Mit ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel in Sachen Pflege die Messlatte hochgesetzt. Die professionelle Pflege in Deutschland knüpft daher große Erwartungen an die neue Bundesregierung. Das machte DPR-Präsidentin Christine Vogler heute bei der Eröffnung des Kongresses Pflege 2022 unmissverständlich deutlich.
DPR-Präsidentin Christine Vogler drängt auf zeitnahe Entscheidungen, die "mutig umgesetzt" werden.
„Pflege soll an Mitspracherecht gewinnen und gestärkt werden, das ist eine gute Nachricht – zunächst", kommentierte die DPR-Präsidentin die Pläne der Bundesregierung. Durch jahrelange engagierte ehrenamtliche Arbeit in den Verbänden habe es die Pflege in den Koalitionsvertrag geschafft.
Viele Punkte im Koalitionsvertrag seien vorher „undenkbar“ erschienen, lobte Vogler und verwies u.a. auf das angekündigte Mitspracherecht der Pflege im G-BA, die Pläne zur bundesweiten Vereinheitlichung der Pflegeassistenzausbildung und die Übertragung heilkundlicher Aufgaben. Besonders hervor hob Vogler ein Novum – die finanzielle Unterstützung für eine eigene berufsständige Vertretung der Pflege auf Bundesebene.
Keine Zeit zu warten
Die DPR-Präsidentin signalisierte aber auch, dass die Pflege angesichts der drängenden Probleme keine Zeit habe zu warten. „Seit Jahrzehnten erleben wir immer wieder dieselben Verhaltensmuster: Parteien, die in der Opposition sind, wenden sich der Pflege zu, hören zu, zeigen Verständnis, versprechen viel. Kaum in der Regierungsverantwortung werden sie von einem Gesundheitssystem eingeholt, in dem Pflege keinen Platz hat“, sagte Vogler und ergänzte „und wenn sie ihnen dann einen Platz geben könnten in Strukturen und Systemen, handeln sie nicht, handeln sie halbherzig oder scheitern selbst am System.“
Vom neuen Gesundheitsminister wünsche sie sich eine ehrliche Auseinandersetzung darüber, wie es um die Pflege im Land bestellt ist, so Vogler. Man brauche keine Veranstaltungen und runde Tische mehr, die ohne Konsequenzen blieben, sondern Entscheidungen, die getroffen und mutig umgesetzt würden.
Man sehe jede neue Bundesregierung als Chance, auch diese. Bei einem Koalitionsvertrag mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen“ ganz besonders. Auch in der Pflege wünsche man sich mehr Fortschritt in Sachen Finanzierung, Gehalt, in punkto Arbeitsbedingungen, Bildung, Verantwortung, Mitsprache, Selbstverwaltung und Kompetenzen. „Die Pflegenden in diesem Land sind schon lange zu diesen Schritten bereit“, erklärte Vogler.
Doch statt „großer Schritte auf die Pflege zu“ geht das Warten der Pflegevertreter nach dem Regierungswechsel vorerst weiter. Für erste Fachgespräche mit der Bundesregierung muss sich der DPR noch bis Anfang Februar gedulden.
Heil: Ohne Pflegende kann Gesellschaft nicht funktionieren
Von Seiten der Bundesregierung dankten Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sowie die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar, in ihren Grußworten und Videobotschaften den professionell Pflegenden im Land für ihren täglichen Einsatz. „Die Pandemie hat jeden Tag vor Augen geführt, dass unsere Gesellschaft ohne Pflegekräfte nicht funktioniert“, sagte Heil. Auch über die Überwindung der Krise hinaus hätten Pflegerinnen und Pfleger nicht nur Wertschätzung und Respekt, sondern auch spürbare Entlastungen im Hinblick auf ihre Arbeitsbedingungen verdient.
Beide Regierungsvertreter äußerten Verständnis für die „Ungeduld“ der beruflich Pflegenden. Diese sei „zu Recht nach wie vor sehr groß“, räumte Heil ein.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege durchsetzen.
Pflege als zentrales Thema der Bundesregierung
Wie der Arbeitsminister weiter betonte, ist die Pflege ein „zentrales Thema“ der neuen Bundesregierung. So sehe der Koalitionsvertrag u.a. einen Ausbau der Pflegeinfrastruktur mit Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, einen gesetzlichen Rahmen für die 24-Stunden-Betreuung sowie die bessere Unterstützung für pflegende Angehörige vor.
Als Bundesarbeitsminister sieht sich Heil insbesondere beim Thema Arbeitsbedingungen und Löhne in der Verantwortung. Einiges sei bereits in der vergangenen Legislatur mit der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) auf den Weg gebracht worden, weitere Schritte müssten folgen. Der Bundesarbeitsminister hofft weiterhin, dass ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag in der Altenpflege zustande kommt. Heil spielte den Ball an die Arbeitgeberverbände und Arbeitgeber in der Langzeitpflege zurück mit der Aufforderung, entsprechende Verhandlungen zu führen. Zudem erwartet er, dass sich die derzeit verhandelnde Pflegemindestlohnkommission zeitnah auf höhere Lohnuntergrenzen in der Pflege einige. Diese sollen, laut Heil, möglichst bis zum 1. Mai umgesetzt werden. Auch dazu sei im Koalitionsvertrag einiges vereinbart. So habe sich die Bundesregierung vorgenommen, die Gehaltslücke zwischen Alten- und Krankenpflege deutlich zu verringern.
„Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen, und damit dem sich ausbreitenden Fachkräftemangel entgegenwirken.“ Das will die Bundesregierung mit einer Steuerbefreiung von Zuschlägen, der Abschaffung geteilter Dienste, der Einführung trägereigener Springerpools sowie dem Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Pflegende mit betreuungspflichtigen Kindern erreichen. (ne)
Kongress Pflege 2022 online und kostenfrei Pandemiebedingt muss der „Start ins neue Pflegejahr“ erneut online stattfinden. Vom 27. Januar bis zum 18. Februar bietet der „Kongress Pflege 2022“ in zahlreichen Webinaren eine breite Palette an Fortbildungsangeboten und pflegepolitischen Diskussionen zur kostenfreien Teilnahme. |