Betroffene einer Autismus-Spektrum-Störung „leiden“ nicht, zumindest nicht körperlich. Dennoch sind sie in ihrem Alltag deutlich eingeschränkt – oft aus Gründen, die kaum jemand versteht. Bislang gibt es jedoch weder eine eindeutige Erklärung für die Entwicklungsstörung noch eine kausale Therapie.
Autismus ist eine durch genetische und umweltbedingte Faktoren verursachte Störung der Gehirnentwicklung im frühen Kindesalter. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass der Anteil autistischer Menschen an der Gesamtbevölkerung bei etwa einem Prozent liegt. Das betrifft in Deutschland ungefähr 800.000 Frauen und Männer, berichtet die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme.
Erste Auffälligkeiten schon als Baby
Eine autistische Störung kündigt sich meist bereits in den ersten 24 Lebensmonaten an. So sind autistische Babys oft übermäßig ruhig und Liebkosungen gegenüber gleichgültig. Sie reagieren nicht oder nur verzögert auf Ansprache und sind zum Beispiel teilnahmslos oder sogar ablehnend, wenn man sie auf den Arm nimmt. Sie suchen keinen Blickkontakt, lächeln nicht zurück und reichen den Eltern nicht die Arme entgegen. Auch die Sprachentwicklung ist zum Teil verzögert oder sogar schwer gestört. „Viele autistische Kinder haben große Schwierigkeiten, Kontakte zu anderen Menschen, manchmal sogar zu den eigenen Eltern aufzunehmen“, erklärt die Kinder- und Jugendpsychiaterin PD Dr. Katharina Bühren, München. „Diese Kinder sind nicht wie ihre Altersgenossen in der Lage, die Stimmungen oder Absichten anderer Menschen zu erfassen und weichen selbst von liebevollen Berührungen zurück, weil sie deren Absicht nicht erkennen können“.
Autismus wurde von den Fachleuten lange in „Frühkindlicher Autismus“, „Asperger-Syndrom“ und „Atypischer Autismus“ eingeteilt. Da sich die Formen überschneiden und unterschiedliche Ausprägungsgrade auftreten können, wird heute der Oberbegriff Autismus-Spektrum-Störungen verwendet.
Schuld sind weder Eltern noch Impfungen
Die Ursache von Autismus ist immer noch ungeklärt. Fest steht jedoch, dass die Schuld an den Verhaltensstörungen nicht an Erziehungsfehlern der Eltern liegt. Vermehrter Konsum digitaler Medien ab dem frühen Kleinkindalter scheint mit der Entwicklung von autistischen Zügen in Verbindung zu stehen – durch die verminderte echte soziale Interaktion können Gefühle und Verhaltensweisen anderer Menschen schlechter eingeschätzt werden. Immer häufiger werden auch genetische Veränderungen als Ursache identifiziert. Dennoch hält sich hartnäckig die Annahme, Autismus könne durch Impfungen verursacht werden. Diese Behauptung ist allerdings durch mehrere Studien wissenschaftlich eindeutig widerlegt worden.
Kein Allheilmittel verfügbar
Zur Behandlung von autistischen Störungen gibt es in Deutschland eine Reihe von therapeutischen Verfahren. Für die Kernsymptomatik der Autismus-Spektrum-Störung existiert allerdings bis heute kein Verfahren und Medikament, das einen völligen Rückgang der autistischen Symptome erreichen könnte. Die aktuellen Leitlinien zur Therapie empfehlen grundsätzlich verhaltenstherapeutische Verfahren, da für derartige Methoden die besten Wirksamkeitsnachweise vorliegen. Durch solche Therapien, die möglichst früh beginnen sollten, können insbesondere die soziale Interaktion und die Fähigkeiten der Betroffenen zur Kommunikation verbessert und ihre herausfordernden Verhaltensweisen reduziert werden.