Beim Diabetes Update im März 2017 in Mainz wurden aktuelle Informationen zum Diabetes mellitus und Neuerungen auf diesem Fachgebiet vorgetragen und diskutiert. Inzwischen ist es für die am Diabetes interessierten Kolleginnen und Kollegen schon ein Muss, dabei gewesen zu sein. In dieser Ausgabe werden vier der beim Diabetes Update referierten Themen von den entsprechenden Experten in Form von Übersichtsarbeiten dargeboten. Diese sind

  • Diabetes und Lipide (Prof. Dr. Klaus Parhofer, Klinikum der Ludwig Maximilian Universität München)

  • Nichtmedikamentöse Behandlung des Diabetes (Prof. Dr. Stephan Martin, Westdeutsches Diabetes- und Gesundheitszentrum in Düsseldorf)

  • Adipositas und Ernährung (Prof. Dr. Andreas Hamann, Hochtaunus-Kliniken Bad Homburg)

Als „hot topic“, mit dem die Diabetologen viele Berührungspunkte haben, wird ferner das Thema Endokrinologie (Prof. Dr. Dagmar Führer, Universitätsklinikum Essen, und Prof. Dr. Werner Scherbaum, Heinrich Heine-Universität Düsseldorf) behandelt. Die Lektüre dieser Arbeiten kann ich Ihnen wärmstens empfehlen.

Im Folgenden sollen einige Highlights der weiteren Themen aufgezeigt werden, die beim Diabetes Update 2017 vorgestellt wurden.

Thematische Highlights des Diabetes Update 2017

Neues zu Diagnose, Epidemiologie und Screening

PD Dr. Wolfgang Rathmann, Institut für Biometrie und Epidemiologie, Deutsches Diabetes-Zentrum in Düsseldorf, berichtete über dieses Thema.

Die Prävalenz des Diabetes mellitus in Deutschland beträgt (bei GKV-Versicherten [GKV: gesetzliche Krankenversicherung]) derzeit 9,9 %. Ihr Maximum liegt mit 25 % im Alter von 80 Jahren ([1]; Abb. 1).

Am wichtigsten sind m. E. die näheren Erläuterungen zu den Diagnosekriterien des Diabetes nach der aktuellen Leitlinie der amerikanischen Diabetesgesellschaft [2]. Danach kann ein Diabetes mellitus auf der Grundlage der Plasmaglukosespiegel (entweder Nüchternglukose- oder 2‑h-Plasmaglukosewert im oralen Glukosetoleranztest) oder anhand des HbA1c-Werts (HbA1c: Glykohämoglobin Typ A1c) diagnostiziert werden. Alle 3 Parameter sind gleichermaßen als diagnostische Tests geeignet, wobei aber einige spezielle Situationen zu berücksichtigen sind. Unter anderem sollten in Situationen mit einer veränderten Zahl von Erythrozyten im Blut (z. B. Schwangerschaft im 2. und 3. Trimenon, Hämodialyse, Blutverlust, Bluttransfusion, Erythropoetintherapie) nur die Blutglukosekriterien zur Diagnose des Diabetes eingesetzt werden. Beim Fehlen von Diabetessymptomen sollte zur Diagnosestellung immer ein zweiter Test zur Bestätigung durchgeführt werden, und zwar zeitnah und unter Verwendung einer neuen Blutprobe. Bei diskrepanten Befunden sollte derjenige Test, dessen Ergebnis über dem Grenzwert liegt, wiederholt werden. Die Diagnose erfolgt auf Basis des bestätigten Tests. Der Referent wies u. a. darauf hin, dass die Konkordanz zwischen den glukosespiegelbasierten Tests und dem HbA1c-Wert gering ist und dass Letzterer zur Diagnose des Gestationsdiabetes (GDM) ungeeignet ist.

Bisher ist noch unklar, ob die langfristige Prognose von Personen mit unterschiedlich diagnostiziertem Diabetes (glukosespiegel- oder HbA1c-Wert-basiert) verschieden ist.

Abb. 1
figure 1

Prävalenz des Typ-2-Diabetes in Deutschland. (Adaptiert nach [1])

Luftschadstoffe wurden als neue Risikofaktoren des Diabetes identifiziert

In den vergangenen 1–2 Jahren wurden zahlreiche Studien zu Luftschadstoffen als neue Risikofaktoren des Diabetes publiziert. Luftverschmutzung ist mit einer Insulinresistenz verbunden [3, 4], führt zu einer Beeinträchtigung der β‑Zell-Funktion [5] und zu einer erhöhten Inzidenz von Typ-2-Diabetes [6].

Sehr interessant sind auch die Ergebnisse einer Erhebung aus den USA mit der Fragestellung, wie viele Lebensjahre durch das Vorliegen eines Diabetes verloren werden. Dies wurde anhand einer populationsbasierten Surveys bei 21.829 Menschen mit Diabetes im Vergleich zu entsprechend abgestimmten Kontrollen aus den Jahren 1997–2009 untersucht. Die Zahl verlorener Lebensjahre aufgrund von Diabetes verringert sich mit zunehmendem Alter bei dessen Auftreten. Bei Diagnosestellung vor dem 20. Lebensjahr wird die Lebenserwartung um 20 Jahre, bei Diagnosestellung mit 40 Jahren um 10 Jahre reduziert. Wenn der Diabetes erst im Alter von 80 Jahren diagnostiziert wird, ist kein Unterschied in der Lebenserwartung gegenüber der Kontrollpopulation mehr nachweisbar [7]. Dies ist für die Frage der Intensität der Diabetesbehandlung in verschiedenen Altersgruppen von großer Bedeutung.

