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11.08.2019 | Politik | Nachrichten

"Das Thema Pflege hat höchste Priorität"

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Neue Ausbildung, Pflegepersonaluntergrenzen, Selbstverwaltung – es hat sich etwas getan in der Pflege. Doch für eine gesicherte Versorgung braucht es weitere Schritte. Und: die Akzeptanz von Pflegenden als Partner auf Augenhöhe. Der Bundesgesundheitsminister wirbt um Vertrauen.

Jens Spahn © BMG/Alexander Heinl / photothekBundesgesundheitsminister Jens Spahn im Gespräch mit Auszubildenden im Kosovo.

Herr Minister, die Pflege ist – endlich! möchte man sagen – ein festes Thema auf der gesellschaftlichen und politischen Agenda. Zahlreiche neue Regelungen sind in Kraft oder auf dem Weg. Wie nah sind wir dem Ziel einer sicheren Versorgung?

Jens Spahn: Die Pflege steht schon lange auf der politischen Agenda. In der Vergangenheit lag der Fokus eher auf den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Jetzt stehen die Pflegekräfte im Mittelpunkt. Für sie haben wir bereits einiges erreicht: Dank des Sofortprogramms Pflege stehen in der Altenpflege 13.000 zusätzliche Stellen zur Verfügung. In den Krankenhäusern wird jede neue und jede aufgestockte Pflegestelle voll finanziert. Die Kliniken können also nicht mehr sagen, dass kein Geld für mehr Personal da sei.

Ich weiß aber auch, dass es schwer ist, Pflegekräfte zu finden. Darum haben sich drei Ministerien in der Konzertierten Aktion Pflege zusammengetan und ein umfassendes Konzept vorgelegt: Mit mehr Geld, mehr Personal, mehr Ausbildungsplätzen und mehr Anerkennung machen wir diesen wichtigen Beruf attraktiver. Wir müssen das Versprechen halten, dass der Sozialstaat auch in den 2020er-Jahren funktioniert.

Aus der Pflege ist zu hören, dass in der Praxis von den Neuerungen noch wenig zu spüren ist. Was sagen Sie den professionell Pflegenden, die „am Limit“ arbeiten, bis hin zum Ausstieg aus dem Beruf?

Spahn: Ich weiß: Der Glaube daran, dass der Gesundheitsminister wüsste, wie es den Pflegekräften wirklich geht, ist nicht sehr ausgeprägt. Aber ich bin so oft es geht im Gespräch mit Menschen, die in der Pflege arbeiten, die Angehörige pflegen oder die selbst gepflegt werden. Ich habe großes Verständnis für den Frust, den manche empfinden. Darum hat das Thema Pflege für mich höchste Priorität.

Wir arbeiten im Bundesgesundheitsministerium mit Hochdruck daran, dass sich im Alltag der Menschen spürbar etwas verändert. Gerade habe ich eine Kooperation mit dem Kosovo unterzeichnet und mich vor Ort mit jungen Pflegeschülerinnen und Pflegeschülern getroffen. Denn es ist klar: Den Personalbedarf in der Pflege werden wir langfristig nur decken können, wenn wir auch Pflegefachkräfte aus dem Ausland für einen Berufseinstieg in Deutschland begeistern können.

Wie kann die Politik das verloren gegangene Vertrauen der Pflegenden zurückgewinnen?

Spahn: Indem wir liefern. Und nicht nur schöne Broschüren drucken. Nehmen Sie das Beispiel Personalausstattung im Krankenhaus: Wir können nicht immer wieder darüber reden, dass zu wenig Pflegepersonal im Krankenhaus die Sicherheit der Patienten gefährdet – sondern müssen dann auch handeln. Deswegen haben wir Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt. Und uns jetzt in der Konzertierten Aktion darauf geeinigt, verbindlichere Regeln für die Besetzung von Pflegeheimen mit Pflegekräften einzuführen. Erst wenn tatsächlich mehr Kollegen da sind, wenn der Alltag am Pflegebett spürbar leichter wird, nehmen uns die Menschen ab, dass Politik einen Unterschied macht. So gewinnen wir Vertrauen zurück.

Was braucht es – abgesehen von gesetzlichen Rahmenbedingungen – aus Ihrer Sicht, um die Wertschätzung der Pflege und der in der Pflege tätigen Menschen in unserer Gesellschaft zu erhöhen?

Spahn: Menschen, die in der Pflege tätig sind, leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Gesellschaft. Und das wird auch gesehen. Als wir etwa den Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht haben, fand das breite Akzeptanz in der Gesellschaft. Trotzdem lohnt es sich, auch am Image zu arbeiten. Viele Pflegekräfte sagen mir, dass das ein wundervoller Beruf sei. Über diese positiven Seiten müssen alle mehr reden. Auch die Pflegekräfte selbst, denn sie sind die besten Multiplikatoren. Ich möchte, dass Eltern stolz sind, wenn ihr Kind sich für eine Ausbildung in der Pflege entscheidet. Dass sie sagen: „Gute Entscheidung“ statt sich zu fragen, wie sie dem Sohn oder der Tochter das bloß wieder ausreden.

Das Interview führte Sabine M. Kempa.



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