NOTARZT 2001; 17: 71-73
DOI: 10.1055/s-2001-16140
ERGEBNISQUALITÄT
Ergebnisqualität
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualität und Qualitätsmanagement im Rettungsdienst aus der Sicht des Ausschusses Rettungswesen

H.-P. Hennes
  • Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Die Forderung nach Qualität im Rettungsdienst bewegt sich insofern auf unsicherem Boden, als dieser Bereich des Gesundheitssystems - obwohl als präklinische Behandlung für die anschließende stationäre Versorgung und eventuelle Reha-Maßnahmen von entscheidender Bedeutung - nicht unter die Krankenbehandlung der gesetzlichen Krankenversicherung in § 27 Abs. 1 SGB V aufgenommen ist. Er unterliegt vielmehr als Teil der Gefahrenabwehr der Gesetzgebungskompetenz der Länder.

In den Rettungsdienstgesetzen der Länder jedoch sind ausdrückliche Vorschriften über Qualität und/oder Qualitätssicherung selten. Meist beschränkt man sich innerhalb der Regelungen über die Finanzierung des Rettungsdienstes und die dort zu erhebenden Benutzungsentgelte auf die Forderung nach einer

wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung auf der Basis einer leistungsfähigen Organisation oder geht von den Kosten eines „wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienstes” aus bzw. bezieht die Leistungsentgelte nur auf eine bloße Kostendeckung/betriebswirtschaftliche Gesamtkosten oder eine reine Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Soweit in den Ländergesetzen eine „Aufsicht” über die Durchführung des Rettungsdienstes vorgesehen ist, beschränkt sich auch diese in erster Linie auf eine „Überwachungsfunktion” hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen und sonst festgelegten Vorgaben durch die jeweiligen Aufgabenträger, also in erster Linie die „Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Durchführung des Rettungsdienstes”.

Gelegentlich wird das Thema Qualität indirekt angesprochen. So lässt § 32 RettDG Baden-Württemberg die Verwendung der im Rettungsdienst anfallenden Daten für Zwecke der Qualitätssicherung zu, ähnlich Art. 27 RettDG Bayern und § 20 RettDG Thüringen. Brandenburg geht bei der Finanzierung von einer „qualitätssichernden Organisation” aus. Auch in Hessen wird in § 26 HessRDG auf die Voraussetzungen der „sonstigen Qualitätssicherung” hingewiesen. Nordrhein-Westfalen schreibt in § 12 pauschal die Festlegung „weiterer Qualitätsanforderungen” in den Bedarfsplänen der kommunalen Aufgabenträger vor. In Bayern ist nach Art. 32 zwar die Funktion des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst vorgesehen, allerdings nur zur „Erprobung”.

Eine umfassende Regelung des Gesamtkomplexes „Qualität” und „Qualitätssicherung” ist daher - soweit angesichts der Vielzahl der Ländervorschriften eine Übersicht möglich ist - bisher offensichtlich in keinem Bundesland erfolgt.

Man kann jedoch auf der anderen Seite zumindest vordergründig davon ausgehen, dass sich die Forderung nach Qualität und deren Sicherung auch im Rettungsdienst dann dennoch durch die Bezugnahme auf die Paragraphenfolge § 60 Abs. 3 Nr. 3 mit § 133 sowie § 2 mit § 12 und § 70 SGB V ergibt - Qualität ist in den drei zuletzt genannten Bestimmungen eine vorgegebene Anforderung an die zu erbringenden medizinischen Leistungen. Dies gilt auch für den Rettungsdienst, auch wenn er „nur” über die Kostenerstattung der Beförderungsleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt existent ist.

Eine erste Forderung geht deshalb dahin, dass der Bereich der Qualität und der Qualitätssicherung ausdrücklich und umfassend in den einzelnen Ländergesetzen geregelt wird, wenn man nicht den umgekehrten Weg beschreiten will, den Rettungsdienst als eigene Nummer förmlich in die Krankenbehandlung des § 27 Abs. 1 SGB V aufzunehmen, eine Variante, die zur Zeit trotz aller damit verbundenen Vorteile wenig Aussicht auf Umsetzung aufweist.

Diese Länderregelungen müssen zur Gewährleistung von Qualität Kriterien und Maßnahmen zur Überprüfung, Sicherung und Verbesserung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität enthalten.

