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09.02.2018 | Politik | Nachrichten

GroKo: Die wichtigsten Projekte

verfasst von: Anno Fricke

Der Koalitionsvertrag steht, das Meinungsbild der SPD-Mitglieder steht noch aus. In den Vereinbarungen von Union und SPD zu Gesundheit und Pflege stecken auch ungedeckte Schecks auf die Zukunft.

Horst Seehofer (CSU), Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) © Kay Nietfeld/dpaBayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Martin Schulz nach den Koalitionsverhandlungen.

In der Pflegepolitik sollen schnelle Entscheidungen fallen. In einem Sofortprogramm sollen 8000 Fachpflegestellen in der stationären Pflege geschaffen werden. Mit 400 Millionen Euro im Jahr sollen die Krankenkassen dafür gerade stehen. Nicht klar ist, ob der Arbeitsmarkt dies hergibt. Die Pflege in den Kliniken soll davon profitieren, dass die Pflegekosten aus den Fallpauschalen herausgenommen werden sollen. Damit entfallen Anreize für die Klinikverwaltungen, auf Kosten des Pflegepersonals zu sparen.

Beiträge zur Krankenversicherung: Rückkehr zur Parität

Mit einem konkreten Umsetzungsdatum versehen ist im Gesundheitskapitel des Koalitionsvertrags von Union und SPD nur die Rückkehr zur Parität. Ab dem 1. Januar 2019 sollen die Beiträge zur Krankenversicherung wieder komplett je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern geleistet werden. Sie teilen sich ab dann auch die Zusatzbeiträge.
Zwei Großprojekte haben Union und SPD dagegen zunächst in die Mitte der Legislaturperiode verschoben. Bis Ende 2019 soll eine wissenschaftliche Kommission Zeit bekommen, Vorschläge für "ein modernes Vergütungssystem" zu erarbeiten und die damit zusammenhängenden medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen zu beantworten.

"Eine Kommission wird die Einführung einer gemeinsamen Honorarordnung (GHO) für GKV- und PKV-Patienten vorbereiten, so dass es in Zukunft für Ärzte bei der Wahl der Behandlung keinen Unterschied mehr macht, ob ein Patient privat oder gesetzlich versichert ist", präzisierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Professor Karl Lauterbach am Donnerstag das Vorhaben. Lauterbach kündigte eine schnelle Lösung an.

Eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Regierungsfraktionen soll das Thema "sektorenübergreifende Versorgung" vorantreiben. Bis 2020 soll die AG Vorschläge zur sektorenübergreifenden Bedarfsplanung, zur Zulassung, Honorierung, Kodierung, Dokumentation und der Delegation ärztlicher Leistungen erarbeiten. Konkreter ist das Vorhaben, die Notfallambulanzen in den Krankenhäusern und den ärztlichen Bereitschaftsdienst in einem eigenen Leistungsbereich zusammenzufassen. Dazu sollen die Landeskrankenhausgesellschaften und die Kassenärztlichen Vereinigungen in gemeinsamer Finanzierungsverantwortung Notfallleitstellen und Integrierte Notfallzentren aufbauen. Dazu wird der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen bis Sommer ein Gutachten vorlegen.

Überblick: die Baustellen der GroKo

Pflege: 8000 Fachkräfte für die Pflegeheime

Die Pflegegesetze waren ein Kernstück der Gesundheitspolitik in der abgelaufenen Legislaturperiode. Zur Entlastung der Fachkräfte in der stationären Pflege sind in den vergangenen vier Jahren rund 30 000 Pflegehelfer eingestellt und von den Sozialkassen finanziert worden. An dieses Konzept haben sich Union und SPD nun für ein weiteres Personalprojekt in der Pflege erinnert.

Mit einem Sofortprogramm sollen 8000 Fachkraftstellen in den Heimen geschaffen werden. Zahlen soll die GKV, weil die Behandlungspflege irgendwann ohnehin von der Pflege- zur Krankenkasse gehen soll. Ob der Arbeitsmarkt auf die Schnelle so viele Fachpfleger hergibt, steht in den Sternen. Ohnehin ist der Personalmangel groß. Um den Beruf attraktiver zu machen, sollen flächendeckend Tariflöhne gezahlt werden. Ziel soll sein, die zum Teil hohen Lohnunterschiede zwischen den Regionen einzuebnen. Da es in der Pflege mit dem TVÖD praktisch nur einen flächendeckenden Tarifvertrag gibt, zudem ist der Organisationsgrad von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gering, sind an dieser Stelle noch einige Steine aus dem Weg zu räumen.

Mit Personaluntergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen in den Kliniken soll die Qualität der Versorgung gesichert werden. Lange Wege für ambulante Pflegedienste sollen besser bezahlt werden. Die Pflegebedürftigen sollen stärker in die medizinische Versorgung geholt werden. Dazu werden die KVen und die Pflegeheime verpflichtet, Kooperationsverträge abzuschließen. (af)

Krankenhäuser: Silberstreif am Horizont

Für Krankenhäuser finden sich im Koalitionsvertrag viele positive Nachrichten. Das heißt, es soll mehr Geld fließen. Eine Milliarde zum Umbau der Krankenhauslandschaft soll aus dem Strukturfonds kommen. Dieser wird vier Jahre weiter geführt. Das Geld kommt zur Hälfte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, die andere Hälfte steuern die Länder bei. Die neue GroKo will bei der stationären Versorgung verstärkt auf Zentrenbildung setzen. Vor allem bei der Behandlung schwerer, komplexer oder seltener Erkrankungen. Die Zentren sollen interdisziplinäre Behandlungsteams bieten und mit ambulanten Schwerpunktpraxen zusammenarbeiten. Damit soll spezialmedizinische Kompetenz auch in der Fläche verfügbar sein.

Ein ganz wichtiger Punkt: Künftig sollen Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. „Die Krankenhausvergütung wird auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Personalkostenvergütung umgestellt“, heißt es im Koalitionsvertrag. So soll der krankenhausindividuelle Personalbedarf besser berücksichtigt werden können. Geplant ist eine verbindliche Freistellungsregelung für Transplantationsbeauftragte. Das soll die Zahl der Organspenden erhöhen. Die Investitionskostenfinanzierung wird weiter Ländersache bleiben. Experten fordern hier seit langem eine Beteiligung des Bundes, weil die Länder ihre Investitionspflicht sehr unterschiedlich wahrnehmen, mit entsprechenden Folgen. (chb)

Prävention: Wirksame Strategien gegen Diabetes gesucht

Seit 2012 empfiehlt das EU-Parlament nationale Diabetesstrategien, jetzt will die Bundesregierung dieses bisher auf die lange Bank geschobene Projekt endlich angehen. Die Zeit drängt: Es gibt in Deutschland sechs Millionen erkannte Diabetiker, jährlich kommen rund 300.000 Neuerkrankungen hinzu, die Dunkelziffer ist hoch. Experten kritisieren, dass Präventions- und Versorgungsstrukturen dringend verbessert werden müssen. In der Koalitionsvereinbarung werden weitere Hausaufgaben genannt: Volkskrankheiten wie Krebs, Demenz oder psychische Störungen sollen gezielt bekämpft werden, heißt es wenig konkret. Außerdem ist von einer Stärkung der Disease-Management-Programme die Rede. (fuh)

Weitere Informationen und Hintergründe zu den Projekten der Großen Koalition - etwa zu Ärzten, Pharmaunternehmen und zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung - finden Sie bei unseren Kollegen der Ärzte Zeitung.