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Erschienen in: Heilberufe 5/2022

01.05.2022 | Klima | Pflege Kolleg Zur Zeit gratis

Mit Extremtemperaturen umgehen

verfasst von: Hanna Mertes, Dr. Julia Schoierer

Erschienen in: Heilberufe | Ausgabe 5/2022

Folgen des Klimawandels Nicht nur die wissenschaftlichen Daten zeigen es, auch kollektiv spürbar ist, dass die Hitzebelastung in Deutschland in den letzten Jahren angestiegen ist - und mit einem Blick auf die Wetteraufzeichnungen bereits seit Jahrzehnten. Was macht das mit dem menschlichen Körper?
Während im Jahr 1951 durchschnittlich drei Hitzetage in Deutschland auftraten, waren es im Jahr 2018 bereits 20 Tage mit einer Temperatur von 30°C und mehr. Hitzewellen, also das Aufeinanderfolgen von drei Hitzetagen, und tropisch warme Nächte mit Temperaturen von 20°C oder mehr, nehmen zu. Temperaturaufzeichnungen, beispielsweise aus Frankfurt/Main oder Mannheim, zeigen eine starke Zunahme von Hitzewellen seit ca. 1990.

Umwelt und Hitzeentstehung

Die Umwelt spielt bei der Wärmebelastung eine wichtige Rolle. Dazu gehören vor allem die bebaute Umwelt sowie die konkrete Gebäudeausstattung. Klimafunktionskarten aus Städten unterschiedlicher Größe und Region zeigen die bioklimatische Belastungssituation der verschiedenen Stadtquartiere. Insofern lässt sich schon von der Lage von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen ablesen, wie stark diese Einrichtungen vom sogenannten Wärmeinseleffekt betroffen sind. Städte heizen sich, aufgrund starker Bebauung, in Abhängigkeit von vorhandenen Grün- und Wasserflächen und Frischluftschneisen, stärker auf als der weniger stark ländliche Raum. Dieser Temperaturunterschied kann bis zu 10°C betragen. Damit stellt sich auch die Frage nach Lage, Ausrichtung und Ausstattung der Gebäude - liegt sie in Süd-/West-Ausrichtung? Wie kann verschattet werden? Wie ist die Umgebung geprägt, eher grün, mit vielen Bäumen oder eher asphaltlastig?

Wie Hitze auf den Körper wirkt

Steigt die Körpertemperatur über das Temperaturoptimum hinaus, werden im Körper Kühlmechanismen in Gang gesetzt. Dies ist sowohl bei körperlicher Anstrengung als auch bei externer Hitzeeinwirkung der Fall. Um verstärkt Wärme über die Haut abgeben zu können, wird diese verstärkt durchblutet. Reicht dies nicht aus, wird zusätzlich über einsetzendes Schwitzen Verdunstungskühle erzeugt. Diese Mechanismen bedingen, dass zum einen das Herzkreislaufsystem stärker gefordert wird, da der Blutdruck sinkt, was sich in einer abnehmenden Leistungsfähigkeit äußern kann und zum anderen, dass mit dem Schwitzen Wasser und Elektrolyte ausgeschieden werden. Das Autorenteam um Camilo Mora hat in einer im Jahr 2017 veröffentlichten Literaturanalyse (Tab. 1) untersucht, welche physiologischen Vorgänge bei Hitze welches Organ betreffen können. Dies verdeutlicht die Hitzeempfindlichkeit des menschlichen Körpers.
Tab. 1
: Literaturanalyse hinsichtlich in verschiedenen Organen auftretenden Mechanismen bei Hitzebelastung
 