Was die anzustrebende, ausdrückliche Behandlung in den einzelnen Ländergesetzen betrifft, sei auf eine vom Ausschuss Rettungswesen bereits vor längerer Zeit eingesetzte Arbeitsgruppe „Qualität” verwiesen. Diese sollte sich mit der grundsätzlichen Frage der generellen Regelung von Qualität in den einzelnen Ländergesetzen befassen. Diese Arbeitsgruppe des Ausschusses muss sich in ihrem Bericht zugleich mit der häufig übersehenen „Vorfrage” befassen, was überhaupt unter „Qualität” verstanden wird, bevor man über deren „Sicherung”, über „Qualitätsmanagement”, über Schlagworte wie TQM u. ä. diskutiert.

Der Rettungsdienst hat die - vorab vom jeweiligen Rettungsdienstgesetz festgelegte - Aufgabe,

die Hilfeleistung unter notfallmedizinischen Kriterien zu leisten - siehe Qualifikation des Personals und der technischen Ausstattung, und zwar in einer relativ kurzen Reaktionszeit - Thema Hilfsfrist, dennoch unter Beobachtung eines akzeptablen Verhältnisses von Kosten und Ergebnis (wobei eine häufig nicht umsetzbare bloße Kosten-Nutzen-Analyse - was darf die Rettung eines Menschenlebens kosten? - nicht zum Verzicht auf einen effizienten Einsatz der vorhandenen Ressourcen berechtigt!), nicht nur bezogen auf einen einzelnen Einsatz, sondern auf das Gesamtsystem, z. B. gegenseitig passende Struktur der Einsatzbereiche (auch über Ländergrenzen hinweg!) und der verschiedenen Rettungsmittel untereinander (z. B. NAW-RTH). Es muss aber auch die Erörterung der Frage nach der „subjektiven” Qualität im Sinne der Erhaltung der Lebensqualität eines einzelnen Patienten durch einen optimalen Rettungsdienst erlaubt sein.

Was kann nun der Ausschuss Rettungswesen in einer derartigen Situation zur Verbesserung beitragen?

Die Forderung nach einer „Harmonisierung” der 16 Rettungsdienstgesetze - auch wenn man diese Anregung auf den Bereich „Qualität” beschränken wollte - ist dabei kein Mittel der Wahl, weil nach dem jetzigen Sachstand kein unbedingtes Interesse der Länder an einem Mustergesetz besteht, da sind die Interessen doch zu unterschiedlich. Daher soll diese Möglichkeit nicht weiter erörtert werden.

Möglich sind aber - und das zeigen die durchaus positiven Erfahrungen der Vergangenheit und der bisherigen Arbeit dieses Ausschusses - die Verabschiedung gemeinsamer Empfehlungen zu konkreten Einzelpunkten.

Bei den möglichen Anregungen sollte zwischen der Sicherung und Gewährleistung von interner und externer Qualität des Rettungsdienstes unterschieden werden, wobei jedoch nicht nur objektive Kriterien zu beachten sind, sondern - wie bereits angedeutet - auch die subjektive Qualität - nämlich die Auswirkungen eines erfolgreichen Rettungsdiensteinsatzes auf die Lebensqualität des betroffenen Patienten - eine (bisher leider häufig übersehene) Rolle spielen muss. Dabei darf andererseits nicht übersehen werden, dass der Begriff „Kunde” nicht unbesehen übernommen werden kann, da die „Dienstleistung” Rettungsdienst in aller Regel nicht freiwillig in Anspruch genommen wird.

Beim (bloßen) Krankentransport - meist ohne hohe (notfall-) medizinische Ansprüche - sollte ohnehin die „Kundenfreundlichkeit” mit der Vermeidung unnötiger Wartezeiten im Vordergrund stehen, selbst wenn für diese Beförderungen in aller Regel keine unmittelbare zeitliche Dringlichkeit vorliegen dürfte.

Zur internen Qualität gehört zunächst

die Organisation des Rettungsdienstes mit der Festlegung von Rettungsdienstbereichen mit Rettungsleitstellen und Rettungswachen, die sich wiederum im Wesentlichen auf der Grundlage einer definierten Hilfsfrist ergeben.

