Skip to main content
Erschienen in: Heilberufe 10/2017

01.10.2017 | Pflegekammer | PflegeKarriere Zur Zeit gratis

Das meinen die Experten

Pflegekammer in der Hauptstadt: kommt sie oder kommt sie nicht?

verfasst von: Springer Medizin

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 10/2017

download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
Der Deutsche Pflegerat (DPR) und die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz haben beschlossen, eine Gründungskonferenz für die Bundespflegekammer einzurichten. Es tut sich also etwas in Sachen Kammer — allerdings nicht überall. In Berlin beispielsweise gab es schon 2015 eine Befragung, in der sich die Mehrheit der Pflegekräfte für die Kammer ausgesprochen hat. Was ist los in der Hauptstadt in Sachen Pflegekammer?
Dr. Gottfried Ludewig (CDU), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin: „In unserer älter werdenden Gesellschaft stellen wir fest, dass immer mehr Menschen Pflege benötigen. Aktuell sind das in Berlin 112.500 Menschen, bis 2030 steigt die Zahl voraussichtlich auf rund 170.000 Pflegebedürftige an. Um sie bestmöglich versorgen zu können, braucht Berlin 20.000 Pflegefachkräfte mehr. Wenn wir wollen, dass mehr Menschen den Pflegeberuf ergreifen, müssen wir ihn attraktiver machen. Die Pflegekammer ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Mit ihr bekommen die vielen professionell Pflegenden endlich ein Sprachrohr gegenüber der Politik und der Gesellschaft. Das bedeutet auch: Der Beruf wird gesellschaftlich aufgewertet. Aber auch die Qualität der Pflege steigern wir: Eine Pflegekammer kann verpflichtende Standards an der Aus- und Fortbildung mitgestalten.
Zudem gilt: Rund 60% der Berliner Pflegefachkräfte haben bei der repräsentativen Befragung zur Einführung einer Pflegekammer 2015 „Ja“ gesagt. Der SPD-geführte Senat ignoriert diesen Wunsch der Pflegekräfte und hat bis heute kein eigenes Modell vorgelegt, wie die Vertretung und Selbstorganisation in der Pflege verbessert werden kann. Das ist ein Armutszeugnis und zeigt, welch niedrigen Stellenwert die Pflege in der aktuellen Senatsverwaltung einnimmt.
Insofern ist es unser Wunsch als CDU-Fraktion, dass sich Senatorin Dilek Kolat ein Beispiel an den SPD-geführten Landesregierungen in Rheinland-Pfalz und Niedersachsen nimmt und endlich den Berliner Pflegekräften eine starke Stimme zugesteht: mit der Einführung einer Berliner Pflegekammer.“
Dilek Kolat (SPD), Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung im Land Berlin: „Es gibt in der rot-rot-grünen Koalition keine Verständigung für eine Pflegekammer und damit keinen Auftrag an die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung! Es ist ein berechtigtes Anliegen, dass die Beschäftigten in der Pflege eine institutionelle Vertretung fordern, um der Pflege eine starke Stimme zu geben. Ob aber eine Kammer nach althergebrachtem Muster mit Zwangsmitgliedschaft eine zeitgemäße Lösung ist, ist Teil der laufenden Debatte.“
Mit einer Pflegekammer bekommen die vielen professionell Pflegenden endlich ein Sprachrohr gegenüber der Politik und der Gesellschaft. (Dr. Gottfried Ludewig)
Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege: „In Berlin gibt es wie überall keine durch professionelle und seriöse Befragung bewiesene Zustimmung zur Pflegekammer. Schon gar nicht bei den Altenpflegekräften. Zustimmung soll durch bestenfalls dilettantische, meist aber manipulativ durchgeführte Umfragen herbei gezaubert werden. Die einzige seriöse und professionell durchgeführte Umfrage des Instituts INFO GmbH für den Hamburger Senat hat eindeutig bewiesen: nur 13,6% der Altenpflegekräfte sind für eine Kammer. Also: Es gibt keine Mehrheit für eine Pflegekammer.
Fast allen informierten Pflegekräften ist klar, dass eine Pflegekammer schadet. Neben MDK, Heimaufsicht und anderen Instanzen gibt es noch mehr Bürokratie. Es gibt keine Zuständigkeit, die nicht schon von anderen bearbeitet wird. Es gibt Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträge für Pflegekräfte. Pflegedirektoren der großen Kliniken benutzen die Altenpflege als Steigbügelhalter zur Durchsetzung ihrer Status-interessen.
In Rheinland-Pfalz zeigt sich nach einem Jahr, was Pflegekammer praktisch bedeutet. Geschaffen wurden Bürokratie und laut ver.di gut dotierte Funktionärsjobs. Altenpflegekräfte, die die Zwangsmitgliedschaft ablehnen, werden mit Ordnungsgeld bedroht, das zunächst bis zum Achtfachen des geringsten jährlichen Mitgliedsbeitrags führen kann. Das Führungsgremium ist bei neun Vertretern mit nur einem Vertreter der Altenpflege besetzt, obwohl diese rund 50% aller Pflegekräfte versammelt. Die Pflege braucht vieles, aber keine Funktionärskammer.“
Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz: „Rheinland-Pfalz war das erste Bundesland, in dem die Pflege eine starke Interessenvertretung bekommen hat — die Pflegekammer! Als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen mit dem intensivsten Kontakt zu Pflegeempfängern können wir unseren Einfluss dann besonders zur Geltung bringen, wenn wir unsere Interessen gemeinsam vertreten. Über ihre Kammer handeln die Pflegenden bei der Weiterentwicklung des Berufsstandes und des Gesundheitswesens auf Augenhöhe mit den anderen Akteuren und Berufsgruppen im Gesundheits- und Pflegewesen. In Rheinland-Pfalz wird immer erkennbarer, dass die mehr als berechtigten Angelegenheiten der Pflegenden im Land viel stärker wahrgenommen werden. Mit zunehmender Dauer der Kammerarbeit wird dies wesentlich intensiver werden. Die Pflege wird über die Kammer zum ersten Mal das pflegerische Handeln in Eigenregie regeln können. Eine eigene Berufsordnung mit modernen und professionellen Qualitätsstandards werden sich die Pflegenden selbst geben. Das Wissen und die Erfahrungen der Berufsgruppe werden dabei einfließen. Die Mitglieder erhalten Unterstützung in allen pflegefachlichen Fragen und Rechtsberatung bei berufsfachlichen Angelegenheiten und Problemen. Die Kammer setzt sich hier aktiv für die Mitglieder ein. Ein Schlichtungsausschuss kümmert sich um Beschwerden und führt Lösungen im Sinne der Beteiligten herbei. Darüber hinaus regelt die Kammer alle Fragen zu Fort- und Weiterbildungen der Pflegekräfte im Land. Auch hier können die Pflegenden künftig ohne die Einmischung der Politik oder anderer selbst entscheiden. Damit wird die Qualität in der Pflege nicht nur gesichert, sondern weiter ausgebaut.“
Juliane Schulz, DBfK Nordost, Stud. M.Sc. Pflegewissenschaft: Wir, die Pflegenden aus Berlin, haben uns schon 2015 in der vom Senat unterstützten „Studie der ASH Berlin zur Akzeptanz einer Pflegekammer im Land Berlin“ mit 58,8% für die Selbstverwaltung und damit für eine Pflegekammer in Berlin ausgesprochen. Doch der Berliner Senat hat unseren Wunsch bisher ignoriert und nicht unterstützt.
2016, im Wahljahr des Berliner Landtages, haben sich die Berliner für eine SPD-Regierung entschieden, innerhalb derer es nach wie vor keine klare Meinung zum Thema Pflegekammer Berlin gibt. Wie soll es jetzt weitergehen? Der Allianz Pflegekammer liegt das Protokoll einer Abteilungssitzung der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg vom 11. April 2017 vor. Im Bericht der Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Dilek Kolat ist zu lesen: „Zudem muss eine Pflegekammer eingerichtet werden.“
Ich bin Mitglied Allianz Pflegekammer Berlin fordere gemeinsam mit allen angeschlossenen Berufsverbänden im Landespflegerat die Regierung in Berlin auf, dem politischen Willen der Pflegeberufe nach einer Selbstverwaltung nachzukommen und endlich die notwendigen Schritte für die Errichtung einer Landespflegekammer einzuleiten. Die professionell Pflegenden wollen für sich selbst stehen. Sie wollen sich verändern, weiterentwickeln und die Verantwortung für eine sichere pflegerische Patientenversorgung übernehmen. Und dafür brauchen wir eine Pflegekammer! Wir fordern: Setzt die Kammer endlich um! Die beruflich Pflegenden fordern wir auf, über Listen, Netzwerke, Gremien und andere Kommunikationsplattformen dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und sie zu verbreiten.“
download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN

Nutzen Sie Ihre Chance: Dieser Inhalt ist zurzeit gratis verfügbar.

Unsere Produktempfehlungen

Heilberufe im Abo

Print-Titel

Print-Ausgabe, Zugriff auf digitale Inhalte und Teilnahme am PflegeKolleg.

Für Verbandsmitglieder

Mitglieder im ABVP, DRK und DGF erhalten Heilberufe übrigens zum Vorzugspreis. Schicken Sie einfach eine E-Mail mit den entsprechenden Angaben zu Ihrer Mitgliedschaft an: leservice@springer.com, Betreff: "Bestellung Heilberufe Abo".

Springer Pflege Klinik – unser Angebot für die Pflegefachpersonen Ihrer Klinik

Mit dem Angebot Springer Pflege Klinik erhält Ihre Einrichtung Zugang zu allen Zeitschrifteninhalten und Zugriff auf über 50 zertifizierte Fortbildungsmodule.

Metadaten
Titel
Das meinen die Experten
Pflegekammer in der Hauptstadt: kommt sie oder kommt sie nicht?
verfasst von
Springer Medizin
Publikationsdatum
01.10.2017
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Pflegekammer
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 10/2017
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-017-3051-9

Weitere Artikel der Ausgabe 10/2017

Heilberufe 10/2017 Zur Ausgabe