Skip to main content

17.07.2019 | Politik | Nachrichten

Anwerbung: Keine langfristige Entlastung zu erwarten

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Um die Situation in der Pflege zu verbessern, will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verstärkt Pflegekräfte aus dem Ausland anwerben. Schon bald sollen Fachkräfte aus dem Kosovo Pfleger hierzulande entlasten. Wie steht der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zu diesem Vorhaben? Wir fragten nach bei DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel.

Johanna Knüppel © privatJohanna Knüppel ist Referentin und Sprecherin des DBfK-Bundesverbands.

Frau Knüppel, durch eine Zusammenarbeit mit dem Kosovo will Gesundheitsminister Spahn Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?

Knüppel: Wir sehen das aus verschiedenen Gründen kritisch. Es wird so sein wie bei anderen Anwerbeversuchen in der Vergangenheit auch, beispielsweise in Vietnam. Es werden einige engagierte Fachkräfte kommen. Zu einer dauerhaften, spürbaren Entlastung in den Pflegeeinrichtungen führt das nicht. Nur ein geringer Teil der angeworbenen Pflegefachpersonen bleibt langfristig. Dafür sind die Arbeitsbedingungen für Pflegende in Deutschland zu schlecht. Und das ist das Kernproblem. Andere Länder können hier ein deutlich attraktiveres Arbeitsumfeld bieten. Auch bei der Integration und Einarbeitung der Kollegen aus Drittländern hapert es häufig.

Aus Sicht des Gesundheitsministeriums eignet sich die Republik Kosovo besonders für eine Kooperation. Haben Sie dazu Erkenntnisse? Besteht die Gefahr, dass die Versorgung dort leidet, wenn Pflegekräfte nach Deutschland gehen?

Knüppel: Konkret liegen uns da keine Erkenntnisse vor. Doch jeder Gesundheitsminister in einem Land mit hoher Arbeitslosenquote wird betonen, dass die Versorgung der eigenen Bevölkerung durch den Weggang von Fachkräften nicht in Gefahr ist. Es steht zu befürchten, dass vor allem die Pflegekräfte mit den besten Zeugnissen und Qualifikationen abgeworben werden. Damit verliert das Land für das eigene Gesundheitswesen so dringend benötigte Kompetenz. Polen ist dafür ein Paradebeispiel. Das Gesundheitswesen dort hat sich bis heute nicht erholt vom massiven Weggang vieler Pflegefachpersonen seit Beitritt zur EU.  In anderen osteuropäischen Ländern gibt es dieselben Entwicklungen. 

Die Integration ausländischer Mitarbeiter ist kein Selbstläufer. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Pflegekollegen aus anderen Ländern bei uns wirklich Fuß fassen?

Knüppel: Für eine erfolgreiche Integration brauchen die Einrichtungen vor allem fachlich kompetente und kultursensible Mitarbeiter. Sie müssen die neuen Kollegen nicht nur in pflegefachlichen Fragen unterstützen, sondern auch kulturelle Unterschiede aufarbeiten und vermitteln. Das erfordert Zeit, die in den meisten Fällen einfach nicht da ist. Wichtig ist aber auch die soziale Integration. Sie darf nicht nach Dienstschluss enden.

Die Teams, in denen ausländische Pflegefachpersonen arbeiten, müssen ebenfalls auf die neuen Kollegen vorbereitet werden. All das kostet Geld. Einrichtungen müssen bereit sein, in diese personellen und fachlichen Ressourcen zu investieren. Nur dann können sie langfristig von ausländischen Pflegefachpersonen profitieren.

Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Knüppel: Die nötige Sprachkompetenz sollte nicht unterschätzt werden. Das geforderte Niveau B2 reicht bei weitem nicht aus, um im Pflegealltag Fuß zu fassen. Zu geringe Kenntnisse der deutschen Sprache sind ein hohes Risiko für die Sicherheit der zu Pflegenden. Der vielerorts bestehende Personalmangel, der ja Grund für die Anwerbung ist, erschwert auch die Integration. Dauerhaft kann diese nur gelingen, wenn alle beteiligten Pflegefachpersonen unter guten Rahmenbedingungen arbeiten.

Das Interview führte Nicoletta Eckardt.

print
DRUCKEN