Die Pflege sitzt im Wartesaal: Erst nach 2026 wird sich zeigen, wie weit heilkundliche Aufgaben auf sie übertragen werden.
Paragraf 5a Infektionsschutzgesetz erlaubt Pflegekräften im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite schon jetzt die Ausübung heilkundlicher Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen. Rainer Ammende von der München Klinik Akademie wies beim Europäischen Gesundheitskongress auf diese Ermächtigung hin. Denn durch die im SGB V verankerten Modellvorhaben zur Übertragung heilkundlicher Tätigkeit werde die Pflege außerhalb pandemischer Zeiten erst nach 2026 wissen, wie es in Bezug auf die Delegation weitergeht.
Diese Modelle hat die große Koalition im Juni beschlossen – verpackt in das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG). Ammende kritisierte dieses Vorgehen als ein „Lehrstück der Reformblockade“. Im Vergleich zu anderen Ländern sei Deutschland bei den Pflege-Tätigkeitsprofilen „sehr rückständig“.
Bessere Ausbildung lässt Mortalitätsrate sinken
Dabei liegt der Nutzen einer Aufgabenerweiterung für Ammende auf der Hand: Ein besser qualifiziertes Pflegepersonal senke nachweislich die Mortalitätsrate und erhöhe die Versorgungsqualität. Werde das Tätigkeitsprofil weiter ausdifferenziert, könne die Arbeit in der Pflege interessanter werden.
Von 2023 bis 2026 soll in jedem Bundesland mindestens ein entsprechendes Modellvorhaben etabliert werden. „Gut wären verschiedene Settings, etwa Vorhaben in Ballungsgebieten, auf dem Land, in Krankenhäusern, im ambulanten Bereich oder in der Langzeitpflege“, so Ammende.
Maria Mischo-Kelling von der Hochschule Ravensburg-Weingarten mahnte möglichst einheitliche Strukturen für die Vorhaben an, um so größere und aussagekräftige Datenmengen zu generieren. Kein gutes Haar ließ Xaver Frauenknecht, Vorstandsvorsitzender der Sozialstiftung Bamberg, an der Verordnung zur Festlegung der Pflegepersonaluntergrenzen (PPUGV). Er kritisierte die Pflegeverbände dafür, dass ihre „Kritik an der PPUGV so leise ist“.
Umstrittene Untergrenzen
Die Verordnung baue nicht auf der individuellen Pflegebedürftigkeit auf, sondern auf der Hauptdiagnose und Patientenverweildauer. Es werde nicht nach der Komplexität, Quantität und Qualität der Pflegemaßnahmen unterschieden, so Frauenknecht.
Die Untergrenzen definierten zudem keine Mindestbesetzung. Grundlage für die Einsatzplanung sollten nicht die Erfüllung der Untergrenzen sein, sondern die Aufgabe und das Qualifikationsprofil. „Das individuelle Wohl des Patienten muss handlungsleitend bleiben“, sagte Frauenknecht. (juk)