Verletzungen des Kniegelenks mit Beteiligung des vorderen Kreuzbands (VKB) stellen aus medizinischer und auch sozioökonomischer Sicht ein quantitativ großes Problem dar. Allein in Deutschland werden pro Jahr mehr als 50.000 Ersatzplastiken des vorderen Kreuzbands durchgeführt [14]. Da es sich bei der überwiegenden Zahl dieser Patienten um Personen im erwerbsfähigen Alter handelt, entstehen hohe indirekte Folgekosten, die nur schwer zu quantifizieren sind.

Hintergrund

VKB-Insuffizienz und ihre Folgen

Die Verletzung bzw. Insuffizienz des vorderen Kreuzbands führen zu einer vermehrten a.-p. Translation der Tibia gegen das Femur und somit zu erhöhten Scherkräften im Bereich sämtlicher Kniegelenkkompartimente. Auch wenn der Zusammenhang zwischen einer Schädigung des vorderen Kreuzbands und der Entwicklung einer prämaturen Gonarthrose daher plausible erscheint und auch in der Literatur beschrieben ist, entwickelt bei weitem nicht jeder Patienten mit insuffizientem vorderem Kreuzband eine vorzeitige Arthrose des Kniegelenks.

Die langfristigen konservativen Therapien von VKB-Rupturen erfordern eine hohe Compliance und führen vielfach nicht zu guten Ergebnissen [45]. Der Schädigung des Meniskus im Verlauf bzw. auch der initial vorliegenden Meniskusschädigung scheint eine Schlüsselrolle zuzukommen [7, 27], da sie auf der einen Seite die Belastung der Gelenkoberflächen im Kniegelenk, auf der anderen Seite zusätzlich dessen Instabilität erhöht.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund gilt deshalb heute die Empfehlung der Durchführung einer Ersatzplastik des vorderen Kreuzbands beim jungen, sportlichen aktiven Patienten als Goldstandard, auch wenn die Studienlage hierzu nicht einheitlich ist [10]. Die primäre Naht des vorderen Kreuzbands, wie sie vielfach in früheren Jahren vorgenommen wurde, führte nicht zu zufrieden stellenden Behandlungsergebnissen [44], und anderen Techniken, wie die von Steadman et al. [43] beschriebene „healing response“ [43], sind noch nicht ausreichend untersucht und können daher nicht als Standarttherapie angesehen werden.

Methoden der vorderen Kreuzbandersatzplastik

Hierzu stehen unterschiedliche Techniken zur Verfügung. Neben der Quadrizepssehnenplastik, die in den vergangenen Jahren v. a. im Bereich der Revisionskreuzbandchirurgie vermehrt eingesetzt wurde, stellen der Ersatz des VKB durch das mittlere Drittel der Patellarsehne (Entnahme mit Knochenblöcken am patellaren und tibialen Insertionspunkt der Sehne) sowie durch Adduktorensehnen („Hamstrings“; M. semitendinosus, M. gracilis) die weltweit am meisten verbreiteten Verfahren dar. Eine Überlegenheit einer dieser Methoden konnte bisher nicht klar nachgewiesen werden, obwohl sie in einer Vielzahl hochwertiger Studien miteinander verglichen wurden [13, 34]. Eindeutig scheint lediglich die Entnahmemorbidität bei Verwendung der Patellarsehne erhöht [1, 12], weshalb auch in unserer Klinik zum Primärersatz des vorderen Kreuzbands in der Regel ein 4-fach Transplantat aus Semitendinosus- und Gracilissehne mit beidseitiger gelenknaher Fixation mittels bioresorbierbarer Interferenzschrauben verwendet wird. Auch wenn einzelne Studien dieser Adduktorensehnenersatzplastik eine erhöhte Laxizität v. a. bei weiblichen Patienten zuschrieben [12], konnte dies in anderen Studien nicht gefunden [46] und sogar teilweise eine bessere Stabilität im Gesamtkollektiv geschlechterunabhängig beschrieben werden [48]. Neuere Daten suggerieren auch ein vermehrtes Auftreten osteoarthrotischer Veränderungen bei Verwendung der Patellarsehne [32, 33], auch dabei handelt es sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch um einzelne Beobachtungen, die erst in weiteren Studien verifiziert werden müssen.

Auch wenn die Ergebnisse nach vorderer Kreuzbandersatzplastik beim größten Teil der Patienten zufrieden stellend sind, existiert ein kleiner Anteil von Fällen mit persistierenden Problemen. Dieser liegt in den meisten Studien mit zufrieden stellenden Ergebnissen bei immerhin 1–10% [3, 13, 34, 48]. Neben Instabilitäten, die in der Regel operationstechnischen Parametern zuzuschreiben sind, und Bewegungseinschränkungen mit konsekutiver Bewegungseinschränkung,welche durch Fehlplatzierung der Bohrkanäle verursacht sind (wie ein Streckdefizit bei zu weit anterior platziertem tibialem Bohrkanal mit konsekutivem Notch-Impingement), weist ein weiterer Teil der Patienten eine persistierende Bewegungseinschränkung bei postoperativer Arthrofibrose auf [26, 37, 42]. Diese Komplikation geht mit einer ungünstigen Prognose einher [8, 23, 42], weshalb ihrer Vermeidung bei der operativen Behandlung des vorderen Kreuzbands ein hoher Stellenwert zukommt. Die Arthrofibroserate wird in der Literatur in unterschiedlichen Studien mit großer Varianz angegeben, was vermutlich dadurch begründet ist, dass es keine einheitliche Definition der Arthrofibrose gibt [26, 42]. Wir schließen uns der Definition von Lobenhoffer et al. [23] an, die Arthrofibrose als postoperative Bewegungseinschränkung mit dem Nachweis einer intraartikulären Narbenbildung definierten, in anderen Studien wird z. T. jede postoperative Bewegungseinschränkung zu den Arthrofibrosen gezählt, was eine erhöhte Inzidenz erklärt. Die Häufigkeit dieser schwer wiegenden Komplikation ist eng mit dem Zeitpunkt der operativen Versorgung bzw. präziser mit dem Zustand des Kniegelenks zum Zeitpunkt der Operation vergesellschaftet [9, 17, 26, 31, 49]. Deshalb kommt der Wahl des richtigen Operationszeitpunkts – eine VKB-Ersatzplastik sollte grundsätzlich nur bei reizfreiem Kniegelenk durchgeführt werden – und der gezielten Vorbereitung des Patienten vor der Operation eine herausragende und für den weiteren Verlauf essenzielle Bedeutung zu (Abb. 1, Abb. 2, Details s. unten).

Abb. 1
figure 1

Frisch rupturiertes vorderes Kreuzband ohne wesentliche Synovitis, unfallzeitpunktnahe Durchführung einer VKB-Ersatzplastik ohne erhöhte Komplikationsrate möglich

Abb. 2
figure 2

Deutliche Synovitis nach über mehrere Tage bestehendem Hämarthros bei frischer Kniebinnenschädigung, zweitzeitige Versorgung mit Anlage der VKB-Ersatzplastik nach Abklingen der Synovitis bei reizfreiem Kniegelenk zu empfehlen

Isolierte Ruptur des vorderen Kreuzbands

Sie stellt keine Indikation zum sofortigen operativen Handeln dar.

Primärversorgung

Im Rahmen der Erstvorstellung erfolgen in der Regel röntgenologisch der Frakturausschluss sowie eine erste klinische Untersuchung. Der intraartikuläre Erguss weist zu diesem Zeitpunkt meist auf eine Kniebinnenschädigung hin, ist aber auch bei Ruptur des vorderen Kreuzbandes keine zwingende Voraussetzung und kann bei erhaltenem Synovialschlauch ausbleiben. Auch wenn es bereits in der Notaufnahme in vielen Fällen möglich ist, klinisch die Diagnose einer Ruptur des vorderen Kreuzbands zu stellen, ist dies für den weiteren Verlauf nicht von entscheidender Bedeutung.

