Skip to main content

23.02.2023 | Politik | Nachrichten

KHPflEG: Reform oder "Reförmchen"?

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz soll die Arbeitsbedingungen von Pflegenden und damit die Versorgung in den Kliniken verbessern. Ist der große Wurf gelungen? Eine Einordnung aus gesundheitsökonomischer Perspektive von Professor Thomas Busse.

© PrivatProf. Thomas Busse, Leiter des Studiengangs Pflege- und Gesundheitsmanagement (M.A.) an der Frankfurt University of Applied Sciences. Professur für Pflegemanagement, Gesundheitsökonom.   


Herr Professor Busse, das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) soll dazu führen, dass Pflegende wieder mehr Zeit für Patientinnen und Patienten haben. Kann das Gesetz dies leisten?

Busse: Nachdem das Thema Pflege in den letzten Jahren systematisch immer weiter an die Wand gefahren wurde, ist es natürlich äußerst schwierig, von einem Gesetz nun zu erwarten, dass es alle Probleme auf einen Schlag löst. Enttäuschend aus meiner Sicht ist jedoch, dass der Gesetzgeber das Thema Pflege nicht umfänglich und strukturell angeht, sondern weiter einen Weg verfestigt, der - außer dem guten Ansatz der Vorhaltekosten in der Geburtshilfe und der Pädiatrie - den Pflegeberuf eher unattraktiver als attraktiver macht. Dies betrifft insbesondere die Einführung der PPR 2.0 und die Krankenhaustagesbehandlung. Im Rahmen der Einführung des ambulanten Operierens nach § 115b SGB V haben wir inzwischen festgestellt, dass die Integration ambulanter Strukturen in ein Krankenhaus gerade auf dem Rücken von Pflegekräften (Stichwort: Leistungsverdichtung) ausgetragen wird. Jetzt sollen zeitnah ca. 25% der stationären Krankenhausleistungen ambulant erfolgen. Nicht die Rede ist davon, woher hierfür die vor- und die nachsorgende ärztliche Versorgung kommt oder wie die für die ambulante Leistungserbringung notwendigen krankenhausinternen Strukturen aufgebaut werden können - erfahrungsgemäß bleibt bei derartigen Ansätzen ein Großteil der dann zusätzlichen Aufgaben bei den Pflegenden hängen. Dass die Pflege hierdurch mehr Zeit für die stationär zu versorgenden Patientinnen und Patienten zur Verfügung hat, halte ich für "zarte Lyrik".

Pflegeverbände fordern seit langem die Einführung der PPR 2.0. Nun kommt sie. Sind die noch zu errechnenden "Idealbesetzungen" für die Stationen die "Rettung"?

Busse: Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass eine PPR bereits 1992 Bestandteil des deutschen Gesundheitsstrukturgesetzes war, diese wurde aber 1996 wieder ausgesetzt. Grund hierfür waren nicht etwa die viel später installierten Fallpauschalen, sondern die Tatsache, dass die PPR mit einem hohen Dokumentationsaufwand für die Pflege und teilweise zweifelhaften Ergebnissen nicht zu einer Verbesserung der Pflegesituation (diese war damals auch schon schlecht) geführt hat, sondern nur zu eventuellen internen Personalumschichtungen. Mit der damaligen PPR wurde keine einzige Stelle geschaffen, wieso sollte das mit der PPR 2.0 unter aktuell noch schwierigeren Bedingungen anders sein? Zumal es intern für die Krankenhäuser keine großen Umverteilungsmöglichkeiten der Pflegebesetzungen mehr gibt. Bevor eine PPR 2.0 greifen kann, müssen sicherlich im Hinblick auf die Pflegesituation erst einmal andere Hausaufgaben gemacht werden.

Kinderkliniken und Geburtshilfestationen sollen zuerst entlastet werden. Wenn das mittelfristig gelingt – wie kann eine kurzfristige Lösung aussehen?

Busse: Schnelle Lösungen für diese Problematik wird es leider nicht geben. Der Ansatz, die beiden Bereiche nach Vorhaltekosten zu finanzieren, ist jedoch richtig und überfällig. Erfahrungsgemäß werden wir auf Grund der Trägheit des Systems auf die konkrete Umsetzung dieser Art der Finanzierung aber noch länger warten müssen. Wir sind einfach viel zu langsam und von Ankündigungen kann sich niemand etwas kaufen - hierfür gibt es leider aus der Vergangenheit genügend Beispiele. Wichtig erscheint mir, erst einmal festzulegen, wo und in welcher Größe wir konkret geburtshilfliche Kliniken bzw. Kinderkliniken benötigen und diese dann schnellstmöglich mit dem notwendigen Kapital zu versorgen, um die Arbeitsplätze dort attraktiver zu machen. Hierfür braucht es natürlich Konzepte, die nicht der Gesetzgeber, sondern die Kliniken bzw. die Pflegedirektionen liefern müssen. Es wäre überlegenswert, gute Konzepte finanziell gesondert zu fördern und somit den Kliniken einen initialen Anreiz hierfür zu geben.

Lesen Sie hier das vollständige Interview aus der Märzausgabe der PflegeZeitschrift

Das Interview führte Sabine M. Kempa.

print
DRUCKEN