Neues zum Typ-1-Diabetes

Prof. Dr. Manfred Dreyer, Inhaber einer Diabetesschwerpunktpraxis in Hamburg und Visiting Professor am Diabetes Center Wuxi Mingci Hospital in Wuxi, einer 8‑Mio.-Stadt in China, berichtete über Neues zum Typ-1-Diabetes und auch zur Insulintherapie beim Typ-2-Diabetes. Er wies u. a. auf zwei neuere Studien hin, in denen mit wissenschaftlichen Methoden gezeigt wurde, dass die Insulininjektion in lipohypertrophes Gewebe (Abb. 2) zu erheblichen Variationen der Insulinabsorption und -wirkung sowie zu unkontrollierten postprandialen Anstiegen der Glukosekonzentration führt [8, 9]. Als Fazit für die Praxis forderte der Referent u. a., dass die Insulininjektionsstellen bei allen Arztkontakten inspiziert und Patienten mit Lipohypertrophien entsprechend beraten werden sollten, in diese Stellen nicht mehr zu injizieren und die Injektionsstellen in einem festen Turnus zu wechseln. Er wies auch darauf hin, dass bei Patienten, die bisher in solche Stellen injiziert haben, die Insulindosis beim Wechsel zu „normalen“ Stellen zunächst um 20–30 % reduziert werden sollte.

Abb. 2
figure 2

Lipohypertrophien an den Insulininjektionsstellen, Patient mit Typ-1-Diabetes und stark schwankenden Blutglukosewerten (Foto: W.A. Scherbaum)

Zum Thema Sport und Diabetes wurden u. a. zwei für die Praxis relevante neue Studien vorgestellt. In einer australischen Arbeit wurde bei Probanden mit Typ-1-Diabetes die Beziehung zwischen der Intensität einer körperlichen Aktivität und dem Kohlenhydratbedarf zur Aufrechterhaltung einer Normoglykämie u. a. mit der Clamp-Technik untersucht. Bei leichter und mittlerer körperlicher Belastung treten insulinähnliche Effekte auf den Blutglukoseverlauf auf, sodass eine Reduktion der Insulindosis oder eine Zufuhr zusätzlicher Kohlenhydrate erforderlich werden. Bei extremer körperlicher Belastung kommt es allerdings, aufgrund einer maximal gesteigerten Glukoneogenese infolge eines starken Anstiegs von Adrenalin und Noradrenalin im Blut, kurzfristig zu einer Erhöhung der Blutzuckerwerte [10].

Auch bei körperlicher Belastung liefern CGM- bzw. Labormessungen vergleichbare Werte

In einer anderen Studie wurde die Genauigkeit der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) unter unterschiedlichen Belastungen am Ergometer bestimmt. Dabei zeigte sich eine gute Übereinstimmung zwischen den CGM- und den Labormessungen [11]. Man muss also nicht befürchten, dass körperliche Belastungen zu systematischen Fehlern der mit CGM bestimmten Glukosewerte führen.

Neuigkeiten auf dem Gebiet der Diabetestechnologie

Prof. Dr. Lutz Heinemann, langjähriges prominentes Mitglied der nationalen und der europäischen Arbeitsgemeinschaften für Diabetestechnologie und Begründer des FOCUS-Instituts, referierte zu diesem Bereich – mit vielen neuen Daten u. a. zu den Themen Blutzuckermessung mit neuen Messgeräten, Blutzuckervariabilität als neuer Risikofaktor, kontinuierliches Glukosespiegelmonitoring, Hautreaktionen auf Sensoren, künstliches Pankreas, neue Insulinpens und zu Insulininfusionssystemen.

Das Thema Medizintechnologie, speziell auch Diabetestechnologie, wird in Zukunft erheblich an Interesse gewinnen. Die Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass gesetzlich zugelassene und auf dem Markt verfügbare medizinische Gerätschaften, wie beispielsweise ein Glukosesensor oder eine selbstregulierende Insulinpumpe, sicher und auch effektiv sind. Entsprechend der neuen Strategie der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA („Food and Drug Administration“) muss in Zukunft der Vorteil neuer Gerätschaften gegenüber dem bisherigen Standard der Behandlung in klinischen Studien nachgewiesen werden, bevor sie zugelassen werden. Dies soll für Medizingeräte gelten, bei denen bei fehlerhafter Funktion oder Fehlbedienung ein hohes Risiko für die Patienten resultiert (z. B. Beatmungsgeräte oder implantierbare Defibrillatoren), sowie für innovative Geräte mit einem moderaten Risiko für die Patienten. In solchen klinischen Studien mit neuen Gerätschaften müssen nicht nur die Sicherheit und Anwendbarkeit der Geräte, sondern auch deren Effektivität mit wissenschaftlichen Methoden unter Abwägung von Nutzen und Risiko durch klinische Evidenz belegt werden. Dies bedarf natürlich sehr viel größerer randomisierter und kontrollierter Studien als bisher, und dafür sind auch eine nationale oder internationale Strategie und Planung unter Einbindung der Industrie, der medizinischen Fachverbände und Patientengruppen erforderlich [12].

Kontaktallergien erweisen sich als zunehmendes Problem

Eine im bisherigen diabetologischen Schrifttum kaum beachtete, aber ausgesprochen wichtige Problematik, mit der sich Herr Prof. Heinemann intensiv beschäftigte, stellen Hautreaktionen dar, die im Sinne von Kontaktallergien z. B. gegen Desinfektionsmittel, Pflaster, Katheternadeln, Gehäuseoberflächen bei Insulininfusionssets, Patch-Pumpen, CGM-Systeme und das iscCGM-System (isc: „intermittend scanning“) auftreten können (Abb. 3). Immerhin bleiben CGM in der Regel für 6–7 Tage und iscCGM sogar für 14 Tage auf der Haut aufgeklebt. Meist erst nach vielen Wochen oder Monaten treten erstmals Beschwerden in Form einer lokalisierten Rötung mit Papeln und bisweilen fast unerträglichem Juckreiz auf. Bei einem weiteren Kontakt ist auch eine Streureaktion möglich. Die Sensibilisierung ist lebenslang, unabhängig von der Lokalisation. Alle Pflasterklebestoffe bestehen aus Acrylatpolymeren, von denen es sehr viele gibt, die meist von den Herstellern nicht angegeben werden. Acrylatpolymere der verschiedenen Anbieter sind nicht identisch. Kreuzallergien mit anderen Pflastern können auftreten. Einzige Abhilfe schafft das Zwischenbringen einer Platte bzw. eines Pflasters als „Schutzschicht“ unter die Sensoren bzw. Pumpen [13]. Dies ist quasi eine Aufforderung an die Industrie zur Entwicklung acrylatfreier und besser tolerierter Hautklebestoffe.

