Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008; 18 - A25
DOI: 10.1055/s-0028-1087078

Parametrisierung des Sturzrisikos bei Osteoporosepatienten

R Schwesig 1, S Leuchte 1, A Kluttig 2, A Lauenroth 1, A Kubala 3, J Brandt 3, HD Esperer 4
  • 1Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Department Sportwissenschaft
  • 2Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik
  • 3Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin
  • 4Otto von Guericke Universität, Magdeburg

Hintergrund/Fragestellung: Die posturale Leistungsfähigkeit stellt einen wesentlichen Prädiktor für die Sturzgefahr dar. Aktuell stellen die Identifikation sturzgefährdeter Osteoporosepatienten und die Reduktion des Sturzrisikos große Herausforderungen in Prävention und Rehabilitation dar.

Ziel dieser Untersuchung war es, einen bereits an Osteoporosepatienten aus Osteoporosesportgruppen (n=78, Durchschnittsalter: 69.6±7.0 Jahre) entwickelten Sturzindex mittels eines validierten Assessments, dem FES-I, zu überprüfen.

Methodik: In die prospektive Längsschnittuntersuchung wurden 228 Personen, 89 Gesunde und 139 Osteoporosepatienten (Durchschnittsalter: 68.0±9.7 Jahre), eingeschlossen. Im Abstand von einem Jahr wurden alle Probanden zweimal zu ihrer Sturzhäufigkeit (Sturzkalender) im letzten Jahr befragt und die Knochenmineralisationsrate (T-Wert) mittels DEXA gemessen. Zum Messzeitpunkt 1 kamen darüber hinaus die Posturografie (Interaktives Balancesystem) sowie ein Fragebogenassessment, welches u.a. den FES-I und eine selbst entwickelte Frage zur Sturzgefährdung enthielt, zum Einsatz. Erfasst wurden damit die Parameter Sturzgefahr, Sturzhäufigkeit, Sturzangst und Gleichgewichtsstörungen.

Ergebnisse: Regressionsanalytisch zeigte der Frequenzbereich F 2–4 (0.1–0.5Hz) die größte Relevanz für die Bildung des Sturzindexes. Er repräsentiert das peripher-vestibuläre System und besitzt die größte Vorhersagekraft für das Sturzrisiko (AUC=0.835, p<0.001, 95% CI: 0.754–0.916). Die Sensitivität betrug 92% (95% CI: 64.0–99.8) und die Spezifität 66% (95% CI: 58.9–72.3) bei dem, aus den Koordinaten der ROC-Kurve abgeleiteten Cutpoint von 9. Von den verwendeten Fragebogenassessments zeigte die Frage zur Sturzgefährdung die größte Sensitivität (85%, 95% CI: 54.6–98.1) und Spezifität (74%, 95% CI: 67.6–80.0).

Schlussfolgerung: Das peripher-vestibuläre System besitzt für die Prognose der Sturzgefahr die größte Bedeutung. Interventionen zur Vermeidung/Reduktion von Stürzen sollten deshalb weniger somatosensorisch, wie vielfach postuliert, sondern vielmehr peripher-vestibulär akzentuiert sein.

Schlüsselwörter: Posturografie, Osteoporose, Sturzindex