Wir empfehlen grundsätzlich bei Verdacht auf eine relevante Kniebinnenschädigung:

  • eine Immobilisation mit Kniegelenk ruhig stellender Schiene (z. B. Medicom-Jeans-Orthese, Mecron®-Schiene),

  • eine Punktion des Gelenks nur bei ausgeprägter Ergussbildung mit subjektiver Beschwerdesymptomatik des Patienten zur Beschwerdelinderung und Chondroprotektion,

  • das Entlasten der betroffenen Extremität an Unterarmgehstützen (zuzüglich einer medikamentösen Thromboseprophylaxe),

  • lokale Kühlung sowie

  • die Wiedervorstellung nach 2–4 Tagen.

Sekundäre diagnostische und therapeutische Maßnahmen

Bei der Wiedervorstellung lässt sich meist klinisch eine Diagnose sehr viel präziser als am Unfalltag stellen, bei persistierendem Verdacht auf eine Band- oder Meniskusschädigung sollte zu diesem Zeitpunkt eine Magnetresonanztomographie des Kniegelenks veranlasst werden, da bei verletztem Kreuzband und somit traumatisiertem Kniegelenk in vielen Fällen klinisch eine begleitende Meniskusverletzung nicht auszuschließen ist. Die MRT weist sowohl in der Diagnostik von Bandverletzungen als auch beim Nachweis einer Meniskusverletzung eine sehr hohe Spezifität und Sensitivität auf [20, 24, 35, 47], sodass aus unserer Sicht eine Arthroskopie zur Diagnosesicherung heutzutage nicht mehr notwendig und daher nicht empfehlenswert ist. Eine initiale Arthroskopie kann nur dann erforderlich werden, wenn sich z. B. umgeschlagene Anteile des Kreuzbands in den Gelenkspalt interponieren und konsekutiv zu einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im Sinne einer Gelenkblockade führen. Im Rahmen einer solchen Arthroskopie sollten jedoch nur die umgeschlagenen Anteile des rupturierten Bands entfernt werden.

Wir raten grundsätzlich von einer kompletten Resektion der Stümpfe des vorderen Kreuzbands ab. Zum Einen bieten sowohl der femorale als auch der tibiale VKB-Stumpf bei der Durchführung der VKB-Ersatzplastik gute Orientierungspunkte bei der Anlage der Bohrkanäle und damit der Insertionspunkte der Ersatzplastik, zum anderen können sich der erhaltene Synovialschlauch des originären Bands oder Restfasern dem Transplantat anlegen, womit man sich erhofft, einen Teil der wichtigen propriozeptiven Eigenschaften des originären vorderen Kreuzbands zu erhalten. Diese Theorie ließ sich allerdings bisher nicht durch entsprechende Studien belegen.

Zum Zeitpunkt der Wiedervorstellung wird auch mit einer krankengymnastischen Beübung zur zeitnahen Wiederherstellung der Beweglichkeit begonnen. Diese stellt die Grundvoraussetzung für die Durchführung einer VKB-Ersatzplastik auch aus operationstechnischer Sicht dar, denn bei korrekter Anlage des femoralen Bohrkanals muss das Kniegelenk intraoperativ auf mindestens 120° gebeugt werden.

Auch bezüglich des Risikos der Entwicklung einer Arthrofibrose stellt die Durchführung der Operation am reizfreien, frei beweglichen Kniegelenk den optimalen Zeitpunkt und somit optimale Ausgangsbedingungen dar [15, 18, 23, 42]. Hierzu besteht in der Literatur breiter Konsens und die operative Versorgung einer VKB-Ruptur im Intervall ab etwa 3–4 Wochen nach dem Unfall stellt somit den Goldstandard dar, wobei angemerkt werden soll, dass die Zeitspanne zwischen dem Unfall und der definitiven Versorgung interindividuell sehr unterschiedlich sein kann und somit eine patientenindividuelle Entscheidung getroffen werden muss.

