In den letzten Dekaden hat Europa einen Wandel in der Bedrohung durch Terroristen erfahren. Während sich in den 70er Jahren Terror gegen den Staat und v. a. gegen Vertreter aus Politik und Wirtschaft richtete, um mediale Aufmerksamkeit zu erreichen, und die Opferzahlen bei Anschlägen gering blieben, haben aktuelle transnationale Terrornetzwerke das Ziel, Angst zu verbreiten. Attentate wie in Madrid, London, Oslo, Boston und zuletzt Paris nehmen große Opferzahlen in der Bevölkerung in Kauf.

Anschläge mit eigens für diesen Zweck gebastelten Bomben – sog. “improvised explosive devices” (IED) – stellen keine hohe Anforderung an die Beschaffung von Material. Die notwendigen Kenntnisse sind im Internet nahezu ubiquitär verfügbar und das zu erreichende Schadensausmaß ist immens.

Trotzdem blieben Sprengstoffattentate in Europa bisher die Ausnahme. Behörden, Rettungsdienste, Notärzte und Kliniken werden kaum mit dem Management und der Versorgung von Patienten nach Explosionen konfrontiert. Dies ist zum einen beruhigend, bedingt aber auf der anderen Seite eine mangelnde Routine. Die Kollegen in Israel blicken in diesem Zusammenhang auf eine ganz andere Bilanz zurück: Allein während der sog. zweiten Intifada in den Jahren 2000–2005 wurden in Israel 138 Selbstmordattentate mit Sprengsätzen verübt, bei denen 513 Israelis getötet und 3380 z. T. schwer verletzt wurden [1].

In ihrem Artikel beschreiben Peleg und Rozenfeld das prähospitale Management solcher Anschläge und die große Herausforderung, die es für den Rettungsdienst bedeutet, nach einem terroristischen Anschlag einerseits die notfallmedizinische Versorgung der Opfer sicherzustellen, ohne andererseits die Helfer selbst zu gefährden. Panik und Chaos an der Einsatzstelle sind von den Attentätern beabsichtigt und als menschliche Reaktion auch verständlich. Umso mehr legen die Autoren Wert auf die Organisation und die Führungsstruktur an der Einsatzstelle, die aus ihrer Sicht mehr Leben retten könne als zusätzliche Einsatzkräfte. Dabei beschreiben sie auch, dass, ähnlich wie in Deutschland, der erfahrenste Mitarbeiter des ersten eintreffenden Rettungsmittels zunächst die medizinische Führung an der Einsatzstelle übernimmt. Aus diesem Grund fordern sie auch, dass der Rettungsdienst seine Mitarbeiter auf solche Situationen vorbereiten muss.

Einen weiteren Fokus legen die Autoren auf Ort und Zeit von terroristischen Anschlägen. Wenngleich bisher v. a. Großstädte während der normalen Arbeitszeiten tagsüber an Wochentagen betroffen waren, könnten auch abgelegene Regionen mit beispielsweise hohem Freizeitwert an Wochenenden, aber geringerer rettungsdienstlicher Vorhaltung und niedriger Krankenhausdichte das Ziel von Anschlägen sein.

80 % der Patienten nach Explosionen tragen leichtere Verletzungen davon. Um mögliche Engpässe in der Versorgung der schwer verletzten 20 % so gering wie möglich zu halten, legen die Autoren großen Wert auf ein gutes Triage-Training der Rettungsdienstmitarbeiter. Wie an anderer Stelle für die Erstversorgung unter taktischer Bedrohung beschrieben [2], beschränken auch Peleg und Rozenberg die präklinischen Maßnahmen auf das Stoppen massiver Blutungen, notwendiges Atemwegsmanagement und die Entlastung möglicher Spannungspneumothoraces.

Nachdrücklich verweisen die erfahrenen Autoren auf die Gefahr, die sich für Rettungskräfte durch die Möglichkeit von weiteren Sprengsätzen ergibt, welche gezielt gegen die Rettungskräfte gerichtet sind. Ein vorsichtiges Agieren an der Einsatzstelle und eine enge Kommunikation mit den Sicherheitskräften sind für die Rettungskräfte deshalb unerlässlich.

In Deutschland verlassen wir uns mit den beschriebenen Maßnahmen auf die sog. Sanitätseinsatzleitung (SanEL) aus Leitendem Notarzt (LNA) und Organisatorischem Leiter Rettungsdienst (OrgL). Diese erreicht die Einsatzstelle jedoch vielfach erst verzögert. Die Verantwortung lastet, wie von Peleg und Rozenberg beschrieben, also auf den ersteintreffenden Kräften. Diese Erkenntnis unterstützt die Notwendigkeit, Themen wie das Erkennen von mutmaßlichen Terroranschlägen, das richtige Verhalten an solchen Einsatzstellen, Triage, Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zum Ausbildungsinhalt von allen am Rettungsdienst beteiligten zu machen. Der Beitrag der israelischen Kollegen bietet dazu einen guten Einstieg.