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13.04.2022 | News Hebammen | Nachrichten

Depressiv nach der Geburt

„Baby Blues“ in Zeiten der Pandemie

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Endlich ist das Baby da, und die Mutter kann sich darüber nicht freuen. Das Spektrum der Depressionen in und nach Schwangerschaft reicht vom vergleichsweise harmlosen „Baby Blues“ bis zur schweren postpartalen Depression mit Infantizidgedanken. Und die Pandemie verschlechtert die Situation noch weiter.

Wenn Frauen in den ersten Tagen nach der Geburt ihres Kindes scheinbar grundlos weinen, besteht kein Handlungsbedarf. Denn es handelt sich schlicht um einen vorübergehenden „Baby Blues“, der nach drei bis fünf Tagen ausgestanden ist. Die Prävalenz zwischen 50 und 80 Prozent zeigt die Relevanz des Problems. Alleine lassen sollte man Frauen mit Baby Blues nicht, sondern ihnen im Sinne einer Psychoedukation Aufmerksamkeit schenken.

Antihypertensivum als Risikofaktor

Erhöht ist das Risiko für einen Baby Blues beispielsweise bei Depressionen während der Schwangerschaft, prämenstrueller Dysphorie oder auch bei einer ungewollten Schwangerschaft, so Dr. Silvia Oddo-Sommerfeld, Universitätsklinikum Frankfurt. Oddo-Sommerfeld wies darauf hin, dass Methyldopa, ein gängiges Antihypertensivum für Schwangere, die Dopaminkonzentration reduziert. Dies zieht eine Störung des Belohnungssystem nach sich und kann in einer Depression münden. Und: Frauen mit Baby Blues sollte man im Auge behalten, da sie ein erhöhtes Risiko für eine Wochenbettdepression haben.

Mitarbeiter managen ist einfacher

Eine Herausforderung ist die postpartale Depression (PPD). Nach Erfahrung von Oddo-Sommerfeld sind betroffene Frauen häufig  perfektionistisch, haben oft einen hohen Erwartungsdruck auf und Angst vor dem Versagen. Typisch: „Ich habe 70 Mitarbeiter gemanagt und jetzt überfordert ich ein Kind.“ Dazu kommen Beziehungsstörungen und Bindungsverzögerungen. Nicht selten wünschen sich die Frauen in dieser Phase ihr altes Leben zurück. Die PPD ist kein Tabuthema mehr. Während der Pandemie hat sich das Problem weiter verschärft. Lag etwa die Prävalenz postpartaler Depressionen vor der Pandemie bei etwa 13 bis 20 Prozent, kletterte sie während der Pandemie auf 22 bis 44 Prozent. Nicht zuletzt, so Oddo-Sommerfeld, weil so manche Schwangere ihr Kind alleine, ohne soziale Unterstützung zur Welt bringen musste. Ein ähnliches Bild sieht man bei Blick auf die postpartalen Angststörungen, die von 10 bis 15 Prozent auf 18 bis 61 Prozent anstiegen. In einer kleinen Erhebung bei 26 Schwangeren erfasste Oddo-Sommerfeld die Auswirkungen einer unbegleiteten Geburt auf die Psyche. Vier Frauen entwickelten eine Depression.

Väter nicht vergessen

Auch auf das Stillen hat die PPD Einfluss: Depressive Mütter stillen seltener und wenn, dann kürzer. Bekannt ist auch ein Zusammenhang zwischen Stillproblemen und affektiven Störungen. Dazu kann der psychische Druck, Stillen zu müssen, einer PPD Vorschub leisten. Gelingt es nicht, haben die Frauen das Gefühl zu versagen.

Last but not least sollten die werdenden Väter nicht vergessen werden. Auch sie können während und nach der Geburt des Sprösslings in Depression verfallen und das negative Geburtserlebnis begünstigen. Vor allem belastet werden sie bei Frühgeburtlichkeit. Dadurch erhöht sich das Risiko für eine PPD um das Drei- bis Fünffache, gleichzeitig steigt der Stresslevel. Das starke Geschlecht ist in dieser Situation doch nicht ganz so stark und braucht Unterstützung – wenn sich alles um Mutter und Kind dreht.

Basierend auf: Vortrag " Zwischen Baby-Blues und Wochenbettdepression?", Dr. Silvia Oddo-Sommerfeld, Fortbildungskongress des Berufsverbands der Frauenärzte, 12.03.22, Düsseldorf (hybrid)

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Psychische Störungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in der Peripartalzeit, meistens handelt es sich dabei um depressive Störungen. Über die Diagnostik und Therapie berichtet Prof. Dr. Christine Kühner in Ihrem Fachbeitrag „Licht und Schatten – nah beieinander“.

Gesellschaftlich noch relativ unbekannt ist die Beobachtung, dass auch Väter unter postnataler Depression leiden können. Um das zu ändern, untersucht die stellvertretende Klinikdirektorin des Universitätsklinikum  Würzburg Prof. Dr. Sarah Kittel-Schneider dieses Phänomen und setzt sich für eine umfassende Aufklärung ein.
In HebammenWissen 1/21 sprachen wir mit Ihr über Ihre Arbeit.


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