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11.08.2017 | Politik | Nachrichten

"Pflege muss Chefsache werden"

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Überall fehlen Pflegekräfte. Dennoch wird das Pflegestellen-Förderprogramm der Bundesregierung bisher nur verhalten genutzt. Woran liegt das? Wir fragten nach beim Vorsitzenden des Bundesverbands Pflegemanagement Peter Bechtel.

Es gibt Geld für neue Pflegestellen und die Krankenhäuser rufen es kaum ab. Wie erklären Sie sich diese Zurückhaltung?

Das hängt sicher damit zusammen, dass die Krankenhäuser ihre Zahlen zum Personalbestand so aufbereiten mussten, dass sie der so genannten Stichtagsprüfung standhalten. Viele haben das für das Jahr 2016 nicht geschafft. Ein ähnliches  Förderprogramm im Jahr 2009 ist anfangs ebenfalls schleppend angelaufen. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass manche Kliniken entsprechend der Vorgaben nur verschwindend wenige neue Planstellen bekommen würden. Ein Antrag wird dann möglicherweise gar nicht erst gestellt.

Wer die Fördergelder in Anspruch nimmt, verpflichtet sich zu Transparenz. Die korrekte Verwendung muss nachgewiesen werden. Fürchten sich die Kliniken vor Kontrolle?

Das spielt sicherlich eine Rolle. Die Zweckgebundenheit der zur Verfügung gestellten Mittel ist im Förderprogramm eindeutig geregelt. In vielen anderen Fällen können und werden die Mittel dort eingesetzt, wo die Geschäftsführung sie einsetzen will. Die Transparenz ist daher ein sehr wichtiger Faktor. Nur so ist garantiert, dass das Geld wirklich in zusätzliche Stellen für die Pflege fließt und nicht „fehl“geleitet wird für längst überfällige Sanierungen oder die Beschaffung von Großgeräten.

Geht die Strategie der Bundesregierung auf, mit dem Förderprogramm die Pflege am Bett zu stärken?

Grundsätzlich halte ich es für den richtigen Weg, die Pflege am Bett zu stärken und damit eine qualitativ angemessene Patientenversorgung anzustreben. Mehr qualifiziertes Personal am Bett bedeutet ja auch Entlastung und damit eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Profession Pflege. Leider stehen in vielen Teilen unseres Landes auf dem Arbeitsmarkt nicht die entsprechenden zusätzlichen Pflegekräfte zur Verfügung, um diese einzustellen. Dies sollte aber nicht dazu führen, das Pflegestellen-Förderprogramm auszusetzen. Vielmehr müssen wir eine konzertierte Aktion starten, um den Pflegeberuf attraktiv zu gestalten. Leider ist hier mit dem mehr als halbherzigen Ansatz zur generalistischen Ausbildung eine historische Chance vertan worden!

Ist der Arbeitsmarkt aus Ihrer Sicht denn bereits leergefegt?

Der Arbeitsmarkt ist und bleibt leergefegt! Neueste Zahlen der DKG sprechen von ca. 10.000 offenen Stellen in der Krankenhauspflege. Eine mehr als erschreckende Zahl. Dabei ist klar, dass der tatsächliche Bedarf – unabhängig von einem Pflegestellen-Förderprogramm – weit höher ist. Wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb der Kliniken untereinander. Wenn auf dem Arbeitsmarkt keine Fachkräfte zur Verfügung stehen, dann geht es nur noch darum, Pflegekräfte aus den umliegenden Kliniken mit Lockangeboten abzuwerben – beispielsweise mit „Kopfprämien“.

Was müsste noch geschehen, um den Personalmangel zu bekämpfen?

Alle Akteure müssen an einem Strang ziehen, um dem Personalmangel zumindest mittelfristig begegnen zu können. Grundlage dafür könnte ein „Bundespflegeplan“ sein, der all die Faktoren beschreibt, die einer dringenden Bearbeitung bedürfen, um die Attraktivität des Berufs zu steigern. Neben einer besseren Personalausstattung gehört dazu sicherlich auch die Frage nach einer adäquaten Vergütung, insbesondere auch bei abgeschlossenem Studium oder entsprechender Weiterbildung. Die Frage nach vorbehaltenen Tätigkeiten für die Profession Pflege spielt hier ebenso eine Rolle wie die Begegnung auf Augenhöhe mit den anderen Professionen, insbesondere mit dem ärztlichen Bereich. Aus meiner Sicht ist es längst überfällig, dass unsere Kanzlerin das Thema Pflege – und damit meine ich in erster Linie die Profession – zur „Chefsache“ macht!


Zur Person:

© Bechtel

Peter Bechtel ist Pflegedirektor am Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Pflegemanagement. Das Problem der Personalgewinnung kennt er aus eigener Erfahrung sehr genau.

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