Gesundheitswesen 2004; 66 - 234
DOI: 10.1055/s-2004-833972

Präventive Hausbesuche im Alter: eine systematische Übersicht und Bewertung der vorliegenden Evidenz

M Meinck 1, N Lübke 1, BP Robra 2
  • 1Kompetenz-Centrum Geriatrie beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Hamburg
  • 2Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Hintergrund: Präventive Hausbesuche im Alter zielen auf die Reduktion der Mortalität, die Vermeidung von Pflegeheim- und Krankenhausaufnahmen, die Verbesserung des funktionalen Status und des allgemeinen Wohlbefindens älterer Menschen. Die Einführung dieser neuen Leistungsart in das deutsche Gesundheitssystem wird aktuell diskutiert. Ziel: Der Beitrag systematisiert und bewertet die vorliegende Evidenz zur Wirksamkeit präventiver Hausbesuche im Alter. Methoden: Es wurde eine systematische Recherche zu Übersichtsarbeiten und kontrollierten Studien in relevanten Datenbanken unternommen. Abgeschlossene und laufende deutsche Modellversuche wurden ergänzend berücksichtigt. Die Endpunkte Mortalität, Krankenhaus- und Pflegeheimaufnahmen sowie funktionaler Status wurden ausgewertet. Ergebnisse: Die drei identifizierten Übersichtsarbeiten (davon zwei Meta-Analysen) kommen zu unterschiedlichen Bewertungen, obwohl durch sie in relevantem Umfang die gleichen Studien ausgewertet wurden. Nur eine Übersichtsarbeit ermittelte Hinweise auf jedoch sehr unspezifisch wirkende Erfolgsdeterminanten (Alter der Teilnehmer, >9 Hausbesuche, geriatrisches Assessment mit Folgebesuchen). Der Vergleich von insgesamt 29 Originalstudien (davon 26 kontrolliert randomisierte Studien) zeigt eine erhebliche Heterogenität hinsichtlich Zielgruppe, Zieldefinition, Programmdauer und -intensität sowie Qualifikation der Durchführenden. Ergebnisse kontrollierter deutscher Studien wurden bisher nicht publiziert. Diskussion: Die Ergebnisse der im Ausland durchgeführten kontrollierten Studien sind nur sehr eingeschränkt auf die deutschen Bedingungen übertragbar, da ihr Zusatznutzen vom jeweiligen empirischen Versorgungsniveau abhängt. Schlussfolgerungen: Die Einführung präventiver Hausbesuche kann aufgrund der nicht ausreichenden Evidenz derzeit über Studien hinaus nicht empfohlen werden. Mehrere kontrollierte Studien erscheinen jedoch gut begründet. Mögliche Erfolgsdeterminanten sollten dabei systematisch variiert und damit kontrolliert werden. Ein Vergleich zur Wirksamkeit alternativer Präventionsangebote (z.B. präventives Screening in der Hausarztpraxis) hinsichtlich Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit sollte zudem vorgenommen werden.