Dtsch Med Wochenschr 2005; 130(15): 958-960
DOI: 10.1055/s-2005-866769
CME
Geriatrie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gang, Gleichgewicht und Stürze - Ursachen und Konsequenzen

Gait, balance and falls - reasons and consequencesT. Nikolaus1
  • 1Bethesda Geriatrische Klinik Ulm
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eingereicht: 7.12.2004

akzeptiert: 2.3.2005

Publication Date:
05 April 2005 (online)

Epidemiologie

Etwa ein Drittel der über 65-Jährigen unserer Gesellschaft stürzt jedes Jahr, die Hälfte hiervon sogar mehrmals. Die meisten Studien zeigen eine höhere Frauenquote sowie ein proportional zum Alter ansteigendes Vorkommen. Die Häufigkeit von Stürzen bei zuhause lebenden Personen beträgt bei Männern 368/1000 und bei Frauen 611/1000 pro Jahr. Die Sturzquote von Menschen, die in Einrichtungen leben (Alten- und Pflegeheime, betreutes Wohnen), ist mit 2021/1000 Fällen bei Männern und 2423/1000 Fällen bei Frauen noch wesentlich höher.

Die Stürze zuhause ereignen sich meistens tagsüber, zu Zeiten, während die Betroffenen am aktivsten sind, üblicherweise im Haus oder in unmittelbarer Umgebung davon. In Institutionen geschehen die meisten Stürze in der ersten Woche nach Aufnahme beim Gang zu oder von der Toilette. Stürze beim Aufstehen vom Bett oder Stuhl kommen ebenso häufig vor. Im Krankenhaus sind die Risikofaktoren für Stürze Unsicherheit beim Gehen, Delir, Harninkontinenz oder häufiges Wasserlassen, Sturzanamnese und die Einnahme von Beruhigungsmitteln [6].

Standardisierte Vergleiche von Hüftfrakturinzidenzen in verschiedenen europäischen Ländern und in den Vereinigten Staaten zeigen ein typisches Bild mit einem exponentiellen Anstieg der hüftnahen Frakturen, der Frakturen des Humerus und des Beckens mit dem Alter, bei Frauen deutlicher ausgeprägt als bei Männern. Ein anderes Muster findet man bei den Unterarmfrakturen. Die Inzidenz bei Frauen beginnt bereits im mittleren Erwachsenenalter zu steigen, um in der 6. und 7. Lebensdekade ihren Höchststand zu erreichen, gefolgt von einem langsamen Absinken. Eine mögliche Erklärung ist, dass distale Unterarmfrakturen einen Indikator für eine beginnende Balancestörung darstellen, während die anderen Frakturen mit ansteigenden Inzidenzraten bis ins hohe Alter ein Resultat der fortschreitenden Verschlechterung der Haltungskontrolle sind. Diese sind assoziiert mit einem Verlust der Schutzreaktion der Arme bei einem Sturz sowie Gangstörungen mit zunehmender lateraler Instabilität. Eine andere Konsequenz von Stürzen ist das „lange Liegen”. Darunter versteht man das Verbleiben auf dem Boden nach einem Sturz für mehr als eine Stunde. Das „lange Liegen” zeigt Gebrechlichkeit, Krankheit und soziale Isolation an und ist mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert [7].

kurzgefasst: Etwa ein Drittel der über 65-Jährigen stürzt einmal pro Jahr, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen sogar noch deutlich öfter. Jeder 10. Sturz verursacht schwerwiegende Verletzungen, von denen die Schenkelhalsfraktur die bedeutsamste ist. Sturzangst und Einschränkung körperlicher Aktivitäten mit allen Konsequenzen sind häufig Folge von Stürzen.

Literatur

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  • 3 Heitterachi E, Lord S R, Meyerkort P, McCloskey I, Fitzpatrick R. Blood pressure changes on upright tilting predict falls in older people.  Age Ageing. 2002;  31 181-186
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  • 8 Pothula V B, Chew F, Lesser T H, Sharma A K. Falls and vestibular impairment.  Clin Otolaryngol. 2004;  29 179-182
  • 9 Richardson D A, Bexton R S, Shaw F E, Kenny R A. Prevalence of cardioinhibitory carotid sinus hypersensitivity in patients 50 years or over presenting to the accident and emergency department with ’unexplained’ or ‘recurrent’ falls.  Pacing Clin Electrophysiol. 1997;  20 820-823
  • 10 Richardson J K, Ching C, Hurvitz E A. Peripheral neurophathy: a true risk factor for falls.  J Gerontol. 1995;  50 M211-215
  • 11 Speechley M, Tinetti M. Falls and injuries in frail and vigorous community elderly persons.  J Am Geriatr Soc. 1991;  39 46-52
  • 12 Studenski S, Duncan P W, Chandler J. Predicting falls: the role of mobility and non-physical factors.  J Am Geriatr Soc. 1994;  42 297-302
  • 13 Sudarsky L, Ronthal M. Gait disorders among elderly patients. A survey study of 50 patients.  Arch Neurol. 1983;  40 740-743

Prof. Dr. med. Thorsten Nikolaus

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