Abb. 3
figure 3

Kontaktallergien bei Diabetespatienten. (Mit freundl. Genehmigung von © Frau Dr. med. S. Kamann, Hautärztin und Allergologin, Feldafing)

CGM-Systeme mit Messung der Glukosespiegel im interstitiellen Gewebe werden zunehmend verfügbar und genutzt. Die Leistungsfähigkeit der einzelnen Systeme und die Darstellung der Glukoseprofile unterscheiden sich von Gerät zu Gerät. Dies macht es erforderlich, dass sich die behandelnden Ärzte und die entsprechenden Patienten hiermit auskennen und insbesondere auch die registrierten Glukoseprofile adäquat interpretieren können. Dann hat ein solches System große Vorteile. In einer multizentrischen, randomisierten Studie wurde bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und einer gestörten Hypoglykämiewahrnehmung gezeigt, dass sich mit einer CGM im Vergleich zur üblichen Selbstmessung der Blutglukosekonzentrationen die Anzahl von Hypoglykämien reduzieren und die Zeitdauer in Normoglykämie signifikant verlängern lässt [14]. Sehr gute Ergebnisse wurden mit dem Freestyle Libre (Firma ABBOTT, Abbott Park, IL, USA), einem CGM-System mit FGM („flash glucose monitoring“) erzielt, bei dem die Glukosemessung nicht mehr kalibriert werden muss. Die Patienten können dabei selbst bestimmen, in welchen Intervallen sie die Daten durch Scannen mit dem kleinen Anzeigegerät auslesen wollen (iscCGM). Solche Geräte erfreuen sich einer großen Akzeptanz und werden von Patienten sowohl mit Typ-1- als auch Typ-2-Diabetes genutzt. Die Vorteile des iscCGM-Systems gegenüber der Selbstmessung des Blutglukosespiegels wurden in der IMPACT-Studie („initiate and maintain physical activity in clinics: the IMPACT diabetes study“) bei Patienten mit Typ-1-Diabetes [15] und in der REPLACE-Studie (REPLACE: „an evaluation of a novel glucose sensing technology in type 2 diabetes“, [16]) bei Patienten mit einem insulinbehandelten Typ-2-Diabetes eindrucksvoll belegt. Diese Systeme sind ein wichtiger Bestandteil der künstlichen Bauchspeicheldrüse, die aus dem CGM, einem kleinen Computer/Smartphone, einer Insulinpumpe und einer Software besteht, die über einen Algorithmus die notwendige Insulininfusionsrate berechnet. Die Kommunikation zwischen diesen Komponenten erfolgt drahtlos. Bei Hybridsystemen muss der Patient den prandialen Insulinbedarf durch einen manuell abzugebenden Bolus selbst steuern. In den USA wurde aber nun ein System erfolgreich getestet, bei dem über die Pumpe Insulin infundiert und über ein zweites System automatisch Glukagon abgegeben wird [17]. Die Entwicklung in diesem Bereich geht rasant voran. Kürzlich wurde durch die amerikanische Gesundheitsbehörde das erste (Hybrid)Closed-Loop-System für die Behandlung des Typ-1-Diabetes zugelassen, bei dem die Blutzuckereinstellung innerhalb engerer Grenzen möglich ist als mit offenen Systemen ([18]; Abb. 4). Insgesamt kann konstatiert werden, dass die Nutzung von technischen Geräten im Alltag von Diabetespatienten zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

Abb. 4
figure 4

Mittlerer Glukoseverlauf über den Tag bei Typ-1-Diabetes bei Anwendung des Hybrid-Closed-Loop-Systems MiniMed 670G der Firma Medtronic, Minneapolis, USA (blau) im Vergleich zum Open-Loop-System (grau). (Adaptiert nach [18])

Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Herr Prof. Dr. Wieland Kiess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche des Universitätsklinikums Leipzig, referierte zu diesem Thema, wobei er einen Fokus auf die rasanten Entwicklungen zur Anwendung des künstlichen Pankreas legte, die auch bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes erprobt wird. Die Zahlen der Probanden, die bisher in kontrollierten Studien mit dem artifiziellen Pankreas behandelt wurden, sind allerdings noch sehr gering, und die Beobachtungszeiten sind nur kurz.

Die Closed-Loop-Sensor-unterstützte subkutane Insulininfusion ist auch bei Kindern möglich

