intensiv 2010; 18(3): 116-122
DOI: 10.1055/s-0030-1253478
Schwerpunkt: Ethik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gerechtigkeit in der Pflege

Agnes -Dorothee Greiner
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 April 2010 (online)

Zusammenfassung

Gerechte Verteilung wichtiger Ressourcen war bisher kaum Thema in der Pflege. Dabei wird vor allem die Zeit des Pflegepersonals immer knapper und muss bewusst verteilt werden. Auch ohne extremen Zeitdruck und Sparzwänge gehört das Verteilen von pflegerischen Ressourcen zur Pflegearbeit dazu. Bisher geschieht dies überwiegend intuitiv und nach unreflektierten, zum Teil unfairen Grundsätzen. Mögliche Verteilungskriterien wie das Nutzen-, das Gleichheits- oder das Bedürfnisprinzip bieten zwar Orientierung, müssen aber in konkreten Situationen gegeneinander abgewogen werden. Pflegekräfte sollten sich daher offen und (selbst-)kritisch mit den oft unbewussten Grundsätzen beschäftigen, nach denen in der Pflege Medikamente, Therapien, Pflegematerialien und vor allem Zeit verteilt werden.

Literatur

  • 01 Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (Hrsg.) .Mehr Pflege im Krankenhaus? Beobachtungen von DBfK-Mitgliedern zur Situation der Klinikpflege im Verlauf des Jahres 2009. Berlin; 2009 http://www.dbfk.de/download/download/Mehr-Pflege-im-Krankenhaus.pdf Zugriff 25.01.2010
  • 02 Kersting  W . Theorien der sozialen Gerechtigkeit. Metzler; Stuttgart; 2000: 9-ff
  • 03 Wettreck R . „Am Bett ist alles anders”. Perspektiven professioneller Pflegeethik. LIT; Münster; 2001: 39
  • 04 Lübbe  W . (Hrsg.) Tödliche Entscheidung. Allokation von Leben und Tod in Zwangslagen. Mentis; Paderborn; 2004
  • 05 Lay R . Ethik in der Pflege. Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Schlütersche Verlagsbuchhandlung; Hannover; 2004: 148
  • 06 Kostka U . Gerechtigkeit im Gesundheitswesen und in der Transplantationsmedizin. Mehrdimensionale Handlungsfelder als systematische und normative Herausforderung für die Bioethik und Theologische Ethik. Schwabe; Basel; 2008: 30
  • 07 Groß D . Rationierung im Gesundheitswesen aus der Sicht der medizinischen Ethik. In: Schumpelick V , Vogel B , (Hrsg.) Was ist uns die Gesundheit wert? Gerechte Verteilung knapper Ressourcen. Herder; Freiburg i. Br.; 2007: 340
  • 08 Wehkamp K- H. Heilberufe und Patienten im Spannungsfeld von Politik und Ökonomie. In: Seewald O , Schoefer H , (Hrsg.) Zum Wert unserer Gesundheit. Der Arzt zwischen Rationierung und Rationalisierung. Nomos; Baden-Baden; 2008: 75-ff
  • 09 Groß D . Rationierung im Gesundheitswesen aus der Sicht der medizinischen Ethik. In: Schumpelick V , Vogel B , (Hrsg.) Was ist uns die Gesundheit wert? Gerechte Verteilung knapper Ressourcen. Herder; Freiburg i. Br.; 2007: 335-353
  • 10 Schöne-Seifert B , Buyx A M, Ach J S. (Hrsg.) Gerecht behandelt? Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen. Mentis; Paderborn; 2006: 7
  • 11 Marckmann G . Rationalisierung und Rationierung. Allokation im Gesundheitswesen zwischen Effizienz und Gerechtigkeit. In: Kick H A, Taupitz J , (Hrsg.) Gesundheitswesen zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. LIT; Münster; 2005: 187-ff
  • 12 Schuldzinski W , Vogel K H. Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL). Randerscheinung oder relevanter Faktor im Gesundheitssystem?. Gesundheitsmonitor; 2007: 201-216
  • 13 Raspe H . Priorisierung medizinischer Leistungen. Von der Theorie zur Praxis. In: Schöne-Seifert B , Buyx A M, Ach J S (Hrsg.) Gerecht behandelt? Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen. Mentis; Paderborn; 2006: 107-120
