Pneumologie 2002; 56(3): 165-166
DOI: 10.1055/s-2002-20555
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Praxis der Patientenschulung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (Asthma und COPD) in Deutschland

On the Practice of Patient Training in Obstructive Diseases of the Respiratory Tract (Asthma and COPD) in GermanyW.  Petro1
  • 1Fachklinik Bad Reichenhall
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Publication Date:
05 March 2002 (online)

Chronische Atemwegserkrankungen zeigen weltweit und besonders in Deutschland eine zunehmende Inzidenz und Prävalenz. Dies gilt sowohl für das Asthma bronchiale als auch für die chronische Bronchitis, die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem. Asthmatikerschulung hat in den vergangenen Jahren bundesweit eine breite Implementierung erfahren, wobei 2 Initiativen als enorme Schubkraft wirkten: Die Entwicklung von NASA (Nationales ambulantes Schulungsprogramm für Asthmatiker) als gemeinsame Initiative des Bundesverbandes der Pneumologen, der Deutschen Atemwegsliga und der Sektion Prävention und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie erbrachte als wichtiger politischer Konsens ein einheitliches, evidenzbasiertes Standardprogramm zur einheitlichen Anwendung insbesondere bei niedergelassenen Ärzten. Als weiteres unterstützendes Element hat sich die Sondervereinbarung zur Abrechenbarkeit von Patientenschulung in Bayern als Pilotmodell erwiesen.

Diese förderlichen Entwicklungen führten dazu, dass z. B. in Bayern in den vergangenen 2 Jahren mehr als 200 Allgemeinmediziner, Internisten, Pneumologen und Pädiater die Qualifikation erlangten, um Patientenschulung bei Asthmatikern durchführen und abrechnen zu können. Im Rahmen der stationären Rehabilitation gehört Patientenschulung zu den elementaren therapeutischen Prinzipien und stellt zusammen mit Varianten der physikalischen Therapie und der Pharmakotherapie den ganzheitlichen therapeutischen Ansatz dar. Hervorzuheben sind die Initiativen des Berufsverbandes der Pneumologen, der derzeit in Zusammenarbeit mit der Sektion Prävention und Rehabilitation der DGP konkrete Schritte unternimmt, um ambulante pneumologische Rehabilitation in den Praxen der niedergelassenen Pneumologen zu implementieren. Die gemeinsame Strategie zur Verbreiterung von Patientenschulung schließt auch die Initiative der Atemwegsliga ein, Lungensport als breite trainingstherapeutische Alternative, insbesondere für den ambulanten Bereich, anzubieten. Bundesweit wird Patientenschulung derzeit an gesamthaft ca. 1500 klinischen Einrichtungen und Arztpraxen durchgeführt (CD-ROM „Wer bietet was?” Bezugsquelle: Agentur Konsens, Werne).

Die sozialepidemiologische Bedeutung der COPD in Hinblick auf Erwerbsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit besitzt einen hohen Stellenwert. Die Summe der direkten und indirekten Kosten bei COPD ist im Vergleich zu den übrigen Atemwegs- und Lungenkrankheiten die höchste. Patientenschulung bei COPD besitzt daher einen gleichgroßen Stellenwert wie beim Asthma bronchiale, insbesondere auf dem Hintergrund der Chronizität der Erkrankung mit dramatisch sinkender Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.

Patientenschulung für Asthmatiker, sowohl Kinder als auch Erwachsene, hat seine Bewährung bestanden, internationale und nationale Publikationen belegen die Sinnhaftigkeit als wesentlicher Baustein im Rahmen eines modernen Asthma-Managements.

Die in diesem Heft publizierte Arbeit von Mühlig et al. zur Praxis der stationären Asthmaschulung in der Bundesrepublik Deutschland als bundesweite Bestandsaufnahme referiert den aktuellen Verbreitungsgrad, wobei bestätigt wird, dass Patientenschulung in der pneumologischen Rehabilitation am breitesten verankert ist. Die Autoren unterziehen sich der Mühe einer Detailanalyse der formalen Inhalte und machen einen detaillierten Soll-Ist-Zustandsbericht. Hierbei kommen die Autoren zu dem kritischen Ergebnis, dass lediglich in 50 % der Schüler standardisierte und evaluierte Programme verwendet werden und sich erhebliche Divergenzen zwischen den einzelnen Einrichtungen belegen lassen. Qualitätsstandards sollten diese Situation verbessern helfen und sind dringend gefordert. Dies wäre eine Aufgabe der Sektion Prävention und Rehabilitation der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie.

Patientenschulung für COPD ist weltweit weniger gut evidenzbasiert, wenn auch neuere Studien einen Erfolg in Hinblick auf verbesserte Lebensqualität ergeben. Dies wurde durch Ergebnisse ambulanter Bronchitikerschulung der Arbeitsgruppe um Worth et al. [1] [2], sowie für den Bereich der stationären Rehabilitation durch die Arbeitsgruppe Wittmann et al. [3] [4] [5] bestätigt. Auf diesem Hintergrund wurden Schulungsmodelle entwickelt, die sich im Umfang an das NASA-Konzept anlehnen, d. h. mit einem 6-stündigen Schulungsumfang die wesentlichen Erfordernisse der COPD-Schulung abdecken. Neue Wege der Arzt-Patienten-Kommunikation wurden entwickelt und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit (Empyhsem-Hotline: www.emphysem-info.de; www.breath.de).

In dieser positiven Entwicklung erscheint es als wichtige Aufgabe, die Weiterbildung von Ärzten in Praxis und Klinik zu forcieren. Train-the-Trainer-Seminare für die Asthmatikerschulung wie auch für die Schulung von COPD-Patienten werden daher bundesweit angeboten und erfreuen sich eines hohen Zuspruchs.

Literatur

  • 1 Mühlig S, Rinne H, Mehren F, Petermann F, Butt U, Worth H. Zur Praxis der stationären Asthmaschulung in der Bundesrepublik Deutschland - eine bundesweite Bestandsaufnahme.  Pneumologie. 2002;  56 167-175
  • 2 Dhein Y, Birkenmeyer A, Schacher C, Otte B, Schönleben T, Münks-Lederer C, Worth H. Evaluation einer strukturierten ambulanten Schulung für Patienten mit leicht- bis mittelschwerer COPD.  Pneumologie. 2000;  54 Sonderheft 1 12
  • 3 Spohn S, Wittmann M, Petro W. Das Bad Reichenhaller Patientenverhaltenstraining bei chronisch obstruktiver Bronchitis/Lungenemphysem.  Pneumologie. 2001;  55 470-474
  • 4 Wittmann M, Spohn S, Petro W. Chronische Bronchitis: Eine Anleitung zur besseren Krankheitsbewältigung.  Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2001;  54 151-156
  • 5 Wittmann M, Spohn S, Petro W. Patientenverhaltenstraining bei chronisch obstruktiver Bronchitis. Erste Ergebnisse des 6-monatigen Follow-up.  Pneumologie. 2001;  55 Sonderheft 1 42

Prof. Dr. med. 
W. Petro

Fachklinik Bad Reichenhall

Salzburger Str. 8 - 11

83435 Bad Reichenhall

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