Um die Anwendbarkeit, Sicherheit und Effizienz eines Hybrid-Closed-Loop-Systems zu prüfen, untersuchten Tauschmann et al. [19] in einer offenen randomisierten Studie 12 Jugendliche mit Typ-1-Diabetes. Die Probanden erhielten unter ambulanten häuslichen Bedingungen und ohne Überwachung über 7 Tage entweder das Closed-Loop-System oder eine (glukose)sensorunterstützte Insulintherapie mit der Pumpe. Während der Closed-Loop-Phase wurde den Teilnehmern ein Bolusrechner zur Kalkulation der prandialen Insulinzufuhr ausgehändigt. Danach wurden die Gruppen gewechselt und erneut über 7 Tage auf diese Weise behandelt. Es zeigte sich, dass das nicht überwachte Hybrid-Closed-Loop-System zur Insulinzufuhr unter häuslichen Bedingungen gut funktionierte und auch sicher war. Trotz fehlender personeller Überwachung während der Laufzeit der Studie war die Gesamtzeit, in der die Blutglukosewerte im Zielbereich lagen, bei Anwendung des Hybrid-Closed-Loop-Systems länger (72 %) als unter der sensorunterstützten Therapie (53 %), und der mittlere Glukosespiegel lag entsprechend tiefer. Die Zeit mit zu niedrigen Glukosewerten war in beiden Gruppen etwa gleich lang [19]. Ähnlich positive Resultate erbrachte eine italienische randomisierte Studie, in der 30 Kinder im Alter von 5–9 Jahren in einem Seminar-Camp mit einer Closed-Loop-Sensor-unterstützten subkutanen Insulininfusionstherapie behandelt wurden. Zum Vergleich wurde eine 3‑tägige Kontrollphase herangezogen, in der die Eltern die sensorunterstützte Insulinpumpentherapie steuerten. Dabei fand sich in der Anwendungsphase des Closed-Loop-Systems eine 3‑fach kürzere Gesamtdauer von zu tiefen Blutglukosewerten, wobei allerdings die Blutzuckerspiegel in dieser Testphase insgesamt höher lagen. Dennoch ist aus dieser kleinen Studie ersichtlich, dass die Anwendung der neuen Technologie mit einer Closed-Loop-Sensor-unterstützten subkutanen Insulininfusionstherapie auch bei jungen Kindern anwendbar und wahrscheinlich auch sicher ist ([20]; Abb. 5). Dazu laufen derzeit zahlreiche Studien, die zeigen werden, ob diese Therapieform schon jetzt einer größeren Gruppe von Patienten mit Typ-1-Diabetes zugutekommen kann.

Abb. 5
figure 5

Weniger Hypoglykämien mit artifiziellem Pankreas: künstliches Pankreas (AP) im Vergleich zur sensorunterstützten und von den Eltern gesteuerten Insulinpumpe (SAP), a Glukosespiegel, b Insulingabe. (Adaptiert nach [20])

Adipositas ist auch beim Typ-1-Diabetes ein kardiovaskulärer Risikofaktor

Inzwischen gibt es gute Daten zum Langzeitrisiko von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes bezüglich mikrovaskulärer und kardiovaskulärer Komplikationen. In einer longitudinalen Studie aus den USA wurden bei 298 Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes mit einem mittleren Alter von etwas mehr als 13 Jahren anfangs und nach 5 Jahren die kardiovaskulären Risikofaktoren Body-Mass-Index (BMI), Lipidstatus, Blutdruck, HbA1c und Raucherstatus untersucht. Dabei zeigte sich, dass sich selbst innerhalb dieses relativ kurzen Zeitraums die Intima-Media-Dicke der A. carotis als Indikator für das kardiovaskuläre Risiko verschlechtert hatte. Zwischen der Anfangs- und der 5‑Jahres-Untersuchung hatten sich bis auf das LDL-Cholesterin (LDL: „low density lipoprotein“) alle anderen kardiovaskulären Risikofaktoren signifikant verschlechtert. Dabei war der BMI der einzige modifizierbare Risikofaktor, der die Gefahr bezüglich einer Zunahme der Intima-Media-Dicke anzeigte [21]. Dies weist darauf hin, dass die Adipositas nicht nur beim Typ-2-, sondern auch beim Typ-1-Diabetes einen kardiovaskulären Risikofaktor darstellt. Bei Erwachsenen kann die Intima-Media-Dicke durch eine Gewichtsreduktion verbessert werden. Bisher ist nicht bekannt, ob dies auch bei Kindern und Jugendlichen der Fall ist.

Diabetes und Niere

Prof. Dr. Tom Lindner, Nephrologe aus dem Universitätsklinikum Leipzig, stellte Neues zu diesem Thema vor. Unter anderem wurde die Frage diskutiert, in welchen Fällen zur Absicherung einer diabetischen Nephropathie (DN) oder zur Erkennung einer anderen Nierenerkrankung bei Diabetespatienten eine Nierenbiopsie erforderlich ist. Eine Albuminurie ist kein sicheres diagnostisches Kriterium, und ihr Fehlen schließt eine DN nicht sicher aus. In einer Metaanalyse von Nierenbiopsien bei Patienten mit Diabetes unter Heranziehung von 48 Studien mit insgesamt 4876 Patienten variierte die Prävalenz der DN zwischen 6,5 und 94 %, die der nichtdiabetischen Nephropathie (NDRD) zwischen 3 und 83 % und die der Mischformen (DN + NDRD) zwischen 4,5 und 45,5 %. Unter den Mischformen war die IgA-Nephropathie (Ig: Immunglobulin) mit 3–59 % am häufigsten [22]. Insgesamt ergab sich ein PPV (positiver prädiktiver Wert) von 50 %, was besagt, dass nur bei etwa der Hälfte der Diabetespatienten, bei denen eine Nierenbiopsie vorgenommen wurde, eine diabetische Nephropathie belegt werden konnte.

Die Autoren einer neueren Studie bei 328 Patienten mit Typ-2-Diabetes kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Trotz Zweifeln an der klinischen Diagnose litten 57 % entsprechend dem Ergebnis der Nierenbiopsie an einer DN. Eine membranöse Glomerulonephritis hatten 37 %, gefolgt von IgA-Nephropathie und Minimal-Change-Glomerulonephritis [23]. Die Resultate einer Autopsiestudie von 2016 legen nahe, dass die diabetische Nephropathie unterdiagnostiziert ist [24].

Bereits vor Mikroalbuminurienachweis kann eine ausgeprägte Glomerulumschädigung vorliegen

In dieser Arbeit wurde gezeigt, dass bereits vor dem Erscheinen einer Mikroalbuminurie eine ausgeprägte Schädigung der Glomeruli vorhanden sein kann. Der Referent diskutierte anhand dieser Daten die möglichen therapeutischen Konsequenzen der Ergebnisse der Biopsie und wies darauf hin, dass bei Diabetespatienten immer auch die Möglichkeit einer nichtdiabetischen Nierenerkrankung in Erwägung gezogen werden sollte und z. B. bei der idiopathischen membranösen Glomerulonephritis eine Therapie mit Immunsuppressiva oder Antikörpern zwingend angezeigt wäre.

Der Experte referierte neben den bereits beim Diabetes Update 2016 vorgestellten Daten des EMPA-REG OUTCOME („empagliflozin cardiovascular outcome event trial in type 2 diabetes mellitus patients“) mit der Progressionshemmung der Nierenfunktionsstörung durch Empagliflozin [25] eine Reihe von Arbeiten, deren Thema die möglichen Hintergründe dieses Effekts waren: diuretischer Effekt, Blutdrucksenkung, Senkung des intraglomerulären Drucks u. a. Inzwischen wurde eine Arbeit publiziert, die zeigt, dass auch der SGLT-2-Hemmer (SGLT-2: „sodium dependent glucose transporter 2“) Canagliflozin die Progression der Nierenfunktionsstörung bei Diabetes verlangsamt, und zwar unabhängig vom blutzuckerspiegelsenkenden Effekt dieses Medikaments ([26]; Abb. 6).

Abb. 6
figure 6

eGFR-Stabilisierung durch Canagliflozin (zeigt ähnliches Verhalten wie Empagliflozin), eGFR „estimated glomerular filtration rate“, schwarze Linie physiologische Alterung (pro Jahr etwa 1 ml/min). (Adaptiert nach [26])

Herz und Diabetes

PD Dr. Michael Lehrke, Kardiologe aus dem Universitätsklinikum Aachen, referierte zu diesem Thema. Aus dem sehr reichhaltigen Vortrag sollen hier 2 wichtige Themenkomplexe herausgegriffen werden: Zunächst wurden zwei Studien vorgetragen, in denen die Sicherheit der lang wirksamen GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1: „glucagon-like peptid 1“) Liraglutid bzw. Semaglutid und deren Überlegenheit gegenüber einer Standardtherapie bei Hochrisikopatienten mit Typ-2-Diabetes gezeigt wurde.

Lang wirksame GLP-1-Rezeptor-Agonisten sind bei Hochrisikodiabetespatienten dem Standard überlegen

In der plazebokontrollierten LEADER-Studie (LEADER: „liraglutide effect and action in diabetes: evaluation of cardiovascular outcome results“) wurden 9340 Patienten mit Typ-2-Diabetes (mittleres Alter: 64 Jahre, Diabetesdauer: 13 Jahre, Anfangs-HbA1c-Spiegel: 8,7 %) und einem hohen kardiovaskulären Risiko (mittel- bis höhergradige chronische Niereninsuffizienz und/oder Herzinsuffizienz und/oder vorausgegangener Myokardinfarkt und/oder vorausgegangener Schlaganfall) über 3,8 Jahre entweder mit Liraglutid behandelt oder sie erhielten nur eine leitliniengerechte Standardtherapie. Es wurde ein kombinierter primärer Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, nichttödlichem Myokardinfarkt und nichttödlichem Schlaganfall festgelegt. Durch die Behandlung mit Liraglutid wurde der primäre Endpunkt gegenüber Plazebo um 13 % reduziert. Insbesondere profitierten Patienten mit einer Niereninsuffizienz. Liraglutid führte auch zu einer signifikanten Reduktion des Neuauftretens einer diabetischen Nephropathie um 22 %. Im Vergleich zur Kontrollgruppe bewirkte es zudem eine signifikante Senkung des HbA1c-Spiegels um 0,4 %, eine signifikante Gewichtsreduktion um 2 kg und eine Senkung des systolischen Blutdrucks um 1,2 mm Hg. Unter Liraglutid traten signifikant seltener schwere Hypoglykämien auf, jedoch häufiger Gallensteine (3,1 % vs. 1,9 %), akute Cholezystitis (0,8 % vs. 0,4 %) und Nebenwirkungen, die zu einem Abbruch der Studie führten (1,6 % vs. 0,4 %, [27]). In dem kleineren und kürzer angelegten (104 Wochen) SUSTAIN-6 („trial to evaluate cardiovascular and other long-term outcomes with semaglutide in subjects with type 2 diabetes“) wurde mit dem in Deutschland noch nicht zugelassenen Semaglutid eine vergleichbare Risikoreduktion des kardiovaskulären primären Endpunkts erzielt, wobei die Überlegenheit von Semaglutid wesentlich durch eine 39 %ige Reduktion nichttödlicher Schlaganfälle bedingt war [28]. Liraglutid erwies sich auch bei der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittener Linksherzinsuffizienz als vorteilhaft [29]. Diese Studien können als neuer Meilenstein in der Diabetestherapie angesehen werden, insbesondere für die Behandlung von Hochrisikopatienten mit Typ-2-Diabetes.

ASS soll nicht generell zur Primärprävention bei Typ-2-Diabetes eingesetzt werden

In einer sehr anschaulichen Grafik zeigte der Referent die kardiovaskulären Wirkungen von Liraglutid, Simvastatin, Ramipril, Empagliflozin und Eplerenon im Vergleich anhand von Schlüsselstudien, wobei insbesondere auf den rasch auftretenden positiven Effekt von Empagliflozin und Eplerenon hingewiesen wurde (Abb. 7; [30,31,32,33]).

Abb. 7
figure 7

Kardiovaskuläre Wirkung von a Liraglutid (Tod mit kardiovaskulärer Ursache, LEADER-Studie [27]), b Simvastatin (MACE, „heart protection study“ [30]), c Ramipril (MACE, HOPE-Studie [31]), d,e Empagliflozin (d Tod mit kardiovaskulärer Ursache, e stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz, EMPA-REG OUTCOME [32]), f Eplerenon (Tod mit kardiovaskulärer Ursache und stationäre Aufnahme wegen Herzinsuffizienz, EMPHASIS-HF [33]) in Schlüsselstudien, 95% CI 95 %-Konfidenzintervall, EMPHASIS-HF „a comparison of outcomes in patients in New York Heart Association (NYHA) class II heart failure when treated with eplerenone or placebo in addition to standard heart failure medicines“, Erläuterung der übrigen Studiennamen s. Fließtext, HR „hazard ratio“, MACE „major adverse cardiac event“. (Adaptiert nach [27, 30,31,32,33])

Das zweite Thema betrifft die Behandlung mit Thrombozytenaggregationshemmern in der Primärprävention. Große prospektive randomisierte plazebokontrollierte Interventionsstudien aus Europa, Nordamerika und Japan hatten bereits gezeigt, dass Azetylsalizylsäure (ASS) zwar einen geringen Nutzen in der Primärprävention aufweist, diese Behandlung jedoch auch mit einer Gefährdung aufgrund der Zunahme gastrointestinaler Blutungen verbunden ist, sodass eine Azetylsalizylsäuretherapie für die Primärprävention nicht empfohlen wird. Nun wurden die Daten einer 10-Jahres-Nachbeobachtung der Probanden der japanischen Studie publiziert. In der JPAD („the Japanese primary prevention of atherosclerosis with aspirin for diabetes trial“) wurden 2539 Patienten mit Diabetes und ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen (mittleres Alter: 65 Jahre, Diabetesdauer: 7,1 Jahre, HbA1c-Wert 7,15) randomisiert und entweder mit Azetylsalizylsäure oder mit Plazebo behandelt [34]. Diese Medikation behielten 2160 Patienten auch nach Beendigung der Studie in der Nachbeobachtungszeit bei. Während einer Nachbeobachtungsdauer von 10,3 Jahren traten kardiovaskuläre Ereignisse bei 15,2 % der mit Azetylsalizylsäure und bei 14,2 % der mit Plazebo behandelten Studienteilnehmern auf. Ein hämorrhagisches Ereignis wurde bei 80 Patienten (6 %) mit Azetylsalizylsäuretherapie und bei 67 Patienten (5 %) in der mit Plazebo behandelten Gruppe beobachtet. Bezüglich eines hämorrhagischen Schlaganfalls bestand kein Unterschied. Unter Azetylsalizylsäure kam es aber zu 25 (2 %) und unter Plazebo zu 12 (0,9 %) gastrointestinalen Blutungen [35]. Diese Daten unterstützen die Empfehlung, Azetylsalizylsäure nicht generell zur Primärprävention bei Patienten mit Typ-2-Diabetes einzusetzen.

Diabetes und Schwangerschaft

Dr. Helmut Kleinwechter, Inhaber einer großen Diabetesschwerpunktpraxis in Kiel und langjähriger Vorsitzender der AG Diabetes und Schwangerschaft der DDG (Deutsche Diabetes-Gesellschaft), referierte Spannendes aus seinem Spezialgebiet. Davon seien hier einige Highlights angeführt: Nach der aktuellen Erhebung des IQTiG (Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen) wurden im Jahr 2015 in Deutschland 714.547 Geburten erfasst, gegenüber 2014 eine Steigerung um 4,8 %. Auf 1000 Geburten kamen in Deutschland im Jahr 2015 im Mittel 9 Fälle mit Typ-1- oder Typ-2- und 50 Fälle mit Gestationsdiabetes (GDM).

Nach GDM müssen die Betroffenen in regelmäßigen Abständen nachkontrolliert werden

Die Zahl der Fälle von Gestationsdiabetes stieg im Jahr 2015 gegenüber 2014 um insgesamt 14,6 %. Auch die Häufigkeit des bereits vor der Schwangerschaft bekannten Diabetes nahm im Jahr 2015 um 3,1 % zu ([36]; Abb. 8). Nach aktuellen Erhebungen in Großbritannien ist dabei der Typ-2-Diabetes bereits häufiger als der Typ-1-Diabetes [37] und es kann davon ausgegangen werden, dass dies auch in Deutschland so ist. Der Referent wies darauf hin, dass Frauen, die einen Gestationsdiabetes durchgemacht haben, in regelmäßigen Abständen nachkontrolliert werden müssen, weil bei ihnen das Risiko für das spätere Auftreten eines Diabetes stark erhöht ist ([38]; Abb. 9).

Abb. 8
figure 8

Perinatalstatistik 2015, AQUA Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit, DM Diabetes mellitus, GDM Gestationsdiabetes, IQTiG Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen. (Adaptiert nach [36])

Abb. 9
figure 9

Prädiabetes/Diabetes nach Gestationsdiabetes (GDM), a alle Nachuntersuchungen, b Nachuntersuchungen ohne Hyperglykämien beim ersten Test, NGT normale Glukosetoleranz. (Adaptiert nach [38])

Junge Frauen müssen über 2 Jahre nach bariatrischer Operation sicher verhüten

Bei immer mehr Frauen wird schon im gebärfähigen Alter eine bariatrische Operation durchgeführt. Wenn diese Frauen binnen weniger als 2 Jahren schwanger werden, ist das Risiko für eine Frühgeburt, die Notwendigkeit einer neonatalen Intensivtherapie und die Geburt eines zu kleinen Kindes (SGA: „small for gestational age“) deutlich erhöht. Dies zeigte die Auswertung einer populationsbezogenen retrospektiven Kohortenstudie aus Kliniken des US-Bundesstaats Washington aus der Zeit von 1990–2013 [39]. In Übereinstimmung mit einem Kommentar dazu im „British Medical Journal“ [40] empfiehlt der Referent, bei jungen Frauen in den ersten 2 Jahren nach einem adipositaschirurgischen Eingriff eine effektive Kontrazeption, vorzugsweise mit einem Intrauterinpessar, zu gewährleisten, um eine ungeplante Schwangerschaft zu vermeiden.

Dass schwangere Frauen in den letzten Jahren zunehmend mit Metformin behandelt werden, ist ein weiterer wichtiger Komplex für die Diabetologen und Hausärzte: In einem kürzlich publizierten systematischen Übersichtsartikel mit einer Metaanalyse von 16 randomisierten kontrollierten Studien mit 2165 Fällen wurden die Kurz- und Langzeitergebnisse für Mütter und Kinder bei einer Behandlung mit Metformin vs. Insulin während der Schwangerschaft evaluiert. Daraus ergab sich, dass Metformin im Vergleich zu Insulin allein die folgenden Risiken reduziert:

  • neonatale Hypoglykämie: RR (relatives Risiko) 0,63,

  • zu großes/schweres Kind (LGA [„large for gestational age“]): RR 0,80,

  • Gestationshypertonie: RR 0,56,

  • mütterliche Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (in kg): −2,07.

Metformin erhöhte nicht die Risiken für Frühgeburt, perinatale Mortalität oder Sectio [41]. Metformin hat laut diesen Daten bis zur Geburt keine nachteiligen Auswirkungen für Mutter und Kind und möglicherweise Vorteile in der Neonatalperiode. Aufgrund der limitierten Datenlage zu den Schwangerschaftsergebnissen empfehlen aber die Autoren, wie auch der Referent und die DDG nach wie vor, Schwangere mit Typ-2- oder Gestationsdiabetes mit Insulin zu behandeln, wenn die glykämischen Zielwerte mit Diät alleine nicht zu erreichen sind.

Diabetischer Fuß und periphere arterielle Verschlusskrankheit

Prof. Dr. Maximilian Spraul vom Diabeteszentrum Rheine stellte Neues zu diesen Themenbereichen vor. Die Diagnostik der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) stellt bei Diabetespatienten wegen des hohen Anteils an Mediasklerose und gleichzeitig bestehender Polyneuropathie ein großes Problem dar. Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes ist in diesen Fällen nicht zuverlässig.

Fehlende Fußpulse sind ein unabhängiger Prädiktor kardiovaskulärer und renaler Ereignisse bei Diabetes

Um herauszufinden, ob das Fehlen der Pulse der A. dorsalis pedis und der A. tibialis posterior einen Prädiktor für makro- und mikrovaskuläre Komplikationen und die Mortalität darstellt, wurden die Daten von 11.120 Patienten mit Typ-2-Diabetes aus der großen ADVANCE-Studie (ADVANCE: „action in diabetes and vascular disease: preterax and diamicron MR controlled evaluation“) analysiert. Dabei zeigte sich eindeutig, dass das Fehlen mindestens eines dieser Pulse bei Diabetespatienten einen unabhängigen Prädiktor für das Auftreten schwerer makrovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod, Herzversagen sowie schwere Niereninsuffizienz darstellt. Das Risiko für solche Komplikationen steigt proportional mit der Anzahl fehlender peripherer Pulse [42]. Nicht vorhandene Pulse der A. dorsalis pedis und/oder A. tibialis posterior sind somit als unabhängige Risikofaktoren für kardiovaskuläre und renale Komplikationen beim Typ-2-Diabetes zu betrachten. Nach den Ergebnissen dieser Studie ist das differenzierte Tasten der Fußpulse der Messung des Verschlussdrucks überlegen. Bei Verdacht auf pAVK aufgrund nicht heilender Fußulzera empfiehlt der Referent eine weitergehende Diagnostik in Form einer MR-Angiografie (MR: Magnetresonanz) oder Angiografie, ggf. auch mittels CO2-Angiografie bei Vorliegen einer Nephropathie.

Minoramputationen werden häufig als Behandlungsversagen beim diabetischen Fußsyndrom angesehen. Dies ist aber nach Meinung des Referenten keineswegs gerechtfertigt. In einer multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie wurde die gesundheitsspezifische Lebensqualität von Patienten mit durch konservative Behandlung (n = 676) und nach Minoramputation abgeheilten diabetischen Fußulzera verglichen. Dabei zeigten sich keine Unterschiede [43]. Bei Patienten, deren Ulkus erst nach 6–12 Monaten abgeheilt war, waren sogar Angst und Depression in der Gruppe mit Minoramputation geringer ausgeprägt. Der Referent empfiehlt, zu diesem Thema eine kontrollierte randomisierte Studie durchzuführen.

Zentralnervensystem und Diabetes

Herr Prof. Dr. Martin Köhrmann, Neurologe aus dem Universitätsklinikum Essen, stellte Daten zu diesem Thema vor, von denen hier einige kurz aufgezeigt werden sollen. Bei Diabetes mellitus sind das Schlaganfallrisiko um den Faktor 2–3 und das Demenzrisiko um den Faktor 2 erhöht. In 2016 wurden neue Studien zur Behandlung des Diabetes und der gestörten Glukosetoleranz in der Primär- und Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls veröffentlicht. In einer Nachanalyse der ACCOMPLISH-Studie (ACCOMPLISH: „avoiding cardiovascular events through combination therapy in patients living with systolic hypertension“) wurde explizit der Einfluss der Blutdrucksenkung auf kardiovaskuläre Endpunkte einschließlich des Schlaganfalls untersucht, abhängig davon, ob ein Diabetes vorlag oder nicht. Es zeigte sich, dass eine Blutdruckeinstellung auf systolische Werte unter 140 mm Hg bei Diabetespatienten noch mehr Vorteile ergab als bei nicht an Diabetes Erkrankten. Sogar eine Absenkung auf unter 120 mm Hg ergab noch einen weiteren Vorteil [44]. Der Nutzen einer Senkung des LDL-Cholesterin-Spiegels ist sowohl für die Sekundär- als auch die Primärprophylaxe des ischämischen Schlaganfalls belegt. In der HOPE-3-Studie (HOPE-3: „heart outcomes prevention evaluation-3“) wurde nun der Effekt von Statinen zur Primärprophylaxe kardiovaskulärer und zerebrovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit einem mittleren Risiko (gestörte Glukosetoleranz, früher Diabetes) untersucht. Dabei zeigte sich eine signifikante Senkung des Schlaganfallrisikos um 30 % und des Myokardinfarkts um 35 % [45]. In der Primärprophylaxe ist der Effekt einer Senkung des LDL-Cholesterins ebenso wirksam wie in der Sekundärprophylaxe des Schlaganfalls. Eine Statintherapie ist daher integraler Bestandteil der Therapie bei kardiovaskulärem Risikoprofil bzw. stattgehabtem Ereignis.

Eine LDL-Cholesterin-Senkung wirkt hinsichtlich eines ischämischen Schlaganfalls prophylaktisch

Wichtig ist der Hinweis des Referenten auf die möglichst rasche Lysetherapie des ischämischen Schlaganfalls nach dem bekannten Motto „time is brain“. Grundlegende klinische Studien dazu wurden mit einem rekombinanten Gewebsplasminogenaktivator durchgeführt und von Hacke et al. zusammengestellt (Abb. 10; [46]).

Bei Typ-1-Diabetes ist das Schlaganfallrisiko erhöht. In einer großen prospektiven Kohortenstudie bei Patienten mit Typ-1-Diabetes wurde der negative Einfluss einer schlechten Blutzuckereinstellung auf das Auftreten eines Schlaganfalls eindrucksvoll belegt [47]: Dabei wurden 33.453 Patienten mit Typ-1-Diabetes mit je 5 (n = 159.924) vergleichbaren Kontrollen verglichen. Bei den Diabetespatienten waren ischämische Schlaganfälle 3,3-fach und hämorrhagische Schlaganfälle 2,5-fach häufiger als bei den Kontrollpersonen. Je schlechter die Blutzuckereinstellung war, desto höher war die Schlaganfallhäufigkeit. Bei einem HbA1c-Wert >9,7 % war das Risiko für sowohl ischämische als auch hämorrhagische Schlaganfälle um das 8‑Fache erhöht. Dies ist besonders relevant, weil sich die meisten Fälle von Typ-1-Diabetes bereits im Kindes‑, Jugend- oder frühen Erwachsenenalter manifestieren.

Abb. 10
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Therapieerfolg bei Lysetherapie des akuten ischämischen Schlaganfalls abhängig von der Zeit bis zur Intervention, NNT „number needed to treat“, NS nicht signifikant, OTT „onset to treatment time“. (Adaptiert nach [46])

Spannend sind auch die neuen Daten zu den positiven Effekten des Insulinsensitizers Pioglitazon, der in Deutschland nicht mehr zu Lasten der GKV für die Senkung des Blutzuckerspiegels eingesetzt werden darf. In dem kürzlich hochrangig publizierten prospektiven, randomisierten doppelblinden IRIS („insulin resistance intervention after stroke trial“) wurde gezeigt, dass Pioglitazon für die Sekundärprophylaxe des ischämischen Schlaganfalls hocheffektiv ist [48]. Innerhalb eines Nachbeobachtungszeitraums von 4,8 Jahren erlitten 9 % der mit dem Wirkstoff und 11,8 % der mit Plazebo behandelten Patienten den primären Endpunkt, nämlich ein Schlaganfallrezidiv und/oder einen neu aufgetretenen Myokardinfarkt. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Allerdings zeigten sich unter den mit Pioglitazon behandelten Patienten auch Nebenwirkungen in Form einer Gewichtszunahme sowie Ödembildung und vermehrt stationäre Aufnahmen aufgrund von Knochenbrüchen. Die Abwägung der Vor- und Nachteile einer solchen Sekundärprävention ist schwierig.

Diabetes und Haut

Prof. Dr. Rolf-Markus Szeimies, Chefarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Knappschaftskrankenhauses Recklinghausen, referierte zu diesem Thema, welches sehr viele Querverbindungen aufweist:

  1. 1.

    Infektionen der Haut und der Nägel,

  2. 2.

    mit Diabetes assoziierte dermatologische Erkrankungen wie Necrobiosis lipoidica, Bullosis diabeticorum, Vitiligo, Scleroderma diabeticorum, Acanthosis nigricans, Granuloma anulare und die wichtige diabetische Dermopathie sowie

  3. 3.

    die seltenen allergischen Hautreaktionen auf orale Antidiabetika und auf Insulin.

Zu all diesen Hautreaktionen wurden typische Kennbilder gezeigt.

Eine Balanitis heilt nur unter lokaler Antimykosetherapie und Optimierung der Diabeteseinstellung ab

Speziell ging der Referent auf Pilzinfektionen und bakterielle Hautinfektionen beim Diabetes ein. Deren Risiko steigt bei schlechter Blutzuckereinstellung. Bei Frauen sollten ein genitaler Pruritus mit Candidainfektion und bei Männern eine Balanitis und eine Balanoposthitis immer an einen Diabetes denken lassen. Eine Balanitis bei bekanntem Diabetes heilt nur zuverlässig ab, wenn nicht nur eine antimykotische Lokalbehandlung durchgeführt, sondern auch die Diabeteseinstellung verbessert wird. Bei einem schlecht eingestellten Diabetes oder einer Ketoazidose können auch schwer verlaufende Phykomykosen auftreten. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe tiefer Mykosen, die durch saprophytäre Erreger ausgelöst werden [49].

Der Referent wies besonders auf die diabetische Dermopathie hin, die beim Diabetes ausgesprochen häufig vorkommt und wahrscheinlich mit lokalen Störungen der Mikrozirkulation in Verbindung steht [50]. Diese Veränderungen finden sich insbesondere bei älteren Diabetespatienten mit einem langen Krankheitsverlauf. Bei Patienten mit einer diabetischen Retinopathie, Nephropathie oder Neuropathie fanden sich solche Veränderungen in bis zu 80 % der Fälle [51]. Das Kennbild ist in Abb. 11 dargestellt [52].

Abb. 11
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Diabetische Dermopathie. (Aus [52])

figure b

W.A. Scherbaum