  • 14 Schramme T. Bioethik. Campus. Frankfurt a. M. 2002: 121ff. 
  • 15 Thomas G . Der Faktor δ. Zur Skizze einer rechteorientierten Theorie der Gesundheitsversorgung. In: Schöne-Seifert B , Buyx A M, Ach J S (Hrsg.) Gerecht behandelt? Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen. Mentis; Paderborn; 2006: 32
  • 16 Brech A . Triage und Recht. Patientenauswahl beim Massenanfall Hilfebedürftiger in der Katastrophenmedizin. Ein Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte im Gesundheitswesen. Duncker & Humblot; Berlin; 2008: 165
  • 17 Ubel P A. Pricing life. Why it‘s time for health care rationing. MIT; Cambridge; 2000: 100
  • 18 Hurst S A et al.. Prevalence and Determinants of Physician Bedside Rationing. Data from Europe.  J Gen Intern Med. 2006;  21 (11) 1138
  • 19 Manzeschke A . Privatisierung von Krankenhäusern. Ethische Erwägungen zum moralischen Status eines öffentlichen Gutes.  Pflege und Gesellschaft. 2009;  14 (1) 33-f
  • 20 Kostka U . Gerechtigkeit im Gesundheitswesen und in der Transplantationsmedizin. Mehrdimensionale Handlungsfelder als systematische und normative Herausforderung für die Bioethik und Theologische Ethik.. Schwabe; Basel; 2008: 51-f
  • 21 Vogd W . Von der Organisation Krankenhaus zum Behandlungsnetzwerk? Untersuchungen zum Einfluss von Medizincontrolling am Beispiel einer internistischen Abteilung.  Berliner Journal für Soziologie. 2007;  17 (1) 104-ff
  • 22 Marckmann G . Mittelverteilung im Gesundheitswesen. Einführung. In: Wiesing U , (Hrsg.) Ethik in der Medizin. Ein Studienbuch. Reclam; Stuttgart; 2004: 271-f
  • 23 Brech A . Triage und Recht. Patientenauswahl beim Massenanfall Hilfebedürftiger in der Katastrophenmedizin. Ein Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte im Gesundheitswesen. Duncker & Humblot; Berlin; 2008: 260-306
  • 24 Huster S  et al.. Implizite Rationierung als Rechtsproblem. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie zur Situation in deutschen Krankenhäusern.  Medizinrecht. 2007;  25 (12) 703-706
  • 25 Strech D  et al.. Ärztliches Handeln bei Mittelknappheit. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie.  Ethik in der Medizin. 2008;  20 (2) 107
  • 26 Kostka U . Gerechtigkeit im Gesundheitswesen und in der Transplantationsmedizin. Mehrdimensionale Handlungsfelder als systematische und normative Herausforderung für die Bioethik und Theologische Ethik.. Schwabe; Basel; 2008: 52-ff
  • 27 Schmidt V H. Veralltäglichung der Triage. Lübbe  W  (Hrsg.) Tödliche Entscheidung. Allokation von Leben und Tod in Zwangslagen. Mentis; Paderborn; 2004: 77-103
  • 28 Brech A . Triage und Recht. Patientenauswahl beim Massenanfall Hilfebedürftiger in der Katastrophenmedizin. Ein Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte im Gesundheitswesen. Duncker & Humblot; Berlin; 2008: 115-f
  • 29 Brech A . Triage und Recht. Patientenauswahl beim Massenanfall Hilfebedürftiger in der Katastrophenmedizin. Ein Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte im Gesundheitswesen. Duncker & Humblot; Berlin; 2008: 129-f
  • 30 Schlander M. Kosteneffektivität und Ressourcenallokation. Gibt es einen normativen Anspruch der Gesundheitsökonomie?. In: Kick H A, Taupitz J , (Hrsg.) Gesundheitswesen zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. LIT; Münster; 2005: 38
  • 31 Schlander M. Kosteneffektivität und Ressourcenallokation. Gibt es einen normativen Anspruch der Gesundheitsökonomie?. In: Kick H A, Taupitz J , (Hrsg.) Gesundheitswesen zwischen Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. LIT; Münster; 2005: 75