Hier hat der Ausschuss Rettungswesen durch die Aussagen zu Strukturfragen - z. B. Beurteilung des Trennmodells, von Organisationsfragen sowie Erläuterungen zum Leistungsniveau - oder zur Hilfsfrist bereits eindeutig Position bezogen. Dies betrifft auch die Einführung Integrierter Leitstellen in den Ländern, die sich dieser Forderung bisher noch nicht angeschlossen haben. Im Papier der Arbeitsgruppe „Strukturfragen” sind aber auch bereits Probleme der „Sicherung der Qualität der präklinischen Notfallversorgung” ausdrücklich aufgegriffen und Hinweise zur Lösung angeboten worden.

Hinzuweisen ist auch auf eine Arbeitsgruppe des Ausschusses, die sich zur Zeit mit der Frage beschäftigt, inwieweit durch ein First-Responder-System der therapiefreie Zeitraum bis zum Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes überbrückt werden kann. Dabei darf und sollte auch die Einbeziehung von niedergelassenen Ärzten in diese „Erst-Helfer” kein Tabuthema sein. Andererseits darf ein solches System unter keinen Umständen - z. B. unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen Kosteneinsparung - zur „Aufweichung” der eigentlichen Hilfsfrist führen.

Zum Bereich der Struktur und der notwendigen Harmonisierung zwischen bodengebundenem Rettungsdienst und der Luftrettung verweise ich auf den Bericht der Arbeitsgruppe/Konsensgruppe Luftrettung, der eine Vielzahl von Anregungen enthält, die in einer weiteren Untersuchung noch ergänzt werden sollen.

Ferner sind bei der internen Qualität die Faktoren Mensch und Technik anzusprechen.

Was die Ausbildung des Personals betrifft, hat der Ausschuss Rettungswesen mehrfach zur Problematik des Rettungsassistentengesetzes Stellung bezogen, auch zur Thematik der Abgrenzung zwischen den Aufgaben des Notarztes und des Rettungsassistenten - Stichwort „ärztliches Primat im Rettungsdienst”. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf den förmlichen Beschluss des Ausschusses zur Diskussion über die Frühdefibrillation. Zur Frage Ausbildung der Disponenten an (Integrierten) Leitstellen wird demnächst das Ergebnis einer entsprechenden Arbeitsgruppe veröffentlicht werden. Damit trägt auch der Ausschuss Rettungswesen der Erfahrung Rechnung, dass Qualität im Rettungsdienst im entscheidenden Maße von einem optimalen Betrieb in der Einsatzzentrale, der Rettungsleitstelle abhängt. Die notwendige Qualifikation der eingesetzten Notärzte hat der Ausschuss ebenfalls bereits mehrfach zum Gegenstand „offizieller” Äußerungen und entsprechender Forderungen gemacht. Dies betrifft insbesondere die zur Qualitätssicherung unabdingbare Einführung des „Ärztlichen Leiters Rettungsdienst”, die bisher nur in wenigen Ländern (z. B. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, versuchsweise in Bayern) umgesetzt ist. Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen, deren Erfüllung immer wieder angemahnt werden muss, siehe auch insoweit die eindeutigen Festlegungen der Arbeitsgruppe „Strukturfragen”.

Zu den technischen Vorbedingungen einschließlich der Abgrenzung zwischen dem Einsatz der unterschiedlichen Fahrzeugtypen hat der Ausschuss seine eindeutige Auffassung zuletzt z. B. durch die Stellungnahme zum Typ C der neuen DIN EN 1789 zum Ausdruck gebracht.

Bei der Forderung nach externer Qualität ist zunächst daran zu erinnern, dass die „Rettungskette” insgesamt nur so erfolgreich ist, wie alle ihre Glieder den Ansprüchen genügen. Wenn daher am Schluss der präklinischen und stationären Bemühungen festgestellt wird, dass das Ergebnis nicht voll befriedigt, dann dürfen bei der Debatte in die Qualität des Rettungsdienstes auch die beiden ersten Glieder dieser Kette - Sofortmaßnahmen/Erste Hilfe durch die am Notfallort Anwesenden und Alarmierung des Rettungsdienstes (siehe Problematik des einheitlichen Notrufes, Wirrwarr der unterschiedlichen Anlaufstellen) - nicht völlig außer Betracht bleiben; das bereits angesprochene Thema „First-Responder” ist in diesem Zusammenhang nochmals zu erwähnen.

Ferner ist die „Weiterführung” der Erstbehandlung durch den Rettungsdienst im aufnehmenden Krankenhaus zu betrachten - das Thema qualifizierte Notaufnahme ist auch vom Ausschuss Rettungswesen - siehe Bericht Strukturfragen - mehrfach angesprochen worden und wird auch von der Arbeitsgruppe Qualität besonders betrachtet werden müssen.