Möglichkeit der unfallnahen definitiven Versorgung

Uneinigkeit besteht weiterhin über die Möglichkeit einer frühen, unfallnahen Versorgung einer Kreuzbandruptur innerhalb der ersten Stunden nach dem Trauma. Diese Möglichkeit wird von einigen Autoren befürwortet [5, 17, 25], von anderen abgelehnt [9, 15, 42]. Für den Patienten, der sich z. B. aus beruflichen Gründen keine längeren Ausfallzeiten leisten kann, oder den Sportler, für den längere Ausfallzeiten beim zweitzeitigen Vorgehen ungünstig sind, stellt eine operative Versorgung zeitnah zum Unfallereignis eine Therapie mit großer Attraktivität dar. Aus unserer Sicht und unter Berücksichtigung der verfügbaren Studien ist sie möglich. Sie muss allerdings innerhalb der ersten 1–2 Tage nach dem Unfallereignis erfolgen. Erfahrungsgemäß liegen zu diesem Zeitpunkt noch keine wesentliche Synovitis und somit kein erhöhtes Arthrofibroserisiko vor, eine spätere Versorgung wenige Tage nach dem Unfallereignis ist aus unserer Sicht jedoch vor dem Hintergrund der nachgewiesenermaßen erhöhten Komplikationsrate obsolet (Abb. 1).

Kombinationsverletzungen

In vielen Fällen liegt keine isolierte Verletzung des vorderen Kreuzbandes vor, sondern eine Kombinationsverletzung unter Beteiligung weiterer Kniebinnenstrukturen. Vor dem Hintergrund des typischen Verletzungsmechanismus im Sinne eines Rotations-Extensions-Valgusmechanismus oft mit zusätzlicher Rotationsbewegung des Unterschenkels kommt es am häufigsten zu

  • einer zusätzlichen Ruptur des medialen Kollateralbands,

  • einer (Distraktions-)Verletzung des Innenmeniskus,

  • einer (Kompressions-)Verletzung des Außenmeniskushinterhorns sowie

  • einer Knorpelschädigung oder Schädigung des subchondralen Knochens (Bone Bruise) im Bereich des lateralen Femurkondylus [7, 30, 36].

Auch wenn der Kreuzbandläsion im Rahmen dieser Verletzungskombinationen eine zentrale Bedeutung zukommt, bestimmt meist die Begleitverletzung das weitere zeitliche Vorgehen. Die häufigsten Verletzungskombinationen sollen im Folgenden besprochen werden.

Gleichzeitig vorliegende Seitenbandverletzung

Die Kombination aus Ruptur des vorderen Kreuzbands und (meist medialer) Seitenbandruptur kommt häufig nach Kniegelenkdistorsion vor.

Entgegen der VKB-Ruptur, die, wie oben ausgeführt, unmittelbar nach dem Unfallereignis nicht immer sicher zu diagnostizieren ist, lässt sich bei der Untersuchung der Seitenbandstabilität in 0° und 30° Flexion eine Seitenbandruptur in der Regel bei der primären Untersuchung des Patienten feststellen. Auf den initialen Behandlungsalgorithmus hat diese zunächst jedoch keinen unmittelbaren Einfluss – die Therapie erfolgt analog der bei isolierter VKB-Ruptur, sodass die Diagnose mittels Magnetresonanztomographie verifiziert werden kann. Stellt sich zu diesem Zeitpunkt eine Verletzung des Seitenbands heraus, empfehlen wir diesbezüglich eine orthetische Behandlung für mindestens 6 Wochen. Über die Einstellung des Bewegungsumfangs existieren keine einheitlichen Empfehlungen, wir schließen uns den im deutschsprachigen Raum geltenden Empfehlungen an, welche eine funktionelle Behandlung mit Flexion und Extension im spannungsfreien Verlauf der Bandstrukturen erlauben [4], wobei die Rotation jedoch begrenzt werden sollte. Der Bewegungsumfang in der Orthese könnte initial auf 10° Extension limitiert werden, um eine maximale Spannung der Kollateralbänder zu verhindern. Bei Kombinationsverletzungen von vorderem Kreuzband und Seitenband empfehlen wir dies entgegen der Maßnahmen bei isolierten Seitenbandschäden jedoch nicht, um ein präoperatives Streckdefizit zu vermeiden.

Die begleitende krankengymnastische Beübung erfolgt analog der bei isolierter VKB-Ruptur. Die operative Versorgung sollte in Fällen einer begleitenden Kollateralbandruptur jedoch erst nach Abschluss der konservativen Therapie des rupturierten Seitenbands, also frühestens nach 6 Wochen beginnen.

Einen Sonderfall der Seitenbandruptur stellt der seltene knöcherne Ausriss des medialen oder lateralen Kollateralbands dar. Bei entsprechend großem knöchernem Fragment bietet sich hier eine operative Refixation mittel Schrauben, resorbierbaren Implantaten oder Zuggurtungsosteosynthese an.

Zusätzliche Schädigung des Gelenkknorpels oder subchondrales Bone Bruise

Der vollschichtige, traumatische Knorpelschaden mit akutem Ausbrechen des Knorpels ist selten. Ihm kommt nur dann initial eine therapeutische Bedeutung zu, wenn es durch ein ausgebrochenes Fragment zur Blockade des Kniegelenks kommt oder wenn es sich um frisches osteochondrales Dissektat handelt, welches eine Chance zur frühzeitigen Refixation bietet. In diesen Fällen sollte frühelektiv eine operative Versorgung stattfinden, um eine Fragmentrefixation durchzuführen. In Abhängigkeit vom Gelenkzustand und Operationszeitpunkt kann ggf. eine kombinierte VKB-Ersatzplastik unter den oben genannten Gesichtspunkten parallel durchgeführt werden. Der Fall eines osteochondralen Dissektats stellt jedoch ebenso wie der frisch zur Gelenkblockade führende Knochenschaden eine Rarität dar. Viel häufiger wird magnetresonanztomographisch eine Schädigung des subchondralen Raums beobachtet. Die Schädigung der subchondralen Lamelle (magnetresonanztomographisch als Ödematisierung im Sinne eines „Bone Bruise“ oder „Knochenödem“ dargestellt) muss unbedingt als ernsthafte Verletzung aufgefasst werden. Sie führt zu einem Verlust der zonalen Gliederung, und es kann bei einer zunehmenden Druckschädigung in diesem Bereich zu einer vollschichtigen Schädigung des Gelenkknorpels kommen, der konsekutiv einer spezifischen operativen Therapie bedarf [21, 22]. Auch wenn es sich nicht durch Studien beweisen lässt, dass eine Entlastung die Manifestation einer Knorpelschädigung im Bereich des subchondralen Ödems verhindert, ist sie aus unserer Sicht unbedingt zu empfehlen. Diese Empfehlung stimmt mit den in der Literatur publizierten Expertenmeinungen überein. Eigene Beobachtungen zeigten in vielen Fällen eine deutliche Regredienz des Ödems nach nur wenigen Wochen Entlastung.

Unabhängig von den Begleitverletzungen sollte demnach allein das Bone Bruise in der initialen Magnetresonanztomographie eine Entlastungsphase von mindestens 4 Wochen mit einem auf 15 kg reduzierten Abrollgewicht nach sich ziehen. Bei manifestem Knorpelschaden in Verbindung mit einer Verletzung des vorderen Kreuzbands gelten bezüglich der operativen Versorgung der Knorpelschädigung keine wesentlichen Besonderheiten. Sie sollte stadien- und größenadaptiert [29] sowie möglichst in auf Knorpelchirurgie spezialisierten Zentren erfolgen.

Gleichzeitiger Meniskusschaden

Einen wesentlichen Einfluss auf das zeitliche Vorgehen nach VKB-Ruptur hat das möglicherweise Vorliegen einer parallelen Meniskusverletzung. Hierbei sind grundlegend eher degenerativ bedingte Radiär- oder Horizontaleinrisse auf dem Boden einer mukoiden Degeneration von basisnahen, nahtfähigen Einrissen im Bereich der roten oder rot-weißen Meniskuszone zu unterscheiden.

Während Erstere nur bei eingeschlagenen Meniskusanteilen für das zeitliche Vorgehen bei parallel bestehender VKB-Ruptur von Bedeutung sind und hier nur bei akuter Blockade des Gelenks eine frühzeitige operative Versorgung zu empfehlen ist, haben basisnahe Meniskuseinrisse beim jüngeren Patienten einen unmittelbaren Einfluss auf das weitere Vorgehen. Sie sind potenziell Meniskus erhaltend mittels chirurgischer Naht in unterschiedlichen Techniken zu versorgen. Die Prognose einer Meniskusnaht ist dahingehend vom Operationszeitpunkt abhängig, dass die Wahrscheinlich einer guten Einheilung des abgerissenen Meniskusfragments bei Intervention zeitnah zum Unfallereignis deutlich besser ist als im Intervall. Hinsichtlich einer genauen Zeitangabe, wie lange nach einem Unfallereignis eine Meniskusnaht aussichtsreich erscheint, existieren keine zuverlässigen Daten [16, 19]. Wir empfehlen jedoch beim magnetresonanztomographischem Nachweis einer basisnahen Meniskusruptur eine frühzeitige operative Versorgung (Abb. 3, Abb. 4).

In jedem Fall sollte direkt und unmittelbar mit einer krankengymnastischen Therapie begonnen werden, um die Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern und den Reizzustand zu reduzieren, da grundsätzlich in Erwägung gezogen werden muss, die Versorgung einer parallel bestehenden VKB-Ruptur in gleicher Sitzung durchzuführen. Ein einzeitiges Vorgehen ist hierbei nicht nur für den Patienten von erhöhtem Komfort, sondern auch aus funktioneller Sicht anzustreben, da durch die Instabilität des Kniegelenks bei fehlendem VKB die Naht des Meniskus einer erhöhten biomechanischen Belastung ausgesetzt ist, umgekehrt somit eine VKB-Ersatzplastik auf die durchgeführte Meniskusnaht protektiv wirkt. Für die Durchführung des VKB-Ersatzes sollten jedoch vor dem Hintergrund des erhöhten Arthrofibroserisikos bezüglich des Zustandes des Kniegelenks keine wesentlichen Kompromisse eingegangen werden. Bei maximaler Therapie ist es jedoch durchaus realistisch, innerhalb kurzer Zeit den Zustand des verletzten Gelenks derart zu verbessern, dass eine synchrone Meniskus erhaltende Therapie in Kombination mit einer VKB-Ersatzplastik möglich ist. Sollte zum Zeitpunkt der Meniskusversorgung jedoch ein deutlicher Reizzustand des Kniegelenks bestehen, ist zur Erhöhung der Patientensicherheit weiterhin ein zweitzeitiges Vorgehen mit VKB-Ersatzplastik im Intervall bei reizfreiem Gelenk anzustreben (Abb. 5). In diesen Fällen sollte jedoch die Meniskusnaht bis zur Versorgung des vorderen Kreuzbandes mit einer Kniegelenk stabilisierenden Orthese geschützt werden.

