Der Klinikarzt 2011; 40(5): 231
DOI: 10.1055/s-0031-1280892
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COPD – eine Volkskrankheit im 21. Jahrhundert

Felix JF. Herth, Michael Kreuter
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Publication Date:
31 May 2011 (online)

Die COPD umfasst die chronisch obstruktive Bronchitis und das Lungenemphysem und ist eine chronische, progrediente Erkrankung – charakterisiert durch eine nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion. Die Stadieneinteilung der COPD erfolgt fast allein anhand der Lungenfunktion, wenngleich diese den Schweregrad der Erkrankung und die damit verbundenen Einschränkungen oftmals nur unvollständig widerspiegeln. In Deutschland sind schätzungsweise 6,4 Millionen Menschen an einer COPD erkrankt, weltweit leiden ca. 10 %, lokal bis zu Œ der Bevölkerung an einer behandlungsbedürftigen COPD. Somit ist die COPD eine der häufigsten Erkrankungen der Gegenwart und weltweit die vierthäufigste Todesursache – mit steigender Tendenz.

Trotzdem ist die COPD nur unzureichend bekannt. Bei Erstdiagnose einer COPD haben nur etwa 15 % der Betroffenen jemals davon gehört – mit fatalen Konsequenzen. So werden die COPD-Symptome Auswurf, Husten, Atemnot („AHA“) häufig als Raucherhusten und Alterserscheinung missinterpretiert. Das führt dazu, dass die Erkrankung oft erst in einem meist fortgeschrittenen Stadium festgestellt wird. Als Konsequenz daraus sollte bei Rauchern, aber auch anderen Risikofaktoren im Falle solcher Beschwerden eine Spirometrie durchgeführt werden. Denn bei Menschen ab dem 40. Lebensjahr mit diesen Symptomen und entsprechenden Risikofaktoren liegt in fast 50 % der Fälle eine COPD vor.

In den letzten Jahren konnten in Bezug auf Genese, Risikofaktoren, Therapie und der Assoziation der COPD mit anderen Erkrankungen weitreichende Fortschritte erzielt werden. So gelten ein beschleunigter Alterungsprozess der Lunge sowie eine Autoimmunrolle als mögliche Pathomechanismen und bestimmte „childhood disadvantage“-Faktoren (z. B. Asthma der Eltern, respiratorische Infekte in der Kindheit) als Risikoparameter der Entwicklung einer COPD. Die Hoffnung auf die Identifizierung von Risikogenen war jedoch bisher eher enttäuschend. Hauptrisikofaktor für die Entstehung einer COPD ist das Rauchen. Neuste Daten zeigten jedoch, dass zwischen 25–45 % der an COPD Erkrankten Nieraucher sind – weitere Risikofaktoren sind z. B. Passivrauchen, Innenraum-Luftverschmutzung, berufsbezogene Gefahrenstoffe usw. Auch in der Therapie sind weitreichende Fortschritte erzielt worden. Neben der Entwicklung neuer Medikamente (ultralangwirksame Bronchodilatatoren, antientzündliche Medikamente) mehren sich Daten, dass eine frühe Therapie vorteilhaft ist. Zusätzlich kommen neue endoskopische Verfahren zur Lungenvolumenreduktion bei Patienten mit Lungenemphysem zunehmend zum Einsatz – mit wachsendem Erfolg.

Heute wird die COPD nicht mehr als reine Lungenerkrankung, sondern als Erkrankung mit systemischen Effekten angesehen. Der Bedeutung von Komorbiditäten wie Koronarer Herzkrankheit (KHK) oder Depression wird daher zunehmend Beachtung geschenkt – mit möglicherweise therapeutischen Konsequenzen.

In der vorliegenden Ausgabe möchten wir Ihnen einen aktuellen Überblick über die COPD, Therapien und Bedeutung als Systemerkrankung vermitteln. Unumstritten wurden in den letzten Jahren viele Fortschritte im Bereich der COPD gemacht – jedoch müssen die Anstrengungen der nächsten Jahre darauf zielen, das Krankheitsbild besser bekannt zu machen und neue Therapieansätze zu entwickeln. Denn einerseits sind die bisherigen Therapien nur palliativ, von einer Kuration der COPD sind wir leider noch weit entfernt. Andererseits kann durch eine bessere Aufklärung die COPD in vielen Fällen verhindert werden – nämlich durch Raucherprimärprävention und Raucherentwöhnung.

Prof. Dr. med. Felix JF Herth
PD Dr. med. Michael Kreuter

Pneumologie und Beatmungsmedizin, Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg

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