Gesundheitswesen 2008; 70 - A103
DOI: 10.1055/s-0028-1086328

Pflegende Angehörige wachkomatöser Menschen

DA Horn 1
  • 1Versorgungsforschung und Pflegewissenschaft, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

Einleitung/Hintergrund: In Deutschland leben schätzungsweise 8000 Menschen, die sich im Zustand Wachkoma befinden. Viele von ihnen haben schwerste Schädel-Hirn-Verletzungen überlebt. Sie leben in Folge mit körperlichen, seelischen sowie geistigen Beeinträchtigungen. Es wird davon ausgegangen, dass die Betroffenen länger als fünfzehn Jahre in diesem Zustand leben können und dass zwei Drittel von ihnen zu Hause von ihren Angehörigen versorgt werden. Es ist zu erwarten, dass diese Situation mit hochgradigen Belastungen für die Angehörigen verbunden ist. Anhand der analysierten Literatur konnten keine Konzepte identifiziert werden, die es ermöglichen, Strategien aus pflegewissenschaftlicher Sicht zu entwickeln, die die Angehörigen während des gesamten Versorgungsprozesses unterstützen und Belastungen minimieren. Methode: Vor diesem Hintergrund wurden in einer Untersuchung, der das Verfahren der Grounded Theory zugrunde gelegt wurde, pflegende Angehörige wachkomatöser Menschen nach ihren Handlungen und subjektiven Erfahrungen befragt. Es konnten in der Zeit von 2002 bis 2006 insgesamt 50 Interviews in 37 Familien mit 46 pflegenden Angehörigen wachkomatöser Menschen geführt werden, die mithilfe der Grounded Theory Methode analysiert wurden. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass Angehörige Verantwortung für den Betroffenen übernehmen und von Beginn an die Hoffnung haben, dass er wieder gesund wird. Die Verantwortung bleibt bestehen, solange Angehörige sich dem Betroffenen gegenüber angehörig fühlen. Ihre Hoffnung treibt sie kontinuierlich an, alles für den Betroffenen zu tun. Zugleich erfahren sie, dass professionelle Helfer ihre Hoffnung und ihr Verantwortungsgefühl zu gering oder gar nicht unterstützen. Daher entstehen häufig Konflikte, die langfristige Auswirkungen haben, so dass sich Angehörige entscheiden, die häusliche Pflege ohne professionelle Pflege durchzuführen. Schlussfolgerung: Unterstützen professionelle Helfer pflegende Angehörige in ihrer Verantwortung und Hoffnung, können Konflikte vermieden und Belastungen auf Dauer minimiert werden.