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20.07.2019 | Notfallmedizin | Nachrichten

Notfallhelfer-Einsatz per App

verfasst von: Petra Zieler

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Minuten, die über Leben oder Tod entscheiden können: Eine App soll in Bitterfeld helfen, Leben nach plötzlichem Herzstillstand zu retten. Schnellere Hilfe dank freiwilliger Helfer, so lautet das Konzept dahinter.

Notfall App © Petra ZielerEinsatz für das Leben: Chefarzt Anwar Hanna wirbt landesweit für mehr Hilfe und Prävention.

Einen plötzlichen Herzstillstand überleben nur wenige der Betroffenen – diese Realität bekommt der Kardiologe Anwar Hanna immer wieder zu spüren. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik im Gesundheitszentrum Bitterfeld ist zugleich leitender Notarzt in der Region: „Wir könnten mehr Menschen retten, würde die Erste Hilfe nicht so oft mit dem 112-Ruf enden. Viele warten oft wie in Schockstarre auf den Rettungsdienst, statt aktiv zu werden.“

Seit Jahren vermittelt Hanna in Herzseminaren, wie auch Laien im Fall des Falles Leben retten können. Landesweit kämpft er für mehr Aufklärung. Dazu hat der Chefarzt, unterstützt vom Bitterfelder Landrat, das Pilotprojekt KATRETTER ins Leben gerufen, um mehr Leben retten zu können.

Nähe zum Einsatzort nutzen

Das vom Fraunhofer Institut Berlin entwickelte Konzept basiert auf einer App und funktioniert relativ einfach. „Ersthelfer, die sich bereit erklären, Menschen bei plötzlichem Herzstillstand zu helfen, werden entsprechend geschult und mit einer App ausgestattet“, erklärt Hanna.

Sobald in der Leitstelle des Rettungsdienstes ein Notruf mit dem Verdacht Herzstillstand eingehe, könne der Dispatcher sofort orten, welche Ersthelfer sich in der Nähe des Patienten aufhalten. Sie würden per App informiert und bei Rückmeldung zum Einsatzort geleitet, wo sie umgehend mit den lebensrettenden Maßnahmen beginnen können.

Ist in der Nähe des Einsatzortes ein Defibrillator stationiert, wird auch das über die App signalisiert. Ansonsten gilt: Herzdruckmassage und Beatmung bis zum Eintreffen des Rettungswagens. Und der hat es häufig schwer in den vorgegebenen zwölf Minuten ab Alarmierung am Einsatzort einzutreffen.

„Je schneller wir die Ersthelfer zu den Patienten lotsen können, desto besser“, so der Chefarzt. „Innerhalb von zwei, drei Minuten sollte die Reanimation beginnen. Ich denke, das ist realistisch“, sagt Anwar Hanna und verweist auf Erfahrungen von anderen Ländern und Regionen.

Suche nach Freiwilligen

Voraussetzung für den Erfolg des Projekts sind zum einen viele Freiwillige und zum anderen ein gut ausgebautes Datennetz, das Verbindungen auch in abgelegenen Regionen des Landkreises garantiert. Für Letzteres will sich Landrat Uwe Schulze stark machen: „Als erster Landkreis ergänzen wir das regionale Herzinfarkt-Netzwerk um ein modernes KATRETTER-System.“

Die Gewinnung von Helfern ist für Anwar Hanna Chefsache: „Wir werden 1000 Leute ansprechen müssen, um 100 zu gewinnen. Aber wir werden sie gewinnen.“

Die ersten seien bereits gefunden, darunter auch Mitarbeiter der Klinik sowie aus Pflegeheimen. „Wir werden jetzt verstärkt in der Kreisverwaltung akquirieren und die Freiwilligen Feuerwehren ansprechen. Deren Mitglieder sind ja bekanntlich sehr engagiert“, so Hanna.

Start im Herbst

Im Herbst soll das App-basierte Helfernetz mit mindestens 50 Ehrenamtlichen offiziell starten. Auch die ersten Schulungen sollen bis dahin abgeschlossen sein. Eine Aufgabe, die das Deutsche Rote Kreuz übernimmt. Der ortsansässige Lionsclub sponsert Gürteltaschen für die Ersthelfer. Zum Inhalt gehören Schere, Handschuhe, Desinfektionsspray sowie eine kurze, übersichtliche Anleitung zur Reanimation.

Eine Gedankenstütze erweise sich im Ernstfall selbst bei bester Schulung als hilfreich und gebe zusätzliche Sicherheit, meint der Chefarzt, der auch in puncto Prävention auf mehr Aufklärung setzt. Denn nach wie vor ignorierten zu viele Menschen eindeutige Herzinfarktsymptome. Hanna: „Statt den Notarzt zu rufen, legen sie sich ins Bett.“

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