Patientenzufriedenheit
1 ist ein Merkmal der Qualität im Gesundheitswesen (Heidegger et al.
2006). Obschon viele Institutionen die Patientenzufriedenheit messen, ist nur ansatzweise geklärt, über welche Faktoren sich die Patientenzufriedenheit zusammensetzt und welche Rolle die Bedarfe, Bedürfnisse und Erwartungen von Patienten bei der Entstehung von Zufriedenheit spielen (Gehrlach und Güntert
2015). Patientenzufriedenheit wird oft mit einer Verbraucherzufriedenheit gleichgesetzt (Batbaatar et al.
2015) und als Differenz zwischen der Wahrnehmung und der Erwartung an die Behandlung beschrieben (Ayanian und Markel
2016; Donabedian
1988). Crow et al. (
2002) gehen davon aus, dass Erfüllung und Übererfüllung von Erwartungen zu Zufriedenheit führen, Nichterfüllung von Erwartungen dagegen führt zu Unzufriedenheit. Somit ist die subjektive Wahrnehmung der Behandlung und Betreuung, neben der Erwartung des Patienten, eine essenzielle Grundlage der Patientenzufriedenheit (Schiff et al.
2008). In der Anästhesie wurden bisher Sicherheit der Versorgung und Risikominimierung gegenüber der Patientenzufriedenheit deutlich höher gewichtet. Es wurde angenommen, dass das, was für die Patientinnen und Patienten zählt, dem entspricht, was für die Anästhesieerbringenden am wichtigsten ist: die Sicherheit der Versorgung, definiert durch ein geringes Risiko für Mortalität oder schwere Morbidität während der perioperativen Periode (Memtsoudis et al.
2019). Anästhesieerbringende haben die Qualität der erbrachten Leistungen an diesen Parametern gemessen (Wazir et al.
2018). Dies misst jedoch nicht notwendigerweise die Patientenzufriedenheit (Heidegger et al.
2013).
Der aktuellen Forschungsliteratur zufolge wird die Patientenzufriedenheit durch mehrere Faktoren beeinflusst. Einige diese Faktoren sind patientenbezogen (z. B. Alter, Geschlecht, Bildung) und nicht veränderbar (Wazir et al.
2018). Auch vergangene Erfahrungen mit Anästhesieleistungen und präoperatives Empfinden, wie z. B. Angst, beeinflussen die Patientenzufriedenheit (Falco et al.
2017). Erfahrungen und Empfindungen kann das Anästhesieteam jedoch aufnehmen und beeinflussen. Untersuchungen konnten aufzeigen, dass die Patientenzufriedenheit durch Pflegeleistungen beeinflusst wird (Otani und Kurz
2004; Lake et al.
2016). In der Untersuchung von Hudson et al. (
2015) konnte aufgezeigt werden, dass eine gute Beziehung der Patienten zu den Pflegefachpersonen, die während der perioperativen Phase für sie sorgten, sie bestärkte und ihnen ein gewisses Gefühl der Verbundenheit gab sowie das Wohlbefinden der Patienten steigerte (Hudson et al.
2015). Diese Untersuchung lässt vermuten, dass die Patientenzufriedenheit steigt, wenn das Anästhesieteam sich emotional auf den Patienten einlässt. Insbesondere der Einfluss der Kommunikation zwischen Fachpersonen und Patienten auf die Patientenzufriedenheit ist belegt (Kim et al.
2004; Trant et al.
2019). Batbaatar et al. (
2017) erläutern in ihrem Review, dass die zwischenmenschliche Interaktion den größten Einfluss auf die Patientenzufriedenheit hat. Diese zwischenmenschliche Interaktion und Betreuung ist im Pflegekonzept Caring nach Swanson (
1991) beschrieben. In der Profession Pflege ist das Caring ein zentraler Punkt. Aspekte wie Patientenzentrierung und Fürsprache für die Patienten sind darin ebenso enthalten. Mit dem Konzept „Advocacy“ (Sundqvist et al.
