Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54 - P3531
DOI: 10.1055/s-2004-819881

Religiöse Einstellungen und Krankheitserleben

S Tagay 1, M Langkafel 2, W Senf 2
  • 1Rheinische Kliniken Essen, Kliniken/Institut der Universität Essen, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • 2Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Essen

Fragestellung: In der vorliegenden Studie untersuchten wir den Zusammenhang zwischen religiösen Einstellungen und Krankheitserleben bei der Inanspruchnahmeklientel einer großstädtischen psychosomatisch-psychotherapeutischen Ambulanz einer Universitätsklinik. Wir erwarteten, dass religiöser Glaube ein protektiver Faktor für das Krankheitserleben darstellt. Methodik: In einer konsekutiven Querschnittsstudie wurden 823 ambulante Patienten (Altersmittelwert 35,9 Jahre, SD 12,6), die sich zur psychotherapeutischen Diagnostik vorstellten, mit dem Fragebogen zur Lebensqualität (SF-12), dem Hypochondrie Whiteley-Index (WI), dem Screening für Somatoforme Störungen (SOMS), der Posttraumatic Diagnostic Scale (PDS), der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) und dem Fragebogen zum Sense of Coherence (SOC) untersucht. Ergebnisse: 24,2% der Patienten bezeichneten sich als überhaupt nicht religiös, nur 18% als ziemlich bzw. sehr religiös. Weiter gaben etwa 80% der Patienten an, nie in die Kirche zu gehen. Frauen und Männer unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Bei einem Extremgruppenvergleich zwischen „nicht religiösen“ und „ziemlich stark religiösen“ Patienten war die körperliche Lebensqualität bei den „ziemlich stark religiösen“ Patienten stärker beeinträchtigt (p<0,045) und diese Patienten berichteten tendenziell über mehr Traumata (p<0,060) sowie über mehr Depressivität (p<0,070). Dagegen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich psychischer Lebensqualität, Angst, Somatisierung, Hypochondrie, Inanspruchnahmeverhalten, Lebenszufriedenheit und dem Kohärenzgefühl. Diskussion: Insgesamt ist religiöser Glaube bei den untersuchten Patienten wenig ausgeprägt, ohne Unterschied zwischen Frauen und Männern. Entgegen der Erwartung scheint religiöser Glaube bei den untersuchten Patienten kein protektiver Faktor für das Krankheitserleben zu sein.