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23.02.2018 | Onkologische Fachpflege | Nachrichten

Onkologische Pflege: Es fehlen 70.000 Pflegekräfte

verfasst von: Anno Fricke

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Die Qualifikationen onkologischer Fachpflegekräfte werden beim Einsatz in den Kliniken nicht ausreichend geschätzt. Zudem fehlten 70.000 Pflegekräfte auf den Stationen, hieß es beim Krebskongress in Berlin.

Onkologische  Pflege (Symbolbild) © Arno Burgi / dpa (Symbolbild)Palliative Maßnahmen setzen oft erst in der allerletzten Lebenswoche ein, so eine Kritik beim Krebskongress in Berlin.

„Etwa 5000 speziell ausgebildete Onkologiepflegekräfte werden oft nicht adäquat eingesetzt“, sagte die Vorstandssprecherin der Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege, Kerstin Paradies, am Donnerstag beim Deutschen Krebskongress in Berlin. Rund 70.000 Pflegekräfte fehlen auf den Stationen der Kliniken in Deutschland. Das führe dazu, dass onkologische Fachpflegekräfte oft nur eingeschränkt für die Aufgaben eingesetzt würden, für die sie ausgebildete seien, sagte Paradies.

Die besonderen Qualifikationen erwerben die Onkologiepflegekräfte in einer zweijährigen Zusatzausbildung im Anschluss an die dreijährige Pflegeausbildung. Die befähigt sie, alle pflegerischen und therapeutischen Prozesse zu steuern, fachpflegerische Interventionen vorzunehmen, die Therapietreue der Patienten durch individuelle Beratung zu fördern und allgemein die Bedürfnisse ihrer Patienten zu erkennen und professionell darauf einzugehen.

Fachpflegekräfte werden für andere Aufgaben eingesetzt

Die Wirklichkeit sieht anders aus. 70.000 Pflegekräfte fehlen derzeit auf den Stationen der Krankenhäuser, schätzt die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Der Pflegenotstand führe dazu, dass onkologische Fachpflegekräfte oft nur eingeschränkt für die Aufgaben eingesetzt würden, für die sie ausgebildet seien. „Im Krankenhaus geht es in erster Linie darum, den Stationsbetrieb aufrecht zu erhalten“, sagte Paradies.

Der Sprecher der Pflegedirektoren der Universitätskliniken in Deutschland, Torsten Rantzsch, forderte, den Stationsbetrieb so zu organisieren, dass die Spezialisten entsprechend ihrer Qualifikationen eingesetzt werden könnten. Dazu gehöre ein Qualifikationsmix, der eine sinnvolle Arbeitsteilung ermögliche.

Vor Personaluntergrenzen auf „pflegesensitiven Stationen“, wie sie Union und SPD offenbar vorschweben, warnten die Pflegeexperten und auch Kongresspräsident Professor Thomas Wiegel. Der Begriff „pflegesensitiv“ ist bei den Praktikern nicht bekannt. Die Autoren des Koalitionsvertrags hätten im Hinblick auf die Pflege im Krankenhaus auf jede Konkretisierung verzichtet, beklagte Torsten Rantzsch. Er hoffe, dass die mögliche Koalition den Weg frei mache für die Definition von Personalschlüsseln, die den tatsächlichen Personalbedarf auch in der Onkologie berücksichtigten.

Späte Hilfe am Lebensende

Ein weiteres Thema beim Krebskongress war die palliative Situation. In Deutschland erhalten etwa zehn Prozent der Menschen, die letztendlich an Krebs sterben, in den letzten vier Lebenswochen noch eine Chemotherapie. Palliative Maßnahmen setzen dagegen oft erst in der allerletzten Lebenswoche ein. Darauf hat die Würzburger Palliativmedizinerin Professorin Birgitt von Orschoot bei der Hauptpressekonferenz des Deutschen Krebskongress am Donnerstagnachmittag in Berlin hingewiesen.

Für die Patienten bedeute das zum Beispiel, dass ihr Wunsch missachtet werde, zuhause zu sterben. Es sei bislang nicht geglückt, verbindliche Strukturen zu schaffen, damit frühzeitige palliativmedizinische Versorgung bei den Patienten ankomme, sagten die Mediziner und Pflegedirektoren. Und das, obwohl es seit 2015 eine S 3-Leitlinie gebe, die als Qualitätsziel einen "möglichst niedrigen" Anteil von Patienten mit tumorspezifischer Therapie in den letzten Lebenstagen ausrufe.

Sie forderten beim Kongress, gemeinsam mit den Patienten realistische Therapieziele festzulegen zu können. Es bedürfe einer rechtzeitigen Behandlungsplanung, in die auch Hausärzte und die Pflege einbezogen sein sollten. "Wir sind gut beraten, uns nicht auf Bauchgefühl zu verlassen, sondern Sprachfähigkeit über die tatsächliche Situation der Patienten zu erreichen", sagte der Wiesbadener Palliativarzt Bernd Oliver Maier. Es bestehe ein "Riesenbedarf" an Forschung. Das Interesse der Industrien an Studienfinanzierung ohne Zusammenhang mit neuen Medikamenten und Therapien sei aber gering.

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