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01.08.2022 | Onkologie | Online-Artikel

Onkologische Erkrankungen und ihre Behandlung

verfasst von: Matthias Naegele

Rund 500.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich neu an Krebs. Hinter dieser Diagnose verbirgt sich eine Vielzahl von Erkrankungsformen. Allen gemeinsam ist jedoch das unkontrollierte, wuchernde Zellwachstum. Wie entsteht Krebs und wie sehen die Behandlungsoptionen aus?

Krebszelle © royaltystockphoto / stock.adobe.comKrebszellen wachsen unkontrolliert und lassen sich auch von Gewebegrenzen nicht aufhalten.
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Krebs ist zunächst eine Erkrankung der Zelle. Von einer kranken Zelle ausgehend kommt es zu einer bösartigen (malignen) Gewebsneubildung (Neoplasie) und Tumorbildung. Möglich ist das, weil Krebszellen Eigenschaften besitzen, die sie von gesunden Zellen unterscheiden:

  • Unkontrolliertes Zellwachstum
    Krebszellen wachsen unreguliert und reagieren nicht auf Signale zum geplanten Zelltod (Apoptose). Bei gesunden Zellen wird hingegen das Wachstum streng kontrolliert. Wachstumsfaktoren geben die Signale zur Zellteilung. Das Zellwachstum kann aber auch gehemmt und die Apoptose eingeleitet werden. 
  • Infiltration und Destruktion
    Maligne Tumoren können ohne Beachtung von Organgrenzen in benachbartes Gewebe hineinwachsen (Infiltration) und es zerstören (Destruktion). 
  • Bildung von Tochtergeschwulsten (Metastasen)
    Krebszellen sind in der Lage, über die Blut- oder Lymphbahnen im Körper zu streuen und in anderen Organen und Körperregionen Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen, zu bilden.
  • Gestörte Ausreifung (Differenzierung)
    Gesunde Zellen differenzieren sich aus und übernehmen bestimmte Aufgaben in Geweben und Organen. Diese Fähigkeit ist bei Krebszellen gestört. Die Funktion der Ausgangszelle kann nicht mehr wahrgenommen werden.

Einteilung von Krebserkrankungen

Nach ihrem Ursprungsgewebe teilt man Krebserkrankungen in verschiedene Gruppen ein:

  • Karzinome
    Karzinome entstehen aus epithelialem Gewebe wie Haut- und Schleimhautzellen, aber auch aus Drüsengewebe. Die häufigsten und bekanntesten Karzinome sind die der Brust (Mammakarzinom), der Lunge (Bronchialkarzinom), des Darmes (Kolorektalkarzinom) und der Prostata.
  • Sarkome
    Aus Binde- oder Stützgewebe, zu denen Fettgewebe, Knochen oder Muskeln gehören, entstehen die Sarkome. Die bekanntesten sind die Sarkome des Knochens (Osteosarkome) oder des Fettgewebes (Liposarkome). 
  • Leukämien und Lymphome
    Auch aus den Zellen des Blutes oder der Lymphflüssigkeit können maligne Neoplasien entstehen. Diese werden dann Leukämien oder Lymphome genannt.

Entstehung von Krebserkrankungen

Krebs entsteht durch bleibende genetische Veränderungen (Mutationen) im Erbgut einer Zelle. Solche Mutationen finden ständig statt, werden normalerweise aber repariert oder führen zum programmierten Zelltod. Auch das Immunsystem erkennt veränderte Zellen und „sortiert“ sie aus.

Im Laufe des Lebens häufen sich Mutationen und diese Schutzmechanismen können versagen. Eine mutierte Zelle gibt die Mutation an ihre Tochterzellen weiter und ein maligner Tumor entsteht. Mit zunehmendem Alter steigt daher die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken.