Mechanismus / physiologischer Vorgang
Organe
Ischämie
Hitze Zytotoxizität
Entzündungs-reaktion
Disseminierte intravasale Koagulopathie*
Rhabdomolysis**
Gehirn
x
x
x
/
/
Herz
x
x
x
/
/
Verdauungssystem
x
x
x
x
/
Niere
x
x
x
x
x
Leber
x
x
x
x
x
Lunge
/
x
/
x
x
Pankreas
x
/
/
/
/
x Literaturhinweise gefunden hinsichtlich in Organen auftretender Mechanismen durch Hitze
/ Keine Literaturhinweise gefunden hinsichtlich in Organen auftretender Mechanismen durch Hitze
* Sekundäre Erkrankung, die von einer systemischen, exzessiven Aktivierung der Blutgerinnung ausgelöst wird
** Auflösung quergestreifter Muskelfasern

Hitze und Gesundheit

Wie stark die gesundheitliche Belastung bei Hitzeereignissen ist und wie die individuelle Antwort auf eine Hitzebelastung ausfällt, hängt von mehreren Faktoren ab (Abb. 1). So sind zum einen umweltbedingte Faktoren zu berücksichtigen, allen voran die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit sowie die Strahlungswärme und der Luftdurchsatz. Hinzu kommen die Wärmeisolation bzw. Luftdurchlässigkeit der Kleidung und stoffwechselbezogene Faktoren, wie der Grad der körperlichen Anstrengung oder auch, was gegessen wurde ("leichtes" vs. "schweres" Essen). Diese Faktoren objektivieren die Größe des auftretenden Hitzestresses bis zu einem gewissen Maß. Die individuelle Antwort auf diese Hitzebelastung hängt von individuellen Faktoren ab: Akklimatisationsstatus, die körperliche Fitness, der Hydratationszustand und auch arbeitsbedingte Faktoren wie Arbeitsschichten oder Schichtdauer. Weitere, sehr persönliche Faktoren beeinflussen die körperliche Reaktion auf Hitze. Hierzu gehören der Gesundheitszustand, das Geschlecht, das Alter und auch das Gewicht. Ältere Menschen reagieren z.B. sensibler auf Hitze, da altersbedingt und in Abhängigkeit der körperlichen Fitness die Thermoregulationsfähigkeit abnimmt. Auch chronische Erkrankungen erschweren die Anpassung an Hitze, da die chronische Erkrankung bereits eine starke Belastung für den Körper darstellt. Durch Hitze kann sich die Symptomatik verschlimmern und zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Beispiele hierfür sind Herzerkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz) oder auch Nierenerkrankungen, hier als Beispiel ebenfalls eine vorliegende Niereninsuffizienz. Insbesondere im Kontext Hitze und der wichtigen Flüssigkeitszufuhr stellen diese beiden Erkrankungen, die oftmals eine begrenzte Möglichkeit der Flüssigkeitszufuhr mit sich bringen, zwei wichtige Beispiele dar. Zudem sind Faktoren wie die Einnahme von Medikamenten - und möglicherweise bei Hitze kontrainduzierter / nachteiliger Wirkungen und Nebenwirkungen - zu beachten. Augenmerk ist auch auf die bewusste oder unbewusste Motivation zu gesundheitsförderlichem Verhalten zu richten. So kann diese Motivation bei Einsamkeit oder geringer sozialer Eingebundenheit reduziert sein, ebenso beim Vorliegen von Schmerzen oder Bewegungsstörungen, sodass bewusst oder unbewusst weniger getrunken wird, um beispielsweise Toilettengänge zu vermeiden. Da pflegebedürftige Menschen oftmals mehrere dieser Risikofaktoren aufweisen, bedürfen sie besonderer Aufmerksamkeit während des Sommerhalbjahres.