In die externe Betrachtung ist aber auch die Kooperation des Rettungsdienstes mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst der kassenärztlichen Vereinigungen einzubeziehen. Auch diese Problematik hat der Ausschuss Rettungswesen mehr als einmal - insbesondere im Zusammenhang mit der Forderung nach einer gemeinsamen Einsatzzentrale für alle medizinischen Hilfeersuchen (Integrierte Leitstelle) - angesprochen und eine Lösung angemahnt.

Besondere Bedeutung für das Thema Qualität im Rettungsdienst allgemein wird sicher die Diskussion um die Einführung der DRG-Fallpauschalen und deren Umsetzung in den Krankenhäusern gewinnen. Einmal gilt dies für die Definition für Qualität der präklinischen Versorgung ganz allgemein. Ferner betrifft dies die Einbindung des Krankenhauses unmittelbar in den Rettungsdienst, z. B. durch die Mitwirkung von Krankenhausärzten als „Notärzte”. Wie kann und wird dieser „Aufwand” erfasst und abgerechnet werden. Lässt sich hier gegebenenfalls ein Zuschlag erreichen? (Siehe auch die Regelung in § 17 b Abs. 1 Satz 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz in der Änderung durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 mit „Zuschlägen für die Notfallversorgung”: Ist mit diesem Begriff unser „Thema” Notarzt in der präklinischen Versorgung gemeint oder die stationäre, klinische Versorgung von Notfällen, die schon in das Krankenhaus eingeliefert worden sind?)

Ferner muss die Problematik der zumindest medizinisch (und nicht nur ökonomisch) indizierten externen Verlegungen angesprochen werden. Werden diese unmittelbar vom Krankenhaus über die Fallvergütung gegebenenfalls mit Anreiz zur Schaffung eines eigenen Transportmanagements finanziert, oder wird hierfür die Vorhaltung des Rettungsdienstes über die üblichen Benutzungsentgelte in Anspruch genommen?

Ein zumindest indirekter Bezug kann sich aufgrund der Einführung der DRG durch die nicht auszuschließende Entwicklung ergeben, dass Krankenhäuser versucht sind (sein können), „aus Furcht vor hohen Behandlungskosten” die Aufnahme von Schwerstverletzten nach Unfällen „zu steuern” und eine Aufnahme abzulehnen. Hier muss die Entwicklung genau beobachtet werden.

Eine Zwischenstellung zwischen interner und externer Qualität nimmt die vom Ausschuss ebenfalls schon mehrfach aufgezeigte Frage ihrer Finanzierung ein. „Qualität hat ihren Preis” ist eine unter Betriebs- und Volkswirten gängige Feststellung. Wer immer nur alles möglichst billig haben will, braucht sich dann über „billige” Angebote und Lösungen nicht zu wundern. Als Beispiel sei auf die auch im Ausschuss Rettungswesen geführte Debatte um die Übernahme der Kosten von Fehleinsätzen verwiesen. Wobei eine Ursache der Fehleinsätze, nämlich die mangelnde Abgrenzung zum bzw. die Kooperation mit dem ärztlichen Bereitschaftsdienst als Qualitätsfaktor schon oben angesprochen worden ist.

Andererseits wurde auf die notwendige Effizienz des Mitteleinsatzes mit der erforderlichen Transparenz von Leistungen und Kosten im Interesse der finanziellen Gesamtsituation des Gesundheitswesens ebenfalls bereits hingewiesen.

Abschließend ein Hinweis: Der Staat kann auch bei und mit der Organisation des Rettungsdienstes kein „Generalversicherer” sein, der alle Lebensrisiken auffängt, insbesondere die, mit denen der Betroffene gelegentlich selbst den Einsatz der Gefahrenabwehr herbeiführt. Dabei bleibt der Appell an die Bereitschaft, sich über Maßnahmen in der Erst-Hilfe (auch wiederholt) zu informieren, um in einem Notfall den therapiefreien Zeitraum überbrücken zu können, nach wie vor aktuell. Diese Bereitschaft kann nicht durch die Forderung nach immer mehr Optimum im Rettungsdienst ersetzt werden.

Dr. H.-P. Hennes

Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz

Schillerplatz 3 - 5

55116 Mainz

    >