Gesundheitswesen 2016; 78 - A94
DOI: 10.1055/s-0036-1586604

Gesundheitliche Ungleichheit. Zeitliche Entwicklungen und Trends

T Lampert 1, J Hoebel 1, B Kuntz 1, S Müters 1, L Kroll 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Einleitung/Hintergrund: In den letzten 20 – 30 Jahren haben zahlreiche Studien gezeigt, dass auch in Deutschland ein enger Zusammenhang zwischen der sozialen und gesundheitlichen Lage besteht. Aussagen zu zeitlichen Entwicklungen und Trends der gesundheitlichen Ungleichheit sind für Deutschland, anders als z.B. für die USA, Großbritannien und die skandinavischen Länder, aufgrund der Datenlage lange Zeit nur sehr begrenzt möglich gewesen.

Ziel der Fragestellung: Ausgehend von einer Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstandes wird auf Basis von Daten des Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut analysiert, wie sich die gesundheitliche Ungleichheit in Deutschland im Zeitraum der letzten zehn Jahre entwickelt hat.

Methoden: Die Analysen basieren auf Daten des telefonischen Gesundheitssurveys 2003 und der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) 2009 und 2012. Betrachtet wird die 30- bis 69-jährige Bevölkerung (n = 34.251). Als Gesundheitsoutcomes werden die Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes, der Tabakkonsum und die sportliche Aktivität einbezogen. Die Analysen wurden für drei soziale Statusgruppen, die unter Berücksichtigung von Informationen zum Bildungsniveau, zur beruflichen Stellung und zum Netto-Äquivalenzeinkommen ermittelt wurden, sowie für Männer und Frauen getrennt durchgeführt.

Ergebnisse: Nach den GEDA-Daten bestanden in den drei Beobachtungsjahren bei Männern wie Frauen ausgeprägte statusspezifische Unterschiede in den betrachteten Gesundheitsoutcomes, jeweils zu Ungunsten der niedrigen im Vergleich zur mittleren und hohen Statusgruppe. Bezüglich der Selbsteinschätzung des allgemeinen Gesundheitszustandes sind die Unterschiede zwischen den Statusgruppen im Zeitraum 2003 bis 2012 konstant geblieben. Mit Blick auf den Tabakkonsum und die sportliche Aktivität haben sich die Unterschiede ausgeweitet. So ist der Anteil der Raucher und der sportlich Inaktiven in der niedrigen Statusgruppe weitgehend unverändert geblieben, während er in der hohen Statusgruppe um 24% (p < 0,0001) bzw. 40% (p < 0,0001) abgenommen hat. Diese Entwicklungen zeichnen sich bei Männern und Frauen in ähnlicher Weise ab.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen im Einklang mit Befunden anderer nationaler und internationaler Studien, dass sich die bestehenden gesundheitlichen Ungleichheiten über die Zeit als überaus stabil erwiesen und zum Teil noch ausgeweitet haben. Die Daten des Gesundheitsmonitorings erlauben zunehmend, zeitliche Entwicklungen und Trends zu analysieren und zeigen damit Ansatzpunkte für Interventionen zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit auf.