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05.05.2022 | News Hebammen | Nachrichten

Nachteilige Folgen für die Mütter

Schwangere mit Behinderungen sind häufig unterversorgt

verfasst von: Dr. Nicola Zink

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Frauen mit einer körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigung, aber auch blinde oder gehörlose Frauen haben ein erhöhtes Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Eine US-amerikanische Studie untersuchte, wo genau die Gefahren liegen.

Ein Forscherteam um Jessica L. Gleason vom National Institutes of Health, Bethesda, Maryland/USA, hat eine umfassende Analyse der maternalen Folgen und der Müttersterblichkeit bei Frauen mit Behinderung angestoßen. Sie verwendeten dazu die Daten des Consortium on Safe Labor (CSL) mit Angaben zu den Geburten aus 19 US-Krankenhäusern zwischen Januar 2002 und Januar 2008. Beteiligt waren insgesamt 221.311 Frauen, von denen 2.074 (0,9%) von einer Behinderung betroffen waren, davon 83,5% körperlich, 4,4% geistig und 12,1% waren blind oder gehörlos.

Im Vergleich zu Frauen ohne Behinderung war das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen bei Frauen mit körperlicher Einschränkung um 27%, bei geistiger Behinderung um 49% und bei blinden oder gehörlosen Schwangeren um 53% erhöht. Das Mortalitätsrisiko von Müttern mit Behinderungen war rund elfmal höher als bei Frauen ohne Beeinträchtigung (adjustiertes relatives Risiko [aRR]: 11,19). Frauen mit Behinderungen hatten ein signifikant höheres Risiko für eine Vielzahl von Komplikationen, einschließlich hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen, Schwangerschaftsdiabetes, Placenta praevia und vorzeitigem Blasensprung.

Das Risiko für Thromboembolien war um rund 500% erhöht, für kardiovaskuläre Ereignisse um 300%, für Infektionen um 169%, für schwere Präeklampsie/Eklampsie um 115%, für Fieber um 32% und für Blutungen um 27%. Frauen mit einer Behinderung hatten auch ein höheres Risiko für Eingriffe während der Geburt, einschließlich einer vaginal-operativen Entbindung mit einem um 33% erhöhten Risiko und einer Sectio, die um 34% häufiger durchgeführt wurde. Bei der erhöhten Rate an Kaiserschnittentbindungen vermuten die Studienautoren, dass die verantwortlichen Geburtshelferinnen und Geburtshelfer diese Art der Entbindung bei Schwangeren mit Behinderungen tendenziell bevorzugen würden und für die sicherere Methode hielten. Der erhöhte Wert müsse somit nicht unbedingt ein erhöhtes Risiko widerspiegeln.

Risiken während und nach der Geburt

Das Gesamtrisiko für eine Komplikation unter der Geburt oder im Wochenbett war bei den Frauen mit Behinderungen jeglicher Art 1,4-mal höher, für Frauen mit körperlicher Behinderung 1,3-mal, bei geistiger Behinderung 1,1-mal und für blinde oder gehörlose Frauen 1,7-mal höher.

Einige Besonderheiten stachen dabei heraus: So hatten taube und blinde Frauen ein 6,2-mal höheres Infektionsrisiko als Frauen ohne Behinderung, während Schwangere mit körperlichen Einschränkungen ein fast viermal höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Frauen mit geistiger Behinderung ein 1,8-mal höheres Risiko für schwere Präeklampsie/Eklampsie hatten. Das mütterliche Thromboembolierisiko war sowohl bei körperlichen (aRR: 5,64) als auch bei sensorischen Behinderungen (aRR: 10,65) mehrfach erhöht, während es bei Frauen mit geistiger Behinderung keine Thomboemboliefälle gab.

Mangelnde medizinische Versorgung und Ablehnung

Gleason und Kollegen nehmen die Gelegenheit wahr, in ihrer Veröffentlichung auf Missstände in der medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderungen hinzuweisen. Vor allem, wenn betroffene Frauen ein Kind erwarteten, würden sie häufig auf Ablehnung unter den Ärztinnen und Ärzten stoßen. Mangelnde Erfahrung beziehungsweise eine unzureichende Ausbildung seitens der Geburtshelfer und eine negative Einstellung gegenüber den Schwangeren würden zu einer Unterversorgung der Frauen führen.

Menschen mit Beeinträchtigungen schneiden von Haus aus gesundheitlich schlechter ab. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit höher, in Armut zu leben, zu rauchen, Drogen zu konsumieren und an Depressionen zu leiden. Armut versperrt noch dazu den Zugang zu einer adäquaten ärztlichen Betreuung – was vor allem in den USA eine Rolle spielt. „Unsere Ergebnisse spiegeln die Herausforderungen wider, denen sich Frauen mit Behinderungen bei der medizinischen Versorgung stellen müssen, was zusätzlich durch ihren schlechteren Gesundheitszustand vor der Empfängnis verstärkt wird“, fassen die Studienautoren die Lage der Frauen zusammen.

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Literatur

Literatur

Gleason JL et al. Risk of Adverse Maternal Outcomes in Pregnant Women With Disabilities. JAMA Network Open. 2021;4(12):e2138414; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2021.38414