Klinische Neurophysiologie 2003; 34 - 133
DOI: 10.1055/s-2003-816536

Die Wirksamkeit sensibler Trickmanöver bei zervikalen Dystonien ist winkelabhängig

A Schramm 1, K Reiners 1, M Naumann 1
  • 1Würzburg

Sensorische Tricks führen bei Patienten mit zervikaler Dystonie häufig zu einer deutlichen Reduktion der dystonen Muskelaktivität, ein Phänomen welches bereits vor über einem Jahrhundert als „gèste antagonistique“ erstmals beschrieben wurde. Ziel dieser Studie ist es, die Auswirkung der Kopfposition auf die Wirksamkeit eines solchen Trickmanövers zu bestimmen. Wir untersuchten die EMG-Aktivität der vier wichtigsten, den Kopf drehenden Muskeln (M. sternocleidomastoideus, M. splenius capitits beidseits) mittels 4-Kanal Oberflächen-EMG bei 26 Patienten mit prädominant rotatorischem Torticollis (19 davon mit effektivem Trick). Nach Einnahme unterschiedlicher Ausgangspositionen (leicht kontraversiv, Neutralstellung, halbmaximal ipsiversiv, maximal ipsiversiv) wurde die EMG-Aktivität unter Trickapplikation je 5-mal für 10s aufgezeichnet. Die Veränderungen wurden jeweils auf den Zustand ohne Trickapplikation bezogen und Unterschiede mittels gepaartem t-Test analysiert. Es zeigte sich eine starke Korrelation zwischen der Wirksamkeit eines Trickmanövers und der Kopfausgangsposition bei Trickapplikation (p<0,001, Pearson-Korrelation): Nach Erreichen der maximalen dystonen Kopfposition ergab sich keine signifikante Reduktion der Muskelaktivität mehr (–13%, p=0,11), während es in einer neutralen (–48%; p<0,001) oder sogar leicht überkorrigierten kontraversiven Kopfposition zu einer deutlichen Reduktion der agonistischen wie antagonistischen EMG-Aktivität kam (-55%; p<0,001). Es zeigte sich außerdem eine positive Korrelation (p<0,005) zwischen dem maximalen dystonen Drehwinkel und der Wirksamkeit eines Trickmanövers bei kontraversiver Ausgangsposition. Ein willkürliches Halten des Kopfes in einer neutralen Kopfposition ohne Trickapplikation führte lediglich zu einer Reduktion der agonistischen Muskelaktivität (p<0,02), während die Antagonisten eine leichte Aktivitätssteigerung zeigten. Zusammenfassend sollten sensible Trickmanöver mehr als ein komplexer dynamischer Prozess anstatt als eine bloße Applikation von Gegendruck verstanden werden. Wir postulieren nach den vorliegenden Daten ein 2-Phasen-Modell: In einer ersten Phase bringt leichter manueller Gegendruck bzw. aktive Bewegung den Kopf in eine günstige Ausgangsposition mit bereits leicht reduzierter Muskelaktivität. In einer zweiten Phase kann dann die Kopfposition mithilfe eines vorwiegend sensiblen Trickmanövers unter Einwirkung auf zentrale sensomotorische Integrationsprozesse stabilisiert werden.