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11.04.2022 | Onkologie | Nachrichten

Den Schirm schon vor dem Regen aushändigen

verfasst von: Thomas Müller

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Patienten und Patientinnen, die an fortgeschrittenen Tumoren erkrankt sind, scheuen oft eine palliative Behandlung, weil sie diese mit Hoffnungslosigkeit, Schmerzen, Gebrechlichkeit und nahem Tod verbinden. Geeignete Metaphern können die Kommunikation erleichtern und die Betroffenen besser überzeugen.

„Wir sollten langsam über eine palliative Behandlung nachdenken“ – einen solchen Satz hören vermutlich die wenigsten Krebskranken gerne. Für sie klingt das häufig, als ob die Ärzte keine Pfeile mehr im Köcher haben, das Ende kurz bevorsteht und nun eine Zeit der Schmerzen, starken Symptome und erheblichen Einschränkungen bevorsteht. „So weit bin ich noch nicht“, lautet dann auch eine häufige Antwort.

Die Assoziation mit dem Lebensende führe dazu, dass Patienten eine palliative Behandlung hinauszögerten und diese dann tatsächlich erst in den letzten Tagen und Wochen der Erkrankung bekämen, was den Eindruck einer Lebensende-Therapie weiter verstärke, schreiben die beiden Onkologen Dr. Camilla Zimmermann und Dr. Jean Mathews von der Universität in Toronto, Kanada. Um die negative Konnotation zu überwinden, schlagen die beiden Ärzte vor, in der Patientenkommunikation griffige Metaphern zu verwenden. Sie erläutern dies am Beispiel von Regenschirm und Regen. Der Regen steht für die Schmerzen und Komplikationen wie eine Blasenobstruktion oder Rückenmarkskompression, für Fatigue, Atemnot, Stress und Depressionen, die Palliativmedizin für den Regenschirm.

Bei wechselhaftem Wetter empfiehlt es sich, einen Regenschirm mitzuführen. Fängt es tatsächlich zu regnen an, kann der Schirm schnell und wirksam schützen. Wer jedoch keinen Schirm dabei hat, und erst über einen Regenschutz nachdenkt, wenn es aus allen Wolken schüttet, wird unweigerlich nass. So jemand wird sich zwar immer noch freuen, wenn er pudelnass von jemand einen Schirm bekommt, das macht ihn aber auch nicht wieder trocken.

Den Schirm schon vor dem Regen aushändigen

Es kommt darauf an, so Zimmermann und Mathews, den Patienten ganz klar den Unterschied zwischen Regen und Schirm zu erklären, also den zwischen einer palliativen Behandlung sowie den Beschwerden, gegen die sie sich richtet: „Eine palliative Therapie ist der Schirm, nicht der Regen.“ Die Patienten würden aber häufig die Palliativmedizin mit den Beschwerden verwechseln. Hier helfe es zu sagen, dass ein Schirm auch keinen Regen anzieht, es regnet oder es regnet nicht, egal ob man einen Schirm dabei hat oder nicht. Ist aber einer dabei, ist man geschützt.

Die Metapher greift auf einer weiteren Ebene: Bei wechselhaftem Wetter kann niemand genau vorhersagen, wo und wann es regnet. Ebenso wenig lässt sich bei fortgeschrittenen Tumoren bestimmen, wer wann welche Komplikationen und Beschwerden bekommt. Die Patienten würden ihre Aussichten jedoch oft überbewerten. Ist ein Schirm dabei – ein palliatives Betreuungsteam – können sie der Zukunft gelassener entgegensehen, sie sind dann besser geschützt.

Die beiden Onkologen weisen darauf hin, dass eine palliative Betreuung allen Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren standardmäßig angeboten werden sollte, und zwar möglichst früh und nicht erst am Lebensende. Dies könne die Lebensqualität deutlich verbessern und vermeiden, dass belastende Symptome wie Schmerzen und Depressionen lange Zeit unbehandelt persistieren. Die Betroffenen könnten rechtzeitig Unterstützung bekommen und besser ihre Zukunft planen.

„Der Schirm wirkt am besten, wenn wir ihn den Patienten geben, bevor der Regen beginnt, und nicht erst, wenn sie völlig durchnässt sind“ schreiben Zimmermann und Mathews. Dies erläutern sie mithilfe eines Cartoons: Mal läuft der Arzt dem tropfnassen Patienten mit dem Schirm hinterher, mal gibt er ihm den Schirm schon in der Praxis mit den Worten: „Vielleicht brauchen Sie ihn nicht, aber für den Fall der Fälle …“

Quelle: Springer Medizin

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Literatur

Zimmermann C, Mathews J. Palliative Care Is the Umbrella, Not the Rain—A Metaphor to Guide Conversations in Advanced Cancer. JAMA Oncol 2022; https://doi.org/10.1001/jamaoncol.2021.8210

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