Gesundheitswesen 2013; 75 - A94
DOI: 10.1055/s-0033-1354075

Eine qualitative Expertenerhebung der Arbeitsbelastungen und Ressourcen von Beschäftigten in der stationären Behindertenhilfe

S Petrarca 1, S Schmidt 2, F Koppelin 1
  • 1Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth, Oldenburg
  • 2Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V.

Hintergrund: Auch die Träger der stationären Behindertenhilfe können sich den Trends der Beschäftigten-Alterung und einem generellen Wandel in der Arbeitswelt nicht entziehen. Durch die ebenfalls zunehmende Alterung behinderter Menschen in den Einrichtungen sowie die Zunahme von Menschen mit z.B. herausforderndem Verhalten und gleichzeitig einhergehendem Fachkräftemangel scheinen die Anforderungen an die Beschäftigten in der stationären Behindertenhilfe zu steigen. Zu den Arbeitsbelastungen und Ressourcen dieser Fachkräfte existieren bisher keine belastbaren Daten. Empirische Ergebnisse wurden fast überwiegend auf dem Gebiet der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege gewonnen. Daraus abgeleitete Konzepte für berufsgruppenspezifische Ansätze Betrieblicher Gesundheitsförderung lassen jedoch keine Ergebnisübertragung auf die stationäre Behindertenhilfe zu. Traditionell stationäre Behinderteneinrichtungen in Deutschland werden zu einem großen Anteil in kirchlicher Trägerschaft betrieben. Es stellt sich daher auch die Frage, ob die christliche Ausrichtung dieser Einrichtungen eine Ressource zur Gesunderhaltung darstellen könnte. Methodik: Das Projekt „Arbeitsbelastungen und Ressourcen in der stationären Behindertenhilfe“ wird durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung über zwei Jahre gefördert (01.11.2012 – 31.10.2014). Mittels leitfadengestützter Interviews und in Kooperation mit dem Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. werden insgesamt ca. 20 männliche und weibliche Beschäftigte befragt, die über einen Stundenanteil von mindesten 50% und über eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung verfügen. Inhalt des Interviewleitfadens ist neben der Tätigkeitsdarstellung und Organisation die Erfragung von Belastungen und Beanspruchungen. Dabei werden nicht allein die Erwerbsarbeitsbedingungen erfragt, sondern die Arbeitsbedingungen im Kontext des heilerziehungspflegerischen Handelns berücksichtigt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Erfragung von Ressourcen, die zur Gesunderhaltung der Beschäftigten beitragen können, insbesondere mit dem Schwerpunkt auf christliche Werte und damit einhergehend den Glauben als eine Art Ressource. Die gewonnen Daten werden auf Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Auswertung des Textmaterials wird mit dem Programm MAXQDA unterstützt. Ergebnisse: Die Ergebnisse der qualitativen Befragung werden im Rahmen des Kongresses vorgestellt. Sie zeigen die spezifischen Belastungen und Beanspruchungen bei Fachkräften im Setting der stationären Behindertenhilfe und in welcher Form sich diese von denen anderer Berufsgruppen und Tätigkeiten in der Pflege unterscheiden. Außerdem wird offengelegt, welche Auswirkungen die Alterung der Beschäftigten und der Wandel der Klientel für dieses Setting hat und inwieweit es den Beschäftigten gelingt, Ressourcen, insbesondere ihre christliche Spiritualität, als eine Quelle der Gesunderhaltung zu nutzen und diese in ihren beruflichen Alltag zu integrieren. Hier wird die Bedeutung der zielgruppenspezifischen Vorgehensweise deutlich. Schlussfolgerung: Fachkräfte der stationären Behindertenhilfe sind durch eine große Verantwortung und ein hohes Engagement für die ihnen anvertrauten Klienten und Klientinnen in besonderer Weise gefordert. Aufgrund fehlender Daten und in Abgrenzung zu anderen Berufsgruppen sowie Tätigkeiten in der Pflege ist eine Exploration neuer Erkenntnisse unabdingbar, um die Forschungslücke hinsichtlich der Arbeitssituation von Beschäftigten in Behindertenhilfeeinrichtungen zu schließen. Mithilfe dieser gewonnen Erkenntnisse wird anschließend eine schriftliche Gesamt-Beschäftigtenbefragung in den beteiligten Einrichtungen durchgeführt, die eine Erhebung von Häufigkeiten und Zusammenhängen bestimmter Merkmale ermöglichen soll. Die qualitativen und quantitativen Daten sollen im Kontext der Methodentriangulation zusammengeführt, verglichen und auf einen weiteren Erkenntnisgewinn hin untersucht werden. Die abschließende Ableitung von Zielgruppen und Setting gerechten Handlungsempfehlungen soll einen bedeutsamen und nachhaltigen Beitrag für die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten leisten.