Die Exposition gegenüber krebserregenden Substanzen (Kanzerogene) spielt bei der Entstehung von Mutationen und damit auch von Krebs eine entscheidende Rolle. Zu den Kanzerogenen zählen Genussgifte wie Tabak, Alkohol, aber auch bestimmte Nahrungsmittel. Weitere Kanzerogene sind diverse Chemikalien, Viren sowie UV- und radioaktive Strahlung.

Kanzerogene lassen sich meiden. Sie gehören zu den veränderbaren Risikofaktoren. Ein gesunder Lebensstil mit Tabak- und Alkoholabstinenz, gesunder und ausgewogener Ernährung sowie ausreichend körperlicher Aktivität kann das Risiko, an Krebs zu erkranken, um rund 40% senken.

Daneben kann auch eine erbliche Veranlagung für bestimmte Krebserkrankungen bestehen, z.B. beim Brust- oder Eierstockkrebs.     

Die Säulen der Krebstherapie

Die Behandlung maligner Erkrankungen basiert auf drei Behandlungssäulen:

  • Operation
  • Strahlentherapie und
  • medikamentöser Therapie.

Durch eine Operation lässt sich ein Tumor entfernen. Der Tumor kann aber auch bestrahlt und dadurch zerstört werden. Bei beiden Verfahren handelt es sich um eine lokale Therapie. Sie wirkt dort, wo sich der Tumor befindet.

Hat ein Tumor Metastasen gebildet oder besteht die Gefahr, dass er sich im Körper ausgebreitet hat, erlauben Medikamente eine Behandlung des gesamten Körpers. Man spricht von einer systemischen Therapie

In der Regel werden die Behandlungsverfahren kombiniert. So wird ein Tumor meist zuerst operativ entfernt. Anschließend wird das Tumorbett bestrahlt und/oder der Patient wird medikamentös weiterbehandelt. Diese ergänzende Behandlung bezeichnet man als adjuvante Therapie. Sie soll das Risiko minimieren, dass nach der Operation eventuell verbliebene Krebszellen ein Rezidiv auslösen.

Strahlentherapie oder medikamentöse Behandlung können aber auch der Operation vorgeschaltet werden. Das geschieht beispielsweise, um einen anfangs inoperablen Tumor so weit zu verkleinern, dass er operiert werden kann. Dieses Verfahren wird als neoadjuvante Therapie bezeichnet.

Medikamentöse Krebsbehandlung

Die medikamentöse Tumortherapie bestand über Jahrzehnte aus der Chemo- oder Zytostatikatherapie. Dabei erhalten die Patienten Medikamente, die Zellen während des Teilungsprozesses zerstören. Weil Krebszellen sich sehr schnell teilen, sprechen sie besonders stark auf solche Zellgifte (Zytostatika) an. Aber auch gesunde Körperzellen mit einer hohen Zellteilungsrate werden durch Zytostatika in Mitleidenschaft gezogen. Daher wird die Zytostatikatherapie bisweilen auch mit einem „Schuss aus der Schrotflinte“ verglichen.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird die Zytostatikatherapie durch die zielgerichtete Therapie mit monoklonalen Antikörpern und Tyrosinkinasehemmern ergänzt. Diese Medikamente richten sich gegen spezifische Ziele auf der Krebszelle und verhindern so das weitere Wachstum. Gesunde Zellen sind in der Regel nicht betroffen.

Sowohl Zytostatika als auch monoklonalen Antikörper werden überwiegend als Infusion verabreicht, Tyrosinkinaseinhibitoren hingegen in Tablettenform.

In den letzten Jahren gewinnt eine weitere Form der medikamentösen Therapie immer stärker an Bedeutung: die Immuntherapie. Im Unterschied zu den anderen Therapien richtet sich dieser Ansatz nicht direkt gegen die Tumorzellen. Vielmehr versetzt die Therapie das Immunssystem in die Lage, effektiv gegen die Krebszellen vorzugehen.

