrenzte Ausschreibungen im Rahmen von Auftragsforschung, deren zeitlicher und finanzieller Umfang darüber hinaus keine nennenswerte Forschung zulässt. Wenn es zukünftig gelingen soll, bei Krisen wie beispielsweise einer Pandemie, kurzfristig nötige Daten zur Verbesserung der Versorgung zu erhalten, braucht es etablierte Forschungsstrukturen. Krisenbezogene Ad-hoc-Programme reichen nach Einschätzung der Gesellschaft sicher nicht aus. Die DGP fordert das BMG und andere Fördergremien des Bundes explizit auf, ein angemessen ausgestattetes Programm unter entsprechend qualifizierter pflegewissenschaftlicher Begutachtung zur Erforschung der pflegerischen Versorgung während der Pandemie aufzusetzen und darüber hinaus pflegewissenschaftliche Expertise in Beratungsgremien zum Umgang mit der Pandemie einzubinden. (SK)

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen