Qualität und Sicherheit in der Gesundheitsversorgung / Quality and Safety in Health Care
Ausgewogenheit der Qualitätsindikatorensets der externen Qualitätssicherung nach §136 SGB VAssessing the balance of quality indicator sets of external quality assurance according to SGB V section 136

https://doi.org/10.1016/j.zefq.2017.11.004Get rights and content

Zusammenfassung

Einleitung

Die Aussagekraft der Ergebnisse von Qualitätssicherungsverfahren und deren Nutzbarkeit für verschiedene Zielsetzungen bemisst sich nicht nur an der Güte der verwendeten einzelnen Indikatoren, sondern auch an der Zusammensetzung der Indikatorensets in den einzelnen Themen- bzw. Leistungsbereichen. Die Ausgewogenheit der aktuell verwendeten Indikatorensets der Qualitätssicherung für Krankenhäuser nach §136 SGB V ist bislang nicht systematisch untersucht.

Methodik

In Ermangelung eines methodischen Goldstandards zur Bewertung der Ausgewogenheit und inhaltlichen Ausrichtung von Indikatorensets wurden in Anlehnung an die Qualitätsdimensionen der OECD vier Kategorien definiert und auf die im Jahr 2016 gültigen Indikatorensets der datengestützten stationären Qualitätssicherung angewendet: 1) Erreichen primärer Behandlungsziele, 2) Vermeidung unerwünschter Ereignisse, 3) Indikationsstellung und 4) Patientenzentrierung. Es wurden Zuordnungsregeln definiert und die Verteilung der insgesamt 239 Indikatoren mit Referenzbereichen aus 29 Leistungsbereichen auf die vier Kategorien mittels deskriptiver Statistik analysiert.

Ergebnisse

Von den 239 Indikatoren des Erfassungsjahres 2016 mit Referenzbereich waren 63 (26,4%) der Kategorie „Erreichen primärer Behandlungsziele“ zuzuordnen, 153 (64,0%) der Kategorie „Vermeidung unerwünschter Ereignisse“, 18 (7,5%) der Kategorie „Indikationsstellung“ und ein Indikator (0,4%) der Kategorie „Patientenzentrierung“. Vier Indikatoren (1,7%) betrafen nur die Dokumentation. In zwölf von 29 Leistungsbereichen bilden die Indikatoren nur eine Qualitätsdimension der OECD ab.

Schlussfolgerungen

Die aktuell genutzten Indikatorensets erscheinen nicht ausgewogen und konzentrieren sich stark auf die Vermeidung unerwünschter Ereignisse. Für die Zielsetzung der externen Qualitätssicherung, in allen deutschen Krankenhäusern Mindestanforderungen an die Patientensicherheit zu überwachen und bei Bedarf verbessernd eingreifen zu können, erscheint diese Ausrichtung prinzipiell nachvollziehbar und sachgerecht. Für andere Zielsetzungen, wie beispielsweise die Identifikation von „Exzellenz“ sind Weiterentwicklungen erforderlich.

Als wichtige Ursache für den dominanten Fokus der Kategorie „Vermeidung unerwünschter Ereignisse“ ist anzunehmen, dass Datenquellen, die eine längerfristige Beobachtung sowie die Abbildung der Patientenperspektive ermöglichen, bislang nicht nutzbar waren. Deren konsequente Einbeziehung ist dringend anzustreben, um die Aussagekraft und Interpretierbarkeit von Qualitätsergebnissen zu optimieren.

Der vorgestellte methodische Ansatz erfordert weitere Forschung und Entwicklung, kann aber hilfreiche Informationen zur Aussagekraft und zu potentiellen Einsatzgebieten von Indikatorensets liefern.

Abstract

Introduction

The value and usefulness of the results of indicator-based performance measurement in healthcare for different purposes do not only depend on the methodological quality of the individual indicators but also on the composition of the indicator sets. So far, the balance of the currently used indicator sets of the German mandatory national performance measurement system for hospitals has not been systematically analyzed.

Material and methods

Due to the lack of a methodological gold standard for the assessment of balance and orientation of indicator sets we adapted the OECD concept of quality dimensions and defined four categories: 1) “Achieving primary goals of treatment”, 2) “Avoiding adverse events”, 3) “Indication” and 4) “Patient-centeredness”. We defined rules for the assignment to the categories and analyzed the distribution of the 239 indicators from 29 medical areas in relation to these categories.

