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15.03.2023 | News Hebammen | Nachrichten

Kindesmissbrauch hat generationsübergreifende Folgen

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Belastende Kindheitserfahrungen einer Mutter können Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit ihrer Kinder haben. Das berichten Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Misshandlungen in der Kindheit bringen eine Vielzahl von Folgen für das gesamte Leben eines Menschen mit sich. Dazu zählen körperliche, psychische, verhaltensbezogene und auch soziale Auswirkungen. Diese können sich bis in die Zeit der Schwangerschaft und Elternschaft fortsetzen. So können kritische Erfahrungen in der Kindheit der Eltern die Entwicklung und Gesundheit ihrer Kinder beeinflussen: Wie eine Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin zeigt, treten bei Kindern von Müttern, die als Kind Misshandlung erfahren haben, häufiger Gesundheitsprobleme auf.

Höheres Risiko für Asthma, ADHS, Autismus und Depressionen

Die Wissenschaftler*innen haben Daten von über 4.300 amerikanischen Müttern und ihren Kindern aus 21 Langzeitkohorten ausgewertet. Mütter berichteten darin über die Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit gemacht haben. Zudem wurden Diagnosen ihrer biologischen Kinder bis zum Alter von 18 Jahren einbezogen. Als Misshandlung verstehen die Wissenschaftler*innen körperliche, emotionale und sexuelle Misshandlungen oder Vernachlässigung durch einen Elternteil oder eine Betreuungsperson, die zu einer körperlichen oder emotionalen Schädigung beziehungsweise einer drohenden Schädigung eines Kindes führen.

Der Vergleich der Datensätze zeigt: Kinder von Müttern, die von negativen Erlebnissen berichteten, hatten ein höheres Risiko, an Asthma, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und Autismus zu erkranken. Diese Kinder wiesen auch häufiger Symptome und Verhaltensweisen auf, die mit Depressionen und Angststörungen in Verbindung stehen, sogenannte internalisierende Störungen. Zudem haben Töchter dieser Mütter ein höheres Risiko, an Fettleibigkeit zu erkranken, als deren Söhne. Auch ist das Risiko umso höher, je schwerwiegender die mütterlichen Erfahrungen in der Kindheit waren.

Genetische Risikoübertragung ist unwahrscheinlich

„All diese Zusammenhänge sind unabhängig davon, ob die Mutter dieselbe jeweilige Diagnose erhalten hat“, erklärt Prof. Buß, leitende Autorin der Studie. „Das spricht gegen eine genetische Übertragung des jeweiligen Krankheitsrisikos.“ Die Mechanismen, wie genau das Risiko auf die nachfolgende Generation übertragen wird, sind noch nicht hinreichend entschlüsselt. Es gibt Hinweise darauf, dass negative Erfahrungen in der Kindheit die mütterliche Biologie während der Schwangerschaft beeinflussen können, zum Beispiel durch Stresshormone. Solche biologischen Veränderungen sind stärker ausgeprägt, wenn die Mutter in Folge der traumatischen Erfahrungen eine psychische Erkrankung entwickelt hat, beispielsweise eine Depression.

Eine beeinträchtigte psychische Gesundheit der Mutter kann sich auch nach der Geburt auf den Umgang mit ihrem Kind auswirken, was wahrscheinlich ebenso für die generationsübergreifenden Effekte von Bedeutung ist. Die Ergebnisse bedeuten allerdings nicht, dass alle Kinder von Müttern mit traumatischen Kindheitserlebnissen zwangsläufig gesundheitliche Probleme bekommen, ergänzt Erstautorin Nora Moog.

Betroffene frühzeitig identifizieren und unterstützen

„Ich gehe davon aus, dass eine angemessene Unterstützung der belasteten Mütter ihre Gesundheit sowie die ihrer Kinder positiv beeinflussen kann. Dafür ist es sehr wichtig, dass wir betroffene Mütter und Kinder frühzeitig identifizieren.“, so Buß. So könnten etwa Ärztinnen und Ärzte im Rahmen von pränatalen oder kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen auch die Kindheitserfahrungen der Eltern thematisieren und Kontakt zu verschiedenen Unterstützungsprogrammen oder Beratungsstellen herstellen. Von einer frühen Hilfe würden dann gegebenenfalls zwei Generationen profitieren: Der Elternteil, der Misshandlung erfahren hat und möglicherweise an gesundheitlichen Folgen leidet sowie das Kind, bei dem Krankheiten verhindert werden könnten.

Um therapeutische Maßnahmen entwickeln zu können, arbeitet das Forschungsteam nun daran, die Mechanismen, wie genau das höhere Krankheitsrisiko auf die nachfolgende Generation übertragen wird, besser zu verstehen. Auch möchte es durch Folgestudien ergründen, welche Kinder keine Folgen über eine Generation hinweg erleiden. Zudem finden bislang die Kindheitserfahrungen des Vaters verhältnismäßig wenig Beachtung.

charite.de

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