Hintergrund

Mit einer Inzidenz von 581 Patienten pro 100.000 Einwohner ist das Schädel-Hirn-Trauma (SHT) die häufigste Unfallverletzung im Kindesalter. Davon sind weniger als 10 % als mittelschwere oder schwere SHT einzustufen. Die Sterblichkeit insgesamt beträgt 0,5 %, bei schwerem SHT allerdings 14 %. Insgesamt ergibt das hochgerechnet etwa 70.000 Patienten unter 16 Jahren mit SHT, wovon etwa 350 Patienten versterben. Die hochgerechneten gesamtgesellschaftlichen Kosten betragen für das SHT in Deutschland etwa 2,8 Mrd. EUR/Jahr [6].

Die Managementstrategie beim schweren SHT ist in Stufenplänen und Leitlinien der Fachgesellschaften in vielen Kliniken klar definiert. Das Vorgehen beim leichten SHT bleibt Gegenstand der Diskussion, insbesondere im Hinblick auf die Indikation zur radiologischen Diagnostik und die Notwendigkeit einer Überwachung im Krankenhaus.

Prolog

Die Schwierigkeit bei der Beurteilung des leichten SHT im Kindesalter besteht darin, diejenigen Patienten mit einem erhöhten Risiko für eine operationspflichtige intrazerebrale Läsion oder das Auftreten einer Hirndrucksteigerung herauszufiltern. Auch in aktuellen Publikationen mit Daten aus großen Metaanalysen konnten keine eindeutigen Kriterien klinischer Symptome als Entscheidungshilfe für die großzügige Indikation zur cCT-Untersuchung (cCT: kranielle Computertomographie) im Kindesalter detektiert werden [3, 5, 8, 9, 14, 15, 16, 18, 21].

Bei der individuellen Entscheidung zur cCT-Untersuchung müssen die mit ihr einhergehende hohe Strahlenbelastung, die höhere Strahlensensibilität und das damit erhöhte Leukämie- und Hirntumorrisiko im Kindesalter beachtet werden [1, 4, 13, 19].

Zur Graduierung des SHT im Kindesalter sollten die im Folgenden aufgeführten Punkte Berücksichtigung finden:

Anamnese

  • Alter,

  • Unfallmechanismus,

  • Auftreten einer Bewusstseinsstörung unmittelbar nach dem Unfall und

  • Verlauf bis zum Eintreffen in der Klinik.

Klinische Beurteilung

  • Neurologischer Zustand,

  • Bewertung mit Scoresystemen [z. B. modifizierte GCS (Glasgow-Coma-Scale)],

  • äußere Verletzungszeichen,

  • differenzialdiagnostische Zeichen: Einnässen/Zungenbiss und

  • Verlauf über die nächsten Stunden nach dem Trauma.

Zweifelsfrei lassen sich indirekte und direkte Schwerezeichen des SHT auflisten, die das Risiko für eine intrakranielle Verletzung besser kalkulieren lassen und die Entscheidung zur cCT-Untersuchung erleichtern (Tab. 1).

Tab. 1 Risikograduierung des SHT bezüglich intrakranieller Verletzung

Aktuelle Ergebnisse einer Risikofaktoranalyse für die Schweregraduierung des kindlichen SHT aus sehr großen Datenbanken, die in der Metaanalyse von Simma et al. [21] vorgestellt wurden, sind in Tab. 2 demonstriert.

Tab. 2 Risikofaktoren für klinisch relevante SHT bzw. zur cCT-Indikationsstellung. (Mod. nach [21])

In zahlreichen neueren Studien und Metaanalysen zum leichten SHT im Kindesalter konnte gezeigt werden, dass die niedrige Inzidenz von intrakraniellen Verletzungen ein differenziertes Vorgehen rechtfertigt und die Implementierung eines Behandlungsalgorithmus mit Schulung und Training aller Ärzte und Pflegekräfte sowohl die Strahlenbelastung als potenzielle Gesundheitsgefährdungsquelle als auch die allgemeinen Behandlungskosten reduzieren kann [7].

Eigene Untersuchungen

Im Zeitraum eines Jahres wurden in der Notfallambulanz für Kinder der Charité (Pädiatrische und kinderchirurgische Rettungsstelle, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum) 27.763 Patienten im Alter von 0 bis 16 Jahren behandelt. Bei 1637 (17 %) wurde ein SHT diagnostiziert.

Den größten Anteil hatten Kleinkinder (1 bis 4 Jahre) mit 44 % inne. Das Durchschnittsalter betrug 3,8 Jahre mit einer Dominanz der Jungen in allen Altersgruppen von 58 %.

