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08.12.2022 | News Hebammen | Nachrichten

Petition: Über 1,6 Millionen Menschen stehen hinter Hebammen

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Geplante Änderungen zum Pflegepersonalbudget hätten laut Deutschem Hebammenverband (DHV) dramatische Auswirkungen auf die Finanzierung von Hebammen im Stationsdienst gehabt. Um dies zu verhindern, startete Studentin Michelle Franco eine Online-Petition – und das mit überwältigender Resonanz. Über 1,6 Millionen Unterzeichnende haben den Gesetzgeber umstimmen können.

© Joana Rohr | Springer Pflege1.572.700 Personen haben die Petition von Michelle Franco bis zum 15. November unterzeichnet – und es werden stetig mehr.
Michelle Franco mit Petition
© Joana Rohr | Springer Pflege

Das im Oktober verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sieht vor, dass ab 2025 lediglich qualifizierte Pflegekräfte, die der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt werden, im Pflegebudget berücksichtigt werden. Der DHV wies das Bundesgesundheitsministerium wiederholt auf dadurch drohende Versorgungsengpässe in der klinischen Geburtshilfe hin. Die Online-Petition „Keine Streichung der Hebammen aus dem Pflegebudget ab 2025“ von Studentin Michelle Franco verleiht den Forderungen des DHV Nachdruck und machte so deutlich: Geburtshilfe betrifft die gesamte Gesellschaft – und nicht allein nur Hebammen.
Der Druck der Berufsgruppe sowie die 1,6 Millionen Unterzeichnenden der Petition haben den Gesetzgeber offenbar zum Einlenken gebracht: Das am 2. Dezember vom Bundestag verabschiedete Krankenhauspflegeentlastungsgesetz soll die Finanzierung der Geburtshilfe sichern. Nicole Westig (FDP) sprach von „der Korrektur eines Fehlers“ und dankte Franco ausdrücklich für Ihren Einsatz. Wie es zur Petition kam, erklärten uns Michelle Franco gemeinsam mit change.org-Kampangnenleiter Erik Jödicke am 16. November am Rande der Bundesdelegiertentagung des DHV in Berlin.

Frau Franco, Sie selbst sind keine Hebamme. Was hat Sie bewogen, die Petition trotzdem ins Leben zu rufen?

Franco: Ich bin selbst vor knapp zwei Jahren Mutter einer Tochter geworden und weiß daher aus eigener Erfahrung, wie wichtig eine Hebamme sowohl während der Schwangerschaft als auch für die Nachsorge ist.

Über 1,5 Millionen Unterschriften hat Ihre Petition erreicht – haben Sie mit einer derart großen Resonanz gerechnet?

Franco: Nein, ich habe niemals damit gerechnet. Ich dachte mir, wenn es gut läuft werden es vielleicht 50.000 Unterschriften. Dass dieses Ziel dann nach einem Tag schon erreicht wurde, das war wirklich überwältigend.

Jödicke: Diese Petition ist die zweitgrößte, die bisher in Deutschland gestartet ist. Nur eine Petition ist noch größer – diese hat zwar mehr Unterschriften gesammelt, aber in einem deutlichen größeren Zeitraum. Das besondere an Michelles Petition ist die Geschwindigkeit, in der sie gewachsen ist. Michelle hat die Petition am Freitag, den 4. November gestartet – bereits einen Tag später hatte sie 150.000, am Montag schon eine Million Unterschriften. Diese Intensität, in der das eskaliert ist, hatten wir in Deutschland so noch nie.

Der DHV hat schon seit längerem auf die Missstände in der klinischen Geburtshilfe hingewiesen. Wie erklären sie sich jetzt die plötzliche öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema?

Franco: Ich denke, das kam durch Social Media. Dort haben sehr viele Influencer auf Instagram oder YouTube die Petition geteilt, zudem war das Thema einfach sehr brisant. Ich selbst bin ja keine Hebamme und habe deshalb wahrscheinlich auch Mütter, beziehungsweise andere Frauen oder Eltern angesprochen, die sich gedacht haben: Jetzt unterschreibe ich, weil es mich ja letztlich auch betrifft, auch wenn ich keine Hebamme bin.

Gesundheitsminister Lauterbach hat vereinzelten Medienberichten zufolge angekündigt, Hebammen wieder ins Pflegebudget aufnehmen zu wollen. Würde das Ihrer Meinung nach ausreichen?

Franco: Grundsätzlich hat Gesundheitsminister Lauterbach uns gegenüber kein Statement abgegeben. Wir wissen auch nicht, was er konkret umsetzten möchte, weil er zu dem Thema bisher nur ein Exklusivinterview und keine offizielle Stellungnahme gegeben hat. Wir müssen jetzt abwarten was er konkret umsetzten wird. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass sich die Situation der Hebammen damit nicht verschlechtert, aber auch nicht verbessert hat. Man ist noch lange nicht da, wo man laut Koalitionsvertrag sein möchte – Stichwort Eins-zu-eins-Betreuung. Es ist ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber wie gesagt, es fehlt noch einiges.

Jödicke: Es ist ehrlicherweise auch für uns total unverständlich, dass es noch immer kein offizielles Statement von Gesundheitsminister Lauterbach gab. Normalerweise erhalten wir von Ministerien für viel weniger Unterschriften schon eine Rückmeldung. Es ist nicht nachvollziehbar, das 1,5 Millionen Menschen, denen dieses Thema offensichtlich nahegeht, so hängen gelassen werden.

Wie geht es nun weiter?

Jödicke: Unser Ziel ist natürlich immer, dass wir die Unterschriften auch übergeben. Auch in diesem Fall würden wir gerne mit dem DHV Zusammen eine Übergabe an das Bundesgesundheitsministerium stattfinden lassen.

Franco: Wir sind aktuell im Kontakt mit dem Assistenten von Gesundheitsminister Lauterbach, der uns versicherte, dass ein Statement in Arbeit ist. Wir müssen jetzt abwarten was passiert.

Das Interview führte Joana Rohr. 
(Der Beitrag wurde am 8. Dezember 2022 aktualisiert.)

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