  • 32 Marckmann G , Liening P , Wiesing U  Hrsg.. Gerechte Gesundheitsversorgung. Ethische Grundpositionen zur Mittelverteilung im Gesundheitswesen. Schattauer; Stuttgart; 2003: 277-317
  • 33 Czaniera U . Utilitarismus. Meiner; Hamburg; 1999: 1671-1675 In: Sandkühler H J, (Hrsg.) Enzyklopädie Philosophie.
  • 34 Lübbe W . Veralltäglichung der Triage? Überlegungen zu Ausmaß und Grenzen der Opportunitätskostenorientierung in der Katastrophenmedizin und ihrer Übertragbarkeit auf die Alltagsmedizin.  Ethik in der Medizin. 2001;  13 (1) 150
  • 35 Vogd W . Von der Organisation Krankenhaus zum Behandlungsnetzwerk? Untersuchungen zum Einfluss von Medizincontrolling am Beispiel einer internistischen Abteilung.  Berliner Journal für Soziologie. 2007;  17 (1) 97-119
  • 36 Slotala L , Bauer U . „Das sind bloß manchmal die fünf Minuten, die fehlen.” Pflege zwischen Kostendruck, Gewinninteressen und Qualitätsstandards.  Pflege und Gesellschaft. 2009;  14 (1) 54-66
  • 37 Manzeschke A . Privatisierung von Krankenhäusern. Ethische Erwägungen zum moralischen Status eines öffentlichen Gutes.  Pflege und Gesellschaft. 2009;  14 (1) 27-f
  • 38 Krompholz-Schink W . Qualität in Wirtschaft und Pflege. Eine Betrachtung. In: Städtler-Mach B , (Hrsg.) Ethik im Gesundheitswesen. Springer; Heidelberg; 1999: 28
  • 39 Schwerdt R . Interpersonalität in der Pflege – Konzeptionelle, empirische und philosophische Grundlagen. In: Schnell M W, (Hrsg.) Pflege und Philosophie. Interdisziplinäre Studien über den bedürftigen Menschen. Hans Huber; Bern; 2002: 119-f
  • 40 Friesacher H . Theorie und Praxis pflegerischen Handelns. Begründung und Entwurf einer kritischen Theorie der Pflegewissenschaften. V & R Unipress; Göttingen; 2008
  • 41 Krompholz-Schink W . Qualität in Wirtschaft und Pflege. Eine Betrachtung. In: Städtler-Mach B , (Hrsg.) Ethik im Gesundheitswesen. Springer; Heidelberg; 1999: 28
  • 42 Krebs A . Arbeit und Liebe. Die philosophischen Grundlagen sozialer Gerechtigkeit. Suhrkamp; Frankfurt a. M; 2002: 120
  • 43 Vogd W . Gerechtigkeit in evolutionärer Perspektive. Aktuelle Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Solidarität und Wettbewerb. In: Frey  C , Hädrich J , Klinnert L , (Hrsg.) Gerechtigkeit – Illusion oder Herausforderung? Felder und Aufgaben für die interdisziplinäre Diskussion. LIT; Berlin; 2006: 115-137
  • 44 Peintinger M . Ethische Grundfragen in der Medizin. Facultas; Wien; 2008: 27-30
  • 45 Aristoteles. Nikomachische Ethik. Reclam; Stuttgart; 2008
  • 46 Nussbaum M . Gerechtigkeit oder Das Gute Leben. Suhrkamp; Frankfurt a. M.; 2003
  • 47 GG. Art. 3 Abs. 1 GG. „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich”

01 Im Katastrophenfall wird allerdings zunächst eine Unterscheidung der Patienten anhand von Dringlichkeitskriterien (Triage) durchgeführt. Erst dann werden Patienten mit gleicher Dringlichkeit nach dem Zufallsprinzip behandelt. Vgl. zu möglichen Triageverfahren und einer kritischen Betrachtung dazu Brech A. Triage und Recht. Patientenauswahl beim Massenanfall Hilfebedürftiger in der Katastrophenmedizin. Ein Beitrag zur Gerechtigkeitsdebatte im Gesundheitswesen. Duncker & Humblot. Berlin. 2008.

02 Dieser Beitrag baut auf den Ergebnissen der bisher unveröffentlichten Diplomarbeit mit dem Titel „Gerechte Verteilung von Zeit in der stationären Altenpflege. Philosophische und pflegeethische Beiträge zur distributiven Gerechtigkeit in der Pflegepraxis” vom Oktober 2009 an der Universität Bremen auf.

Agnes-Dorothee Greiner

Email: agnes-greiner@web.de

    >