Frühchen kommen mit zahlreichen Defiziten auf die Welt. Dass sie teilweise auch noch im Teenageralter Nachteile in puncto Kognition haben, wurde nun anhand von dänischen Registerdaten aufgedeckt.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
Drei Wissenschaftler aus England, Dänemark und Norwegen analysierten in ihrer populationsbasierten Kohortenstudie die Daten von knapp 800.000 dänischen Kindern, die zwischen 1989 und 2003 geboren worden waren. Diejenigen mit einem Gestationsalter von weniger als 34 Wochen wiesen erhebliche Defizite in mehreren kognitiven Bereichen auf.
Untersucht wurden lediglich Geschwisterkinder, die vom selben Vater und derselben Mutter waren. In die Studie flossen die Ergebnisse ihrer schriftlichen Sprach- (Dänisch) und Mathematikprüfungen am Ende der Schulpflichtzeit in der 9. Klasse im Alter von 15 und 16 Jahren ein. Zusätzlich wurden die Resultate von Intelligenztests herangezogen, die männliche Teilnehmer bei der Einberufung zum Militärdienst absolvieren mussten.
Das Gestationsalter wurde in folgende Kategorien eingeteilt: sehr frühe Frühgeburt (< 28+0 Schwangerschaftswochen [SSW]), frühe Frühgeburt (28+0 bis 31+6 SSW), mittlere Frühgeburt (32+0 bis 33+6 SSW), späte Frühgeburt (34+0 bis 36+6 SSW) und Geburten in den SSW 37, 38, 39, 40, 41 oder 42 oder später. Insgesamt wurden 44.322 Kinder (5,6%) vor der 37+0 SSW geboren.
Ein Gestationsalter von weniger als 34 Wochen war mit einem deutlich schlechteren kognitiven Ergebnis verbunden: In der schriftlichen Prüfung im Fach Dänisch wiesen Kinder, die vor der 27. Gestationswoche geboren worden waren, im Vergleich zum Gestationsalter von 40 Wochen einen signifikant niedrigeren mittleren Z-Score auf (Z-Score-Differenz −0,10). In der Mathematikprüfung erzielten Kinder mit unter 34 SSW und über 41 SSW signifikant niedrigere Z-Werte als Kinder, die mit 40 SSW zur Welt gekommen waren. Bei Kindern mit einem Gestationsalter von < 34 Wochen nahmen die Mathematiknoten mit zunehmender Frühgeburtlichkeit kontinuierlich ab: Die Z-Wert-Differenz lag bei −0,05 für 32–33 Gestationswochen, bei −0,13 für 28–31 Gestationswochen und bei −0,23 für ≤ 27 Gestationswochen.
Die Werte waren um mehrere Störfaktoren (Geschlecht, Geburtsgewicht, Fehlbildungen, Alter der Eltern bei der Geburt, Bildungsniveau der Eltern und Anzahl der älteren Geschwister) und gemeinsame Familienfaktoren bei den Geschwistern (z. B. genetische Komponenten) bereinigt worden. Ein kleiner Teil der Kinder hatte die Abschlussprüfungen am Ende der Schulpflicht nicht abgelegt, zum Teil aufgrund kognitiver Beeinträchtigungen, und dieser Anteil nahm mit abnehmendem Gestationsalter deutlich zu.
Bei einer männlichen Untergruppe der Kohorte, die aus 227.403 Teilnehmern bestand, die Brüder hatten und 18 oder älter waren, lagen den Forschenden zusätzlich Informationen vom dänischen Verteidigungsministerium über Testergebnisse des Intelligenztests vor, der im Rahmen der Wehrpflicht absolviert werden muss. Die Gesamtergebnisse in dieser Unterkohorte waren ähnlich wie in der Hauptkohorte aus: Junge Männer, die in der SSW < 34 geboren worden waren, erzielten deutlich niedrigere Testergebnisse. Der geschätzte Unterschied in der Intelligenz betrug 2,4 IQ-Punkte für Kinder, die in SSW 32–33 das Licht der Welt erblickt hatten, 3,8 IQ-Punkte für 28–31 SSW und 4,2 IQ-Punkte für ≤ 27 SSW, jeweils im Vergleich zu 40 SSW.
Darüber hinaus ergab eine Sensitivitätsanalyse, dass die Verschlechterung bei Kindern mit einer Schwangerschaftsdauer von ≤ 27 Wochen auch 6,4 IQ-Punkte betragen könnte, wenn der unverhältnismäßig hohe Anteil der Frühgeborenen berücksichtigt würde, die nicht am Intelligenztest teilgenommen hatten. Dagegen wurden für Kinder, die nach der 40. Gestationswoche geboren worden waren, keine signifikant schlechteren IQ-Werte ermittelt.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen einen erheblichen negativen Einfluss auf die langfristigen kognitiven Fähigkeiten von Kindern, die vor der 34. SSW geboren wurden“, so das Fazit von Anders Husby vom Imperial College London sowie dem Statens Serum Institut in Kopenhagen und seinen beiden Kollegen. Angesichts der Tatsache, dass geringe kognitive Fähigkeiten an sich mit einer verminderten Lebensqualität und einem früheren Tod verbunden sind, würden die Daten die Notwendigkeit unterstreichen, weiter zu erforschen, wie diese nachteiligen Folgen verhindert werden könnten.
Einen Lichtblick gibt es jedoch: Die kognitiven Fähigkeiten sind nicht bei Geburt vorbestimmt, sondern werden in hohem Maße auch vom sozialen Umfeld und der Erziehung beeinflusst, weshalb ein frühzeitiges Eingreifen bei Frühgeborenen besonders wichtig ist. Bei den in der Studie berücksichtigten Ergebnissen handelt es sich lediglich um kognitive Leistungen in Tests, die sich von Leistungen im wirklichen Leben, wie z. B. dem erlangten Bildungsniveau oder Einkommen, unterscheiden können.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Haben Frühgeborene, abhängig von ihrem Gestationsalter, Defizite in ihren kognitiven Leistungen? Antwort: In einer Studie aus Dänemark wiesen Kinder, die im Alter von < 34 Schwangerschaftswochen geboren worden waren, im Vergleich zu Kindern, die mit 40 Wochen zur Welt kamen, kognitive Defizite in den Bereichen geschriebene Sprache, Mathematik und Intelligenz auf. Bedeutung: Frühchen müssen frühzeitig gefördert werden. Einschränkung: Es handelt sich um eine Geschwisterstudie, bei der Störfaktoren stärker mit einberechnet werden müssen. |