Abb. 3
figure 3

MRT einer basisnahen Meniskusverletzung mit in die Fossa intercondylaris eingeschlagenem Korbhenkelriss am Außenmeniskus

Abb. 4
figure 4

Intraoperativer Befund bei eingeschlagenem basisnahem Meniskuseinriss mit der Notwendigkeit einer frühzeitigen operativen Intervention

Abb. 5
figure 5

Basisnaher Meniskusriss, Behandlung durch Naht; Schutz der Naht: bei reizfreiem Kniegelenk durch parallel durchgeführte VKB-Ersatzplastik, bei deutlicher Synovitis durch Tragen einer Kniegelenk stabilisierenden Orthese bis zur zweitzeitigen Versorgung der VKB-Läsion

Beteiligung des hinteren Kreuzbandes

Kombinationsverletzungen von vorderem und hinterem Kreuzband sind selten. Sie kommen meist nur im Rahmen hochenergetischer Unfallereignisse vor und stellen eine maximale schwere Verletzung des betroffenen Kniegelenks dar [38].

Neben der klinischen Untersuchung ist für die Diagnostik von Rupturen des hinteren Kreuzbands die Durchführung von gehaltenen Aufnahmen (Schubladenstressaufnahmen) essenziell, da nur diese im Gegensatz zum MRT-Befund eine suffiziente Aussage über die Funktion des hinteren Kreuzbandes erlauben [39, 40]. Noch schwieriger ist in Fällen einer HKB-Ruptur die Beurteilung des vorderen Kreuzbands. Bei der klinischen Untersuchung ist bei fehlendem Nachweis eines eindeutigen VKB-Anschlags nur mit großer Erfahrung eine hintere von einer vorderen Schublade zu unterscheiden: Arthroskopisch kommt es, wenn die Tibia intraoperativ in Rückenlage nach dorsal im Sinne einer hinteren Schublade subluxiert, zu einem Entspannen des vorderen Kreuzbands, obwohl dieses funktionell und strukturell intakt ist („floppy ACL“). Dieses Phänomen führt oft zu der fälschlichen Diagnose einer VKB-Ruptur und muss vom Operateur unbedingt erkannt werden.

Ist die Diagnose einer kombinierten Verletzung von vorderem und hinteren Kreuzband – etwa durch die Kombination aus klinischer Untersuchung, MRT und gehaltenen Aufnahmen – korrekt gestellt, steht zunächst das hintere Kreuzband bezüglich der weiteren Therapie im Vordergrund. Dessen Standardtherapie stellt zunächst die konservative Behandlung dar [50]. Hierbei ergeben sich bei zusätzlich verletztem VKB zunächst keine Therapieänderungen. In unserer Klinik werden die Patienten mit einer nichtbeweglichen Kniegelenkorthese mit dorsaler tibialer Abstützung für die Dauer von zunächst 6 Wochen versorgt. Diese Orthese verhindert eine Subluxation der Tibia in die hintere Schublade und ermöglicht so das Verheilen des hinteren Kreuzbands in korrekter Gelenkstellung. Die krankengymnastische Beübung während dieser Zeit erfolgt nur in Bauchlage, nach 6 Wochen wird der Wechsel auf eine bewegliche Kniegelenkorthese durchgeführt, ebenfalls mit dorsaler tibialer Abstützung für weitere 6 Wochen.