Nebenwirkungen der Krebstherapie

Neben der erwünschten Wirkung haben Krebstherapien auch unerwünschte Wirkungen, die heute aber oft sehr gut behandelbar sind. Bekannte Nebenwirkungen sind beispielsweise Übelkeit und Erbrechen. Mit modernsten Antiemetika lassen sich diese Symptome weitestgehend vermeiden. Haut- und Schleimhautprobleme, z.B. eine Entzündung der Mundschleimhaut, Durchfall oder eine Schädigung der feinsten Nervenenden in den Finger- oder Zehenspitzen sind ebenfalls sehr verbreitet.

Häufig kommt es auch zu Fatigue. Dabei handelt es sich um eine quälende Müdigkeit, die in keinem Zusammenhang zur vorausgegangenen Aktivität steht. Viele Betroffene begleitet die Fatigue auch noch Jahre nach einer erfolgreichen Krebstherapie.

Patienten mit onkologischen Erkrankungen betreuen

Pflegende übernehmen bei der Betreuung onkologischer Patienten ein breites Spektrum an Aufgaben. Ein Schwerpunkt onkologischer Pflege ist es, Therapienebenwirkungen vorzubeugen oder sie zu behandeln. Durch pflegerische Beratung werden Betroffene in die Mundpflege, die korrekte Einnahme der Antiemetika oder das frühzeitige Melden von Nervenschäden eingewiesen, um nur einige Beispiele zu nennen. Mit einem konsequenten Assessment, z.B. bei der Mundinspektion, werden solche Veränderungen frühzeitig entdeckt und Maßnahmen eingeleitet.

Das sogenannte Symptommanagement sollte auf nationalen oder internationalen Leitlinien basieren, wie z.B. der S3-Leitlinie Supportive Therapie, den ESMO- oder den MASCC-Guidelines.  

In vielen onkologischen Ambulanzen und Abteilungen übernehmen Pflegende auch die Durchführung der medikamentösen Therapie. Eine weitere zentrale Aufgabe ist die psychosoziale Begleitung der Betroffenen, die ein hohes Maß an kommunikativen Fähigkeiten von den Pflegenden erfordert.

Die notwendigen Kompetenzen in Beratung, Therapie und psychosozialer Begleitung vermittelt die zweijährige Fachweiterbildung „Pflege in der Onkologie“. Vermehrt sind aber auch akademisch ausgebildete Bachelor- oder Masterabsolventen in der Onkologie tätig. Hier gewinnt die Advanced Nursing Practice-Rolle (ANP) immer mehr Bedeutung in Deutschland. 

Literatur

Margulies A, Kroner T, Gaisser A, Bachmann-Mettler I (2017) Onkologische Krankenpflege, 6., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Springer, Berlin

Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen - Langversion 1.3, 2020, AWMF Registernummer: 032/054OL, https://www.leitlinienprogrammonkologie.de/leitlinien/supportive-therapie/ (Zugriff am 02.08.2021)

Aigner KR, Stephens FO (2016) Onkologie Basiswissen: mit 75 Abbildungen und 6 Tabellen. Springer, Berlin Heidelberg

Ford ES, Bergmann MM, Kröger J, et al (2009) Healthy living is the best revenge: findings from the European Prospective Investigation Into Cancer and Nutrition-Potsdam study. Arch Intern Med 169:1355–1362. https://doi.org/10.1001/archinternmed.2009.237

Barnes B, Kraywinkel K, Nowossadeck E, et al (2016) Bericht zum Krebsgeschehen  in Deutschland 2016. https://doi.org/10.17886/rkipubl-2016-014 (Zugriff am 02.08.2021)

DBfK, ÖKGV, SBK (2013) Advanced Nursing Practice in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 
http://www.vpu-online.de/de/pdf/Positionspapier-ANP-DBfK-OeGKV-SBK-2012-11-01.pdf

Standards der MASCC: mascc.org

Standards der ESMO: esmo.org


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