Die epidemiologischen, klinischen und radiologischen Daten wurden den Patientenakten der kinderchirurgischen Rettungsstelle entnommen: Geschlecht, Alter, Unfallmechanismus, Initialsymptome, Anamnese, klinische Befunde, bildgebende Diagnostik, Diagnosen, Prozedere und Therapie. Die Diagnosen wurden nach anamnestischen Symptomen und klinischem Befund in der Notfallambulanz gestellt (Tab. 3).

Tab. 3 Einteilung der Schweregrade des SHT

Zur Beurteilung des GCS wurde die für Kinder modifizierte „childrens GCS“ zugrunde gelegt, sodass den Besonderheiten bei der Beurteilung von Kindern unter 2 Jahren Rechnung getragen wurde (Tab. 4).

Tab. 4 „Children′s GCS“

Die gesammelten Informationen wurden EDV-gerecht (EDV: elektronische Datenverarbeitung) verschlüsselt, mit dem Computerprogramm SPSS bearbeitet und statistisch ausgewertet. Auf eine statistisch signifikante Korrelation wurde mittels χ2-Testmodell nach Pearson (Signifikanz, wenn p < 0,05) und Monte-Carlo-Test (Signifikanz, wenn κ > 0,5) geprüft. Der positive prädiktive Wert wurde nach Definition ermittelt: richtig-positiv/(richtig-positiv + falsch-positiv).

Ergebnisse

Unfallursachen

Die Unfallmechanismen wurden in 7 Kategorien zusammengefasst, deren Häufigkeiten aus Abb. 1 hervorgeht.

Abb. 1
figure 1

Häufigkeit der Unfallmechanismen, BCS „battered child syndrome“, gr. große, kl. kleine, mittl. mittlere

Anamnese und klinische Symptome

Von den 1637 Kindern, die mit der Verdachtsdiagnose SHT behandelt wurden, gaben 1045 (64 %) keine Symptome an. Mindestens eines der folgenden Anzeichen zeigten 592 Kinder (36 %):

  • vegetative Symptome (26 %),

  • Kopfschmerz (16 %),

  • quantitative Bewusstseinsstörung (8 %),

  • Verhaltensauffälligkeit (5 %),

  • Krampfanfall (1 %).

Vegetative Symptome waren demnach neben Kopfschmerzen bei weitem am häufigsten. 96 % aller wegen eines SHT behandelten Kinder hatten einen GCS von 15. Nur 3 % wiesen einen Punktwert von 13 oder 14 auf. Jeweils weniger als 1 % der Kinder fielen in die Kategorie GCS = 8–12 oder GCS =  = 3–7. Neurologische Symptome, die von Anisokorie bis Halbseitenlähmung reichten, hatten nur 3 % der verunfallten Kinder. Kopfverletzungen erlitten im Gegensatz dazu über die Hälfte aller Patienten (52 %). Hämatome waren mit 18 % am häufigsten, gefolgt von den Kopfplatzwunden mit 14 % und Prellmarken im Sinne von Rötung oder Schürfung mit 13 %.

Unter den von uns untersuchten klinischen Symptomen (Unfallursache, Bewusstseinsverlust, Verhaltensauffälligkeit, Krampfanfall, vegetative Symptome, Kopfschmerzen, GCS, neurologische Symptome und Kopfverletzungen) fanden wir keines, welches als zuverlässiger Indikator für eine intrakranielle Verletzung gelten kann. Folgende Symptome sind jedoch Anhaltspunkte:

  • GCS = 3–7,

  • Verhaltensauffälligkeiten,

  • neurologische Defizite jeglicher Art und

  • Kopfverletzungen.

Bildgebende Diagnostik

Ohne bildgebende Diagnostik beurteilt wurden 1359 Patienten (83 %), alle mit einem GCS-Wert von 15. Routineuntersuchungen ohne klinischen Anhalt wurden nicht durchgeführt Untersuchungskombinationen führen zu einer Gesamtzahl von 1682 Untersuchungen (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Bildgebende Diagnostik, CT Computertomographie, MRT Magnetresonanztomographie

Die 92 cCT-Untersuchungen wurden aufgrund eines GCS-Werts unter 14 sowie anhaltenden oder zunehmenden klinischen Symptomen trotz eines GCS von 15 veranlasst. Mehr als die Hälfte davon (47 Untersuchungen) blieben ohne Befund.

