Skip to main content

09.07.2024 | News Hebammen | Nachrichten

Sommermärchen puscht Geburtenrate

Große Sportevents – mehr Babys?!

verfasst von: Thomas Müller

print
DRUCKEN
insite
SUCHEN

Die Fußball-EM ist fast vorbei – Olympia steht vor der Tür. Das bedeutet für viele Menschen: Sommer, Sonne und eine super Stimmung durch spektakuläre Sportereignisse. Und das bringt auch das Sexualleben in Schwung. Neun Monate später steigt dann die Geburtenrate – zumindest bei den Fans der Sieger, mitunter aber auch in den Ländern der Veranstalter.

Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.

Vielleicht kann die aktuelle Fußballeuropameisterschaft die schwächelnde Geburtenrate in Deutschland zumindest kurzfristig auf Trab bringen. Dazu muss Deutschland noch nicht einmal das Turnier gewinnen – es reicht, das Spektakel auszurichten und eine gewisse Begeisterung in der Bevölkerung zu entfachen. Mit einem Sieg wäre der Effekt natürlich noch deutlich stärker. So lässt sich jedenfalls eine Analyse der Geburtenrate nach größeren Sportereignissen interpretieren. Allerdings: Bleibt die Euphorie aus, weil das favorisierte Team ständig verliert, bricht die Geburtenrate anschließend ein.

Für ihren systematischen Review hat ein Team um Dr. Gwinyai Masukume vom University College Dublin zehn Studien ausgewertet, in denen Auswirkungen großer Sportereignisse auf die Geburtenrate und das Geschlechterverhältnis der Babys untersucht worden waren. Diese bezogen sich auf mehrere Fußballwelt- und Europameisterschaften, Rugby-Weltmeisterschaften, den Super Bowl im American Football sowie die spanische „La Liga“.

Nach Champions-League-Sieg: 16% mehr Kinder als erwartet

Die stärksten Auswirkungen auf die Geburtenrate zeigten sich in einer Studie zur UEFA Champions League im Jahr 2009: Neun Monate nach dem Sieg des FC Barcelona lag die Geburtenrate in Katalonien um 16% über dem erwarteten Wert. Weniger stark scheinen sich hingegen Siege in nationalen Fußballligen auszuwirken – vielleicht ist dafür einfach das Überraschungsmoment zu gering. Verliert der Favorit jedoch unerwartet die Meisterschaft, sinkt mitunter auch die Geburtenrate geringfügig – in der spanischen Liga kamen nach solchen überraschenden Niederlagen in den Jahren 2001 bis 2015 im Schnitt 0,8% weniger Kinder in der jeweiligen Region zur Welt.

Neun Monaten nach der ersten Weltmeisterschaft in Südafrika wurden dort geschätzt 1000 Kinder mehr als üblich geboren, und die erste Teilnahme Nordirlands an der Fußballeuropameisterschaft im Sommer 2016 führte im März 2017 zu einer um 2% erhöhten Geburtenrate.

Doch nicht nur Fußball, auch Rugby kann ganze Länder euphorisieren: 2019 richtete Japan erstmals die Weltmeisterschaft in dieser Sportart aus, ein Dreivierteljahr später kamen deutlich mehr Jungen als üblich zur Welt. Dies war auch regelmäßig in den Städten und Regionen der Fall, deren Mannschaften einen Superbowl gewannen: Hier stieg zwar nicht die Geburtenrate, aber das Geschlechterverhältnis änderte sich zugunsten des männlichen Nachwuchses.

Allerdings sind die Resultate solcher Studien nicht sehr einheitlich. Ein weitere Super-Bowl-Analyse zeigte keinen Zusammenhang zwischen Sieg, Geburtenrate und Geschlechterverhältnis. Und eine Untersuchung zu sämtlichen großen Europa- und Fußballweltmeisterschaften zwischen 1960 und 2016 ergab, dass ein etwas besser als erwartetes Abschneiden von Nationalmannschaften zu einem leichten Geburtenrückgang in der Heimat führte. Erklärt wurde dies damit, dass in solchen Fällen mehr Menschen die Abende vor dem Fernseher als mit dem Austausch von Zärtlichkeiten verbringen, was nicht unbedingt im Widerspruch zu den übrigen Resultaten steht: Vielleicht genügt eben nicht nur ein bisschen mehr Interesse für das Ereignis, es muss schon ein richtiger Begeisterungssturm entstehen.

Davon dürfte auch abhängen, ob und wie sich die aktuelle Europameisterschaft auf die Geburtenrate auswirkt. Gewinnt ein Underdog, ist der Effekt wohl am stärksten, bei einem Favoriten eher wenig bis gar nicht ausgeprägt. In Deutschland als Gastgeberland könnte es schon reichen, wenn die Nationalmannschaft eine ähnliche Sommermärchen-Stimmung wie 2006 auslöst. Im nächsten Frühjahr dürfte sich dann ein gründlicher Blick auf die Geburtenrate lohnen.

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Welchen Einfluss haben große Sportereignisse auf die Geburtenrate?

Antwort: Je größer die Begeisterung, umso höher ist die Zahl der Geburten neun Monate später. Tendenziell werden dann auch mehr Jungen geboren. Unerwartete Niederlagen können die Geburtenrate hingegen senken.

Bedeutung: Große Sportereignisse haben einen Einfluss auf die Geburtenrate neun Monate später.

Einschränkung: Bislang gibt es nur wenige Studien zu diesem Thema.


print
DRUCKEN
Literatur

Literatur

Masukume G et al. Sporting tournaments and changed birth rates 9 months later: a systematic review. PeerJ 2024;12:e16993; https://doi.org/10.7717/peerj.16993