physioscience 2008; 4(4): 150-152
DOI: 10.1055/s-2008-1027908
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Physiotherapie bei chronischem Schmerz im höheren Lebensalter

C. Leonhardt1 , H.-D Basler1
  • 1Institut für Medizinische Psychologie, Philipps-Universität Marburg
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Publication Date:
26 November 2008 (online)

Chronischer Schmerz im höheren Lebensalter

Ältere Menschen stellen einen bedeutenden Anteil der Klientel von Physiotherapeuten dar. Eine Studie zu Patientencharakteristika in der Physikalischen Therapie aus 3 Ländern (USA, Israel, Niederlande) zeigt einen Anteil zwischen 11 – 14 % der 65 – 74-Jährigen sowie von 10 – 11 % der über 75-Jährigen am Gesamtkollektiv der behandelten Patienten [15]. Besonders häufig sind Menschen mit chronischen Schmerzen vertreten.

Die Prävalenz chronischen Schmerzes nimmt mit steigendem Lebensalter bis zur 7. Dekade zu und liegt in bevölkerungsbezogenen Studien an älteren Menschen bei 50 % [7] [8]. Bei Personen in Alten- und Pflegeheimen ist die Prävalenz höher und erreicht 80 % [13]. Allerdings sind nicht alle Schmerzerkrankungen in gleicher Weise vom altersbedingten Anstieg betroffen. Jones und Macfarlane [8] sprechen von 4 verschiedenen Verlaufsformen:

Schmerzen, die bis zur 6. Dekade an Häufigkeit zunehmen und anschließend beim Ausscheiden aus dem Berufsleben seltener beobachtet werden können (im Bereich unterer Rücken, Schultern und Arme); Schmerzen im Bereich von Hüfte, Knie und Fuß, die mit dem Eintritt in das höhere Lebensalter deutlich zunehmen und wahrscheinlich auf degenerative Veränderungen des Skelettsystems zurückzuführen sind; Altersunabhängige Schmerzen, die sich auf Kopfschmerzen (wobei hier jedoch wahrscheinlich weiter differenziert werden muss), Brustschmerzen und Schmerzen im oberen Rücken beziehen; Bauch -und Gesichtsschmerzen als Erkrankungen, die mit dem Alter insgesamt seltener auftreten.

Die Mehrzahl der behandelten Patienten leidet somit an Schmerzen im Muskel- und Skelettsystem, viele darunter an Dauerschmerzen im Bereich des Rückens und der Gelenke. Wenn Physiotherapeuten mit Menschen höheren Lebensalters arbeiten, besteht das Ziel nicht nur darin, den Schmerz zu reduzieren. Viele Patienten zeigen ein schmerzbedingtes Schonverhalten mit unerwünschten Auswirkungen auf die Funktion. Bei älteren Patienten, die an Dauerschmerzen leiden, besteht noch mehr als bei jüngeren die Gefahr der Dekonditionierung, da eine Verringerung der Muskelkraft, der Flexibilität sowie der kardiovaskulären und pulmonalen Funktion bereits zum normalen Alterungsprozess gehört. Zumindest gleichrangiges Therapieziel neben der Schmerzreduktion ist es daher, körperlichen Beeinträchtigungen vorzubeugen, die Funktion und die Lebensqualität zu verbessern und die Selbstständigkeit zu erhalten.

Literatur

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  • 2 AGS Panel on Persistent Pain in Older Persons. . The Management of Persistent Pain in Older Persons.  J Am Geriatr Soc. 2002;  50 S205-S224
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  • 9 Lansbury G. . Chronic pain management: a qualitative study of elderly people’s preferred coping strategies and barriers to management.  Desabil Rehabil. 2000;  22 2-14
  • 10 Moreland J, Richardson J, Chan D H. et al . . Evidence-based guidelines for the secondary prevention of falls in older adults.  Gerontology. 2003;  49 93-116
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  • 13 Royal College of Physicians, British Geriatrics Society and British Pain Society. .The assessment of pain in older people: national guidelines. Concise guidance to good practice series, No. 8. London; RCP 2007 www.rcplondon.ac.uk/clinical-standards/Pages/Clinical-Standards.aspx
  • 14 Scudds R J, Scudds R A. . Physical therapy approaches to the management of pain in older adults. Gibson SJ, Weiner DK Pain in older persons Seattle; IASP Press 2005
  • 15 Swinkels I CS, Hart D L, Deutscher D. et al . . Comparing patient characteristics and treatment processes in patients receiving physical therapy in the United States, Israel and the Netherlands. Cross-sectional analyses of data from three clinical databases.  BMC Health Serv Res. 2008;  8 16

Dr. Dipl.-Psych. Corinna Leonhardt

Institut für Medizinische Psychologie, Philipps-Universität Marburg

Bunsenstr. 3

35037 Marburg

Email: cleonhar@med.uni-marburg.de

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