Hitzebedingte Gesundheitsprobleme

Hitzebedingte Gesundheitsprobleme können leichter, aber auch schwerwiegender Art sein und sogar bis zum Tod führen. Leichte, das Wohlbefinden einschränkende Beschwerden sind beispielsweise Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen oder eine nachlassende Konzentration, Schwindel und auch Übelkeit. Diese zeigen, dass die Hitze nicht gut vertragen wird und Verhaltensanpassungen erfolgen sollten. Zu schwerwiegenderen gesundheitlichen Folgen zählen u.a. der Sonnnennstich, die Hitzeerschöpfung, der Hitzekollaps und der Hitzschlag. Stellt sich beim Sonnenstich keine rasche Besserung ein, ist der Rettungsdienst zu alarmieren; der Hitzschlag, mit seinem Vorläufer der Hitzeerschöpfung, ist akut lebensbedrohlich. Dies gilt auch für die Verschlimmerung bereits bestehender, chronischer Erkrankungen. Die Verschlechterung der Symptomatik kann in einen lebensbedrohlichen Zustand übergehen. Auch akute Erkrankungen wie Fieber oder Durchfall können das Gesundheitsrisiko erhöhen, da sie zum einen Flüssigkeitsverlust mit sich bringen und die krankheitsbedingt erhöhte Körpertemperatur durch die hohen Umgebungstemperaturen schlecht abgegeben werden kann. Für die pflegerische Versorgung bedeutet das eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber Patient*innen und Bewohner*innen. Hitzeschutzmaßnahmen während der Sommermonate und akuter Hitzewellen müssen konsequent umgesetzt werden, da Pflegebedürftige eine vulnerable Gruppe im Kontext gesundheitlicher Hitzebelastung sind. Schon durch das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit an sich besteht erhöhter Unterstützungsbedarf während Hitzeperioden. Statistiken aus Berlin und Hessen beispielsweise zeigen, dass die Sterblichkeit während Hitzewellen erhöht war und hitzebedingten Todesfälle vor allem in den höheren Altersgruppen auftraten.

Sich selbst Aufmerksamkeit schenken

Hitze erfordert, nicht nur den Pflegebedürftigen, sondern auch sich selbst als Pflegekraft und seinen Kollegen/Kolleginnen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Durch die körperliche Anstrengung, eine wenig luftdurchlässige Arbeitskleidung und einen durchgetakteten Arbeitsalltag besteht auch hier ein erhöhtes Risiko für hitzebedingte Gesundheitsprobleme. Die genannten Risikofaktoren gelten auch für Pflegefachfrauen- und männer. Was wichtig ist, um sowohl die Gesundheit Pflegebedürftiger als auch der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen bei Hitze zu schützen, ist im Beitrag ab S. 24 näher ausgeführt.

Info

Maßnahmenplan, Schulungen & Informationsmaterialien zu Hitze & Gesundheit in der Pflege
Themenseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Hitzewarnungen für die Pflege, Deutscher Wetterdienst
Die Mitmachkampagne "Schattenspender" des Umweltbundesamtes

Pflege Einfach machen

Die mit dem Klimawandel zunehmenden Hitzeereignisse, insbesondere länger andauernde Hitzewellen, stellen das Gesundheitssystem und die in der Pflege Tätigen vor besondere Herausforderungen, da sie an heißen Tagen sowohl die eigene als auch die Gesundheit der Pflegebedürftigen schützen müssen.
Wie stark die gesundheitliche Belastung bei Hitzeereignissen ist und wie die individuelle Antwort auf eine Hitzebelastung ausfällt, hängt von mehreren Faktoren ab, u.a. von arbeitsbedingten oder individuellen.
Für die pflegerischer Versorgung bedeutet das eine erhöhte Aufmerksamkeit und das Umsetzen von Hitzeschutzmaßnahmen während der Sommermonate und akuter Hitzewellen, da Pflegebedürftige eine vulnerable Gruppe im Kontext gesundheitlicher Hitzebelastung sind.

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Metadaten
Titel
Mit Extremtemperaturen umgehen
verfasst von
Hanna Mertes
Dr. Julia Schoierer
Publikationsdatum
01.05.2022
Verlag
Springer Medizin
Schlagwort
Klima
Erschienen in
Heilberufe / Ausgabe 5/2022
Print ISSN: 0017-9604
Elektronische ISSN: 1867-1535
DOI
https://doi.org/10.1007/s00058-022-2268-4

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