Die MRT (Magnetresonanztomographie) wurde bei 6 Patienten genutzt. Zur Hälfte wurde sie bei Kindern mit niedrigem GCS-Wert zusätzlich zum cCT angefordert, ohne dass sich Befunddifferenzen ergaben (ohne pathologischen Befund/subdurale Blutung/intrazerebrale Blutung). Patienten mit unauffälligem GCS-Wert, aber klinischen Auffälligkeiten gaben 3-mal Anlass zur MRT-Untersuchung. Dabei fanden sich 1 subdurale Blutung und 2 Normalbefunde.

Bei insgesamt 78 Kindern (5 %), die klinisch auf eine Fraktur verdächtig und älter als 1 Jahr waren, erfolgte eine Röntgenuntersuchung, wobei 3/4 aller Röntgenbilder (59 von 78) Normalbefunde ergaben. In 19 Fällen (24 %) fand sich eine Fraktur. Bei 26 Patienten wurde zusätzlich zur Röntgenuntersuchung ein cCT durchgeführt. Dabei ergab sich eine Befunddifferenz: Im cCT stellte sich eine Fraktur dar, die im Röntgen nicht detektiert worden war.

Bei 147 Kindern, jedes jünger als 2 Jahre und mit GCS = 14–15, wurden der Schädel und/oder die intrakraniellen Strukturen mittels Sonographie untersucht. Mit 79 % war der überwiegende Anteil der durchgeführten Sonographien ohne pathologischen Befund. Eine Schädelfraktur wurde in 26 (18 %) und intrakranielle Blutungen in 5 (3 %) dieser Untersuchungen detektiert. Zusätzlich zu den Ultraschalluntersuchungen wurde in 13 Fällen ein cCT durchgeführt, wenn intrakranielle Blutungen oder klinische Befundverschlechterung vorlagen. Es fanden sich 7 (54 %) Differenzen zum Vorbefund: Während die Sonographie 4-mal ohne pathologischen Befund war, wurden mittels CT 3-mal eine Fraktur und 1-mal ein epidurales Hämatom nachgewiesen. Zusätzlich zu der mittels Ultraschall befundeten Fraktur ließen sich 3-mal im CT noch intrakranielle Blutungen erkennen.

Diagnosen

Die Schädelprellung (62 %) und das leichte SHT (31 %) überwogen bei weitem. Schädelfrakturen hatten 72 Kinder (4 %), entweder isoliert oder in Verbindung mit intrakraniellen Blutungen. Dabei fanden sich neben linearen Frakturen 4 isolierte Impressionsfrakturen und eine Schädelbasisfraktur. Die höhergradigen SHT (2. und 3. Grades) und die intrakraniellen Verletzungen, epidurales Hämatom (EDH), subdurales Hämatom (SDH), intrazerebrale Blutungen (ICB), ereigneten sich mit jeweils weniger als 1 % selten.

Diagnosenkombinationen führen zu einer Gesamtzahl von 1696 Diagnosen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Diagnosen, 1., 2., 3. Grad 1, 2 bzw. 3; EDH epidurales Hämatom, ICB intrazerebrale Blutungen, SDH subdurales Hämatom, SHT Schädel-Hirn-Trauma

Die Häufigkeit intrakranieller Verletzungen und der Kombination mit Schädelfrakturen ist Tab. 5 zu entnehmen.

Tab. 5 Häufigkeit und Schädelfrakturen bei intrakraniellen Verletzungen

Nur ein geringer Anteil der Patienten (27 Patienten/1,7 %) entwickelte eine intrakranielle Pathologie als Folge eines SHT. Besondere Akkumulationen einer speziellen intrakraniellen Blutung bezüglich des Alters bestanden nicht.

Die häufigsten Unfallursachen waren zu je 1/3 der Verkehrsunfall und der Sturz aus einer Höhe von mehr als 150 cm. Bei 4 Kindern (15 %) fanden sich anamnestisch keine Symptome. Diese waren zum Zeitpunkt der Erfassung alle unter 1 Jahr alt. Initial bewusstlos waren 10 Kinder (37 %).

Mit Erbrechen fielen 1/3, mit Kopfschmerzen ein weiteres Drittel auf. Fast 50 % (13 Kinder) zeigten Änderungen im Verhalten. Die Hälfte (52 %) der Patienten wies bei der initialen Untersuchung einen GCS-Wert von 15 auf. Einen Punktwert von 13–14 hatten 4 Kinder, ein GCS-Wert von 3–7 fnd sich bei 7 Kindern (25 %). Mit pathologisch neurologischen Befunden, die von muskulärer Hypotonie über Anisokorie bis zur Halbseitensymptomatik reichten, präsentierten sich 37 % der Kinder. Bei 2 Kindern fanden sich im Rahmen der körperlichen Untersuchung keine pathologischen Befunde, bei 10 Patienten nur die Kopfverletzungen. Insgesamt blieb aber kein Kind mit einer intrakraniellen Blutung vollständig – anamnestisch und im körperlichen Status – asymptomatisch.

Eine statistisch signifikante Korrelation zwischen Schädelfrakturen und intrakraniellen Blutungen war nicht festzustellen (χ2-Testmodell nach Pearson p > 1 und Monte-Carlo-Signifikanztest κ < 0,2). Beide Verletzungen waren bei 18 Patienten vorhanden. Somit ereigneten sich 25 % aller Schädelfrakturen (18 von 72) gemeinsam mit intrakraniellen Blutungen, und 67 % der Läsionen unterhalb der Kalotte [18 von 27 ICV (intrazerebrale Verletzungen)] waren mit einer Fraktur assoziiert.

Bei den Kindern unter 1 Jahr fanden sich 6 Kombinationsverletzungen (Schädelfrakturen und ICV). Somit traten auch hier 1/4 der Frakturen (6 von 24 Schädelfrakturen) mit Blutungen im Schädelinnenraum auf. Aber 75 % aller Säuglinge mit intrakraniellen Blutungen hatten auch eine Kalottenfraktur erlitten (6 von 8 ICV).

Unsere Resultate lassen den Schluss zu, die Schädelfraktur als Anhaltspunkt für eine intrakranielle Verletzung mit geringem positivem Vorhersagewert (18/(18 + 54) = 0,25) zu beurteilen. Zu gleichen Resultaten kamen zahlreiche Arbeitsgruppen des In- und Auslandes [2, 11].

Prozedere und Therapie

Nach Diagnostik sowie Beratung und Aufklärung der Eltern wurden 3/4 (1226) der in der Notfallambulanz begutachteten Kinder wieder entlassen, 1,8 % davon gegen ärztlichen Rat. Zur Überwachung stationär aufgenommen wurden 1/4 (411) der Patienten; bei 76 Patienten war ein Monitoring auf der Intensivstation erforderlich.

Neurochirurgisch operativ versorgt werden mussten 18 Kinder (< 1 %, 10 Hämatomausräumungen, 4 Implantationen einer Hirndruckmessvorrichtung, 4 Hebungen einer Impressionsfraktur).

Von den 1226 Patienten, die nach der Untersuchung wieder entlassen worden waren, stellten sich 18 (1,5 %) mit Zustandsverschlechterung wieder in der Rettungsstelle vor. Bei 2 Kindern (0,2 %) ergab sich nach erneuter Untersuchung ein neurochirurgisch behandlungsbedürftiger Befund: epidurales Hämatom in Kombination mit einer Schädelfraktur sowie Kontusionsblutung mit subduralem Hämatom. Beide Kinder waren jünger als 1 Jahr.

Diskussion

Bildgebende Diagnostik des kindlichen SHT

Zur initialen Beurteilung des kindlichen SHT werden 4 bildgebende Verfahren genutzt [10, 17, 20, 22]:

  • kranielles CT,

  • MRT des Kopfes,

  • Sonographie der Kalotte und der intrakraniellen Strukturen sowie

  • Röntgen des Schädels.

Kranielle CT

Das cCT ist eindeutig Methode der Wahl zur Beurteilung der akuten Schädel-Hirn-Verletzung. Die Anwendung erfolgt nicht als Routinemaßnahme [22], sondern definitionsgemäß bei einem hohen Risiko für intrakranielle Verletzungen, welches bei folgenden Kriterien gegeben ist:

  • GCS < 13,

  • Bewusstseinsverlust > 5 min,

  • zunehmende Bewusstseinsstörung,

  • (fokal) neurologisches Defizit,

  • Verdacht auf Impressions-/Schädelbasisfraktur.

Liegt ein mittleres Risiko vor (GCS = 13–15, Bewusstseinsverlust < 5 min, Verhaltensauffälligkeit, anhaltendes Erbrechen/Kopfschmerz, Kopfverletzung, Verdacht auf lineare Schädelfraktur, schwerer Unfallmechanismus, Alter < 1 Jahr), kann die Nutzung des cCT diskutiert und gerechtfertigt werden [8, 9, 12, 14, 15, 16].

Ohne vorübergehenden Bewusstseinsverlust, wiederholtes Erbrechen, starke Kopfschmerzen, schweren Unfallmechanismus oder Hinweise auf Schädelfraktur ist die Wahrscheinlichkeit einer klinisch relevanten Hirnverletzung bei Kindern > 24 Monate geringer als 1 %. Bei Kindern < 24 Monate sind zusätzlich nichtfrontale Hämatome und Verhaltensauffälligkeiten zu berücksichtigen.

Ultraschall

Die Sonographie wird übereinstimmend [17, 22] initial zur Beurteilung von Säuglingen genutzt, die bis zum Untersuchungszeitpunkt keine klinischen Symptome bieten. Ein auffälliger Befund wird mittels CT verifiziert.

Radiologie

Durch eine Röntgenaufnahme des Schädels kann eine intrakranielle Verletzung nicht ausgeschlossen werden, sodass sie keine Alternative zum Schädel-CT darstellt [2, 11]. Ein Normalbefund kann falsche Sicherheit hinsichtlich der nicht erkennbaren intrakraniellen Blutung vortäuschen, während eine lineare Fraktur ohne Konsequenz für das weitere Prozedere bleibt. Nur wenige Indikationen rechtfertigen ihren Einsatz beim Kind: Frakturverdacht bei Kindesmisshandlung, Schädelbasis-, Impressions-, komplizierte oder doppelseitige Schädelfrakturen, Gesichtsfrakturen sowie Fremdkörperverletzungen [3, 4, 6].

Magnetresonanztomographie

Das MRT wird trotz gegensätzlicher Meinungen [20] selten in der Initialdiagnostik eingesetzt. Insbesondere die Untersuchungsdauer mit der Notwendigkeit einer Sedierung oder Narkose für hirnverletzte Kinder schränkt ihre Anwendung ein. Bei Verdacht auf Scherverletzungen und zur Verlaufsbeobachtung der subakuten und chronischen Phase eines SHT ist sie jedoch Untersuchungsmethode der Wahl [10, 22].

Managementkonzept als Fazit

Basierend auf den eigenen Ergebnissen sowie aktuellen Publikationen zum leichten SHT im Kindesalter stellen wir unser Konzept zum kindgerechten diagnostischen Prozedere bei SHT in der Notfallambulanz in Abb. 4 vor.

Abb. 4
figure 4

Managementkonzept für Kinder und Jugendliche mit SHT (Schädel-Hirn-Trauma), cCT kranielle Computertomographie, GCS Glasgow-Coma-Scale, V.a. Verdacht auf

Ziel ist nicht die ultimative Anwendbarkeit, sondern eine Entscheidungshilfe im klinischen Alltag. Folgende Ausschlusskriterien gelten: Geburtstrauma, penetrierende Verletzung, neurologische Vorerkrankung, multiple Traumen (Polytrauma), Blutungsneigung, intrakranieller Shunt, Verdacht auf Alkohol-, Drogenintoxikation, Verdacht auf Kindesmisshandlung.

Die Entscheidung zur Entlassung und Beobachtung des Kindes zu Hause ist in Absprache mit den Eltern nur dann zu treffen, wenn diese ausreichend zu Symptomen und Komplikationen des SHT aufklärt wurden, als verantwortungsbewusst und zuverlässig einzuschätzen sind und die erneute Vorstellung jederzeit unkompliziert erfolgen kann.

Die Eltern erhalten einen Informationsbogen mit Handlungshinweisen für die Betreuung ihres Kindes zu Hause (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Informationsbogen mit Handlungshinweisen für die Eltern. (Mit freundl. Genehmigung der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow-Klinikum)

Nachbetreuung und Rehabilitation

Während die Notwendigkeit einer poststationären Rehabilitationsbehandlung bei schwerem SHT nicht bezweifelt wird, kann es bei leichten Verletzungen mit rascher Erholung und vermeintlich vollständiger Heilung zum Persistieren neuropsychologischer Funktionsstörungen kommen, die im Kliniksetting nicht oder nur wenig auffallen und erst bei der Wiedereingliederung in der Schule oder in den Kindergarten ersichtlich werden [6].

Eine Weiterleitung von Kindern nach SHT in ein SPZ (sozialpädiatrisches Zentrum) ist zu empfehlen bei allen schweren und mittelschweren sowie leichten SHT mit Bewusstseinsstörung, Alter < 24 Monate oder neurologischen oder kinderpsychiatrischen Erkrankungen in der Eigenanamnese. Ziele des Betreuungsangebots im SPZ sind:

  • frühzeitige subgruppenspezifische und neuropsychologisch fundierte Differenzierung des SHT,

  • differenzierte subgruppenspezifische; multimodale Behandlung,

  • langfristiges Monitoring des Entwicklungsverlaufs und psychosoziale und ggf. psychotherapeutische Betreuung des Familiensystems.