2018) wird die Fürsprache für die Patienten als ein Aspekt des Carings während einer Anästhesie konkret beschrieben. Es ist anzunehmen, dass die Inhalte des Pflegekonzeptes Caring von den Patienten mit einer guten Betreuung, einer guten Pflegeleistung, gleichgesetzt werden. Dass die Inhalte des Konzepts Caring für die Patientenzufriedenheit eine wichtige Rolle spielen, konnte in weiteren Arbeiten bestätigt werden (Hudson et al.
2015; Walsh et al.
2019). Die Anästhesiepflege wird in ihrer Tätigkeit als ein „Wachen über den Patienten“ mit Schwerpunkten der Profession Pflege beschrieben (Schreiber und Macdonald
2010). Bei Messungen zur Patientenzufriedenheit mit den Anästhesieleistungen soll auch dieser Aspekt der Betreuung und Behandlung abgefragt werden (Falco et al.
2017). Im Setting Anästhesie in der Schweiz arbeitet die Anästhesiepflegefachperson in Delegation oder in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Anästhesie und handelt eigenverantwortlich (Reanimation SSGfAu
2020). Die Anästhesiepflege hat dabei eigene Standards (Herion et al.
2019). Konkret wird die Anästhesieleistung in der Schweiz in einem Tandem von Anästhesiepflege und ärztlichem Dienst erbracht.
Instrumente zur Messung der Patientenzufriedenheit in der Anästhesie
In der Literatur wurden Fragebogen zur Erhebung der Patientenzufriedenheit mit den Anästhesieleistungen beschrieben (Barnett et al.
2013). In der Anästhesie gibt es Fragebogen, die sich auf die Patientenzufriedenheit mit den Anästhesieleitungen unabhängig vom Anästhesieverfahren beziehen (Auquier et al.
2005; Bauer et al.
2001; Caljouw et al.
2008; Mui et al.
2011). Es gibt auch Fragebogen, die für definierte Settings, wie die ambulante Versorgung, entwickelt und validiert wurden (Chanthong et al.
2009). Zudem gibt es Fragebogen, welche die Patientenzufriedenheit nach einem bestimmten Anästhesieverfahren wie Regionalanästhesie (Maurice-Szamburski et al.
2013) oder einer Monitored Anaesthesia Care (MAC) (Dexter et al.
1997) erfassen.
Es wurden jedoch erst wenige Fragebogen zur Patientenzufriedenheit mit den Anästhesieleistungen gemeinsam mit Patientinnen und Patienten entwickelt und anschließend psychometrisch getestet (Barnett et al.
2013). Einer der validierten Fragebogen, der bei allen erwachsenen Patienten angewendet werden kann, ist der Heidelberger Peri-anaesthetic Questionnaire (Schiff et al.
2008; Barnett et al.
2013) (nachfolgend Heidelberger Fragebogen genannt). Dieser Fragebogen wurde in deutscher Sprache verfasst und in diesem kulturellen Kontext validiert. Die Dimensionen wurden inhaltsanalytisch festgelegt und beinhalten folgende 5 Themenbereiche: Vertrauen und Atmosphäre, Angst, Unbehagen, Behandlung durch Personal, Information und Warten (Schiff et al.
2008). Die Autoren dieses Fragebogens beschreiben diese Subskalen der Patientenzufriedenheit, berichten jedoch keine empirischen Daten, wie diese Dimensionen die Patientenzufriedenheit mit der Anästhesie abbilden. Da dieser Fragebogen im Jahr 2008 publiziert und in Deutschland entwickelt wurde, bedarf es zudem einer Überarbeitung und Adaptation des Fragebogens auf aktuelle Gegebenheiten und den Schweizer Kontext. Das Ziel dieser Arbeit ist daher die Erstellung eines Fragebogens zur Patientenzufriedenheit mit den Anästhesieleistungen, bei dem auch Pflegeleistungen der Anästhesiepflege im Schweizer Kontext abgebildet werden. Dieser Fragebogen soll auf Basis des Heidelberger Fragebogens erstellt werden.