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11.01.2022 | News Hebammen | Nachrichten

Tabuthema Inkontinenz in der Schwangerschaft

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Unfreiwilliger Harnverlust kann die Lebensqualität von Schwangeren stark beeinträchtigen. Trotzdem suchen nur wenige Hilfe. Woran liegt das? Das untersuchten jetzt Forschende in den Niederlanden.

Es wird angenommen, dass Schwangerschaft und Geburt eine Harninkontinenz (UI) induzieren, die Prävalenz variiert jedoch stark in den bisher publizierten Studien, genauso wie die empfundene Belastung der Frauen. Niederländische Forscher haben jetzt festgestellt, dass UI in der Schwangerschaft verbreitet ist, aber nur wenige Betroffene medizinischen Rat einholen.

Dr. Heidi Moossdorff-Steinhauser von der Universität Maastricht und ihr Team führten eine über die Sozialen Medien geteilte Online-Umfrage durch. Mehr als 400 schwangere Frauen beantworteten Fragen zu Demografie, Schweregrad der UI sowie Lebensqualität, und gaben an, ob sie ärztliche Hilfe gesucht hatten und wie sie ihre Prognose einschätzten. Bei der Auswertung verglichen die Forscher die Antworten von Frauen mit und ohne Kontakt zu medizinischem Personal aufgrund der UI.

Höchste Prävalenz im dritten Trimester

Die Gesamtprävalenz von UI betrug rund 67%. Sie stieg von 55% im ersten auf 70% im dritten Trimester. Die häufigste Form war eine Belastungsinkontinenz (77%), mit einer signifikant niedrigeren Prävalenz bei Frauen, die zum ersten Mal schwanger waren, gegenüber denen, die bereits Kinder geboren hatten (48% vs. 77%).

Fast 43% der Betroffenen gaben an, dass die UI einmal pro Woche oder seltener auftrat. Bei 93% war die Menge des verlorenen Urins gering. 90% der Frauen berichteten über leichte bis moderate Auswirkungen auf die Lebensqualität. Als störend empfanden sie vor allem das häufige Wechseln der Unterwäsche und Sorgen bezüglich Geruchsentwicklung.

Nur 13% der Befragten wandten sich aufgrund der UI an medizinisches Personal. Die Hauptgründe, das nicht zu tun, waren, weniger Aufwand zu haben und die Annahme, das Problem werde sich von selbst lösen. Bei den hilfesuchenden Frauen waren der Schweregrad der UI und die empfundene Beeinträchtigung der Lebensqualität signifikant höher als bei denen, die keinen ärztlichen Rat einholten. Zudem befürchteten die Ratsuchenden eher eine Verschlechterung der Beschwerden nach der Geburt als die andere Gruppe (86% vs. 28%).

Risiko für postpartale UI unterschätzt

„Zwei von drei Schwangeren sind von einer UI betroffen, aber nur eine von acht sucht professionelle Hilfe“, fassen Moossdorff-Steinhauser und Kollegen zusammen. „Möglicherweise sind sich viele nicht bewusst, dass Frauen mit einer UI während der Schwangerschaft ein zwei- bis sechsfach erhöhtes Risiko für eine postpartale UI haben“, geben sie zu bedenken.

Es sei wichtig, Schwangere auf UI zu screenen und zu ermitteln, wie sehr diese ihren Alltag beeinträchtige, um Missverständnisse zu erkennen und geeignete Indikationen für Interventionen zu haben, betonen die Mediziner um Moossdorff-Steinhauser. Sie weisen zudem auf die Bedeutung von Beckenbodentraining hin und darauf, dass Frauen es möglicherweise eher anwenden, wenn sie über den positiven Effekt informiert werden. (Joana Schmidt)


Literatur

Moossdorff-Steinhauser HFA et al. Urinary incontinence during pregnancy: prevalence, experience of bother, beliefs, and help-seeking behavior. Int Urogynecol J 2021;32:695–701; https://doi.org/10.1007/s00192-020-04566-0

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