Results

63 indicators (26.4 %) were assigned to the category „Achieving primary goals of treatment“, 153 (64.0 %) to the category “Avoiding adverse events”, 18 (7.5 %) to the category “Indication”, one indicator (0.4 %) to the category “Patient-centeredness”. Four indicators (1.7 %) addressed documentation quality. 12 of the 29 indicator sets only covered one OECD quality dimension by at least one indicator.

Conclusions

The current indicator sets seem to be unbalanced with a strong focus on the category “Avoiding adverse events”. As regards the goal of monitoring compliance with minimal safety standards and performing improvement interventions, the direction of the indicator sets seems to be appropriate. With respect to other goals, such as for example the identification of “excellence”, further development efforts are required.

One relevant reason for the dominant focus on the category „Avoiding adverse events“ seems to be that data sources for a follow-up and for the inclusion of the patient perspective have not been available until recently. There is a strong demand for the consequent use of these data sources to optimize the interpretability and value of the current performance measurement.

The methodological approach presented may offer useful information to assess the value of indicator sets for different purposes although further development and research is necessary.

Section snippets

Einleitung

Alle stationären Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen sich in Deutschland einrichtungsübergreifenden Qualitätsvergleichen unterziehen. Diese Vergleiche basieren auf der Erfassung klinischer und administrativer Daten zu Berechnung von Qualitätsindikatoren.

Dabei erfassen Qualitätsindikatoren immer nur einzelne Aspekte und somit Ausschnitte der Versorgung („capture a fragment“) [1]. Die Auswahl der Indikatoren zu einem Thema – in der externen stationären Qualitätssicherung nach §136 SGB V

Material und Methoden

Erste Überlegungen der Autoren zu Kriterien für die Bewertung der inhaltlichen Schwerpunktsetzung und Ausgewogenheit der Indikatoren der stationären Qualitätssicherung nach §136 SGB V wurden seit 2015 vorgestellt [18], [19].

Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde das methodische Vorgehen weiterentwickelt und auf die Indikatoren der stationären Qualitätssicherung des Erfassungsjahres 2016 angewendet.

Das methodische Vorgehen umfasst folgende Schritte:

  • 1.

    Ableitung von vier Kategorien aus den

Ergebnisse

Insgesamt wurde eine Zuordnung für 239 Qualitätsindikatoren aus 29 Leistungsbereichen vorgenommen.

Tabelle 1 zeigt die Verteilung der Indikatoren auf die fünf Kategorien in einer Übersicht. Fast zwei Drittel der aktuell verwendeten Indikatoren entstammen der Kategorie „Vermeidung unerwünschter Ereignisse“ und gut ein Viertel der Kategorie „Erreichen primärer Behandlungsziele“.

Tabelle 2 zeigt die Verteilung auf die Kategorien differenziert für alle Leistungsbereiche sowie die Anzahl der durch die

Notwendigkeit der Bewertung von Indikatorensets

Da Qualitätsindikatoren immer nur einzelne Aspekte und somit Ausschnitte der Versorgung erfassen, schafft die Auswahl der Indikatoren zu einem Thema ein „Konstrukt“ der Qualität. Die Güte dieses Konstrukts ist zwar einerseits abhängig von der Güte der einzelnen Indikatoren (die jeweils für sich ja ebenfalls ein Konstrukt darstellen), andererseits aber auch abhängig von der Zusammensetzung des Indikatorensets, also der betrachteten Ausschnitte der Versorgung im jeweiligen Thema.

Die Analysen

Schlussfolgerungen

Die Aussagekraft der Ergebnisse von Qualitätssicherungsverfahren und deren Nutzbarkeit für verschiedene Zielsetzungen bemisst sich nicht nur an der Güte der verwendeten Indikatoren, sondern auch an der Zusammensetzung der Indikatorensets.

Mit Hilfe einer an die Qualitätsdimensionen der OECD angelehnten Methodik kann eine solche Bewertung orientierend erfolgen.

Die aktuellen Indikatorensets der externen Qualitätssicherung erscheinen wenig ausgewogen. Sie fokussieren stark auf die Dimension der

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Frau Dr. Rebmann für die Unterstützung bei der Aufbereitung der Daten.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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