12 Wochen nach dem Unfallereignis wird die Stabilität erneut klinisch beurteilt und mit gehaltenen Aufnahmen objektiviert. Die Auswertung der Aufnahmen erfolgt im Seitenvergleich, die Restinstabilität wird konsekutiv in 3 Grade eingeteilt [40]. Wir empfehlen lediglich bei einer Instabilität Grad III eine operative Rekonstruktion des hinteren Kreuzbands. Bei einer Instabilität Grad II erfolgt die Belastungsprobe, berichtet der Patient über ein subjektives Instabilitätsgefühl, stellen wir bei isolierten Schädigungen des HKB auch hier die Indikation zur HKB-Ersatzplastik. Bei parallel bestehender Verletzung des VKB steht diese bis zu diesem Zeitpunkt im Hintergrund. Liegt bei guter Ausheilung des HKB unter konservativer Therapie jetzt eine eindeutige vordere Schublade in den gehaltenen Aufnahmen vor, kann bei guter Beweglichkeit die VKB-Ersatzplastik geplant werden. In jedem Fall sollte sie erst dann durchgeführt werden, wenn eine ausreichende posteriore Stabilität erzielt wurde. Bei bestehender posteriorer Instabilität des Kniegelenks zieht sonst das implantierte VKB die Tibia erneut in eine posteriore Schublade, was unbedingt zu vermeiden ist. Das gilt auch für die operative Rekonstruktion beider Bänder, wo aus gleichem Grund zunächst die HKB-, dann die VKB-Plastik durchgeführt wird. Durch den erfahrenen Operateur kann dies bei Patienten mit geringem Risikoprofil im Rahmen eines Eingriffs erfolgen [11]. (In unserer Klinik werden hierzu auf der verletzten und auf der Gegenseite die Adduktorensehnen entnommen). Im Zweifel sollte jedoch ein zweitzeitiges Vorgehen gewählt werden.

Die Nachbehandlung respektiert für den Fall einer einzeitigen Versorgung die Rekonstruktion des hinteren Kreuzbands und muss analog der konservativen Therapie hinterer Kreuzbandrupturen wie oben beschrieben durchgeführt werden. Aus unserer Sicht ist diese regressive Nachbehandlung bei Verletzungen des HKB mit/ohne parallel bestehender VKB-Ruptur eine wesentliche Voraussetzung für ein gutes Therapieergebnis.

Besonderheiten bei Jugendlichen und Kindern mit offenen Wachstumsfugen

Bei der Versorgung vorderer Kreuzbandrupturen im Jugendalter erfolgte vor dem Hintergrund der inakzetablen Ergebnisse einer konservativen Behandlung in den vergangenen Jahren ein Umdenken [2, 28]. Auch die extraanatomischen Verfahren zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands unter Schonung der Wachstumsfugen führten nicht zu optimalen Ergebnissen, sodass heute die Epiphysenfugen kreuzende VKB-Ersatzplastik mit reinen Sehnentransplantaten von den meisten Autoren und auch in unserer Klinik bevorzugt wird. Wir möchten an dieser Stelle nicht auf die operationsspezifischen Details (wie Verwendung reiner Sehnenimplantate, Epiphysenfugen schonende Transplantatverankerung, adaptierte Lage der Bohrkanäle und der Transplantatspannung) eingehen [41]. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung gelten für das zeitliche Management nach VKB-Ruptur beim Jugendlichen analoge Empfehlungen wie in diesem Artikel für das Erwachsenenalter beschrieben. Anzumerken ist, dass aus unserer Sicht bei Meniskusverletzungen die Indikation zur Refixation noch großzügiger als beim Erwachsenen zu stellen ist und eine unfallzeitpunktnahe Versorgung innerhalb der ersten Stunden u. E. nicht sinnvoll ist. Diese sollte erst am vollständig reizfreien Kniegelenk nach ausführlicher Aufklärung des Patienten und seiner Eltern im Intervall erfolgen.

Fazit

Die Therapie isolierter Verletzungen des vorderen Kreuzbands mittels VKB-Ersatzplastik sollte im Intervall nach Abschwellen bei idealerweise reizfreiem Kniegelenk mit freier Beweglichkeit erfolgen. In Ausnahmefällen halten wir auch eine unfallzeitpunktnahe Versorgung innerhalb der ersten 2 Tage nach dem Trauma für möglich. Typischerweise bestehen Begleitverletzungen. Diese haben auf den zeitlichen Ablauf wesentlichen Einfluss und müssen unbedingt Berücksichtigung finden. Nur so sind zuverlässig gute Behandlungsergebnisse auch bei schwierigen Kombinationskonstellationen zu erreichen.