Einleitung

Maßnahmen der technischen Unterstützung pflegerischer Tätigkeiten verdanken sich, mit wenigen Ausnahmen, in erster Linie externen Vorgaben der Institution: seien es Entwicklungen in der Intensivmedizin, welche der Verbesserung von Überlebensmöglichkeiten dienen; seien es elektronische Datenverarbeitungs- und Dokumentationssysteme, durch welche die Informationsflüsse beschleunigt und die Arbeitsorganisation rationalisiert werden sollen. Die Einflüsse elektronischer Pflegeberichte und Übergabesysteme auf Organisation und Umfang klinischer Arbeit, vor allem Patienten-Pflege-Beziehungen, sind indessen unklar (de Ruiter et al. 2016; siehe auch Flemming 2015). Wir belassen es bei diesen Beispielen.

Die gegenwärtig stärksten Triebkräfte für die Technikentwicklung in der pflegerischen Gesundheitsversorgung manifestieren sich in zwei extrem auseinanderweisenden Trends: einem demografisch wachsenden Anteil älterer, mit zunehmenden Lebensjahren häufig pflege- und behandlungsbedürftiger Menschen steht ein demografisch sich ebenso zuspitzender Mangel an Pflegefachkräften entgegen. Erklärtes strategisches Ziel der High-Tech-Initiative der Bundesregierung ebenso wie der Europäischen Kommission ist es, durch technologische Innovationen die sich ausweitenden gesundheitlichen Versorgungsengpässe zu kompensieren.

Dabei lässt sich die Frage, inwieweit durch Einführung moderner Technologien in pflegerischen Arbeitsfeldern die Attraktivität des Berufs gesteigert und damit der prognostizierte Fachkräftemangel verringert werden kann, für sich überhaupt nicht beantworten. Gewiss gibt es Hinweise dafür, dass die Höhe des professionellen Status abhängt sowohl vom jeweiligen klinischen Setting als auch vom Grad der Komplexität eingesetzter Gesundheitstechnologien und der dabei unterstellten Wissenschaftlichkeit der Arbeit (Almeida Vieira Monteiro 2016). Unter diesen strukturellen Bedingungen bewegen sich Pflegefachkräfte in einem, so könnte man sagen, multiparadigmatischen Beziehungsgeflecht mit verschiedenen Perspektiven und Gegenstandsbezügen ihrer Arbeit, die nicht selten als fremdbestimmt erlebt werden und zu einer als belastend empfundenen Spaltung ihrer beruflichen Identität führen. Dass technische Umwelten und Interventionen unverzichtbare Voraussetzungen auch einer humanen Pflege sind, ist unbestreitbar. Freilich stellt sich die Frage, wie ein sich ausweitendes heterogenes Ensemble von Biotechnologien, Robotik sowie Informations- und Kommunikationstechnologien in pflegerische Arbeitsprozesse integriert werden kann und welche Folgen das für alle Beteiligten hat. Pflegefachpersonen sehen sich mit neuen Rollen konfrontiert, bspw. der Mediation verschiedener Erfahrungswelten. Es gilt, fortwährend „Gräben“ zwischen fortgeschrittenen Technologien auf der einen und menschlich zu gestaltenden pflegerischen und therapeutischen Umwelten auf der anderen Seite zu überbrücken. Etwas anders verhält es sich beim Einsatz von Emotions- oder Therapierobotern, welche möglicherweise Beziehungen zu Personen in den Hintergrund treten lassen oder auch die Gefahr einer Substitution persönlich zu leistender Pflege bergen (Almeida Vieira Monteiro 2016, S. 21).

Von Interesse sind möglicherweise technisch induzierte Fragmentierungen beruflicher Arbeit. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sie als ein Trend jener „Kolonialisierung der Lebenswelt“ (Habermas 1981, Bd. 2, S. 489 ff.) verstanden werden können, welche inzwischen auch Bereiche professioneller Pflege erfasst, die auf Kontinuität und Stabilität persönlicher, sinnhafter Beziehungen essentiell angewiesen sind. In der wissenschaftlichen Diskussion wird in diesem Zusammenhang von einer Fragmentierung der Person gesprochen. Trifft es zu, dass bspw. durch den Einsatz neuester Datenverarbeitungssysteme mit automatisierten Klassifikationen diagnostischer Fälle zu statistischen Zwecken authentische Eindrücke der diagnostizierenden Pflegeperson keine Berücksichtigung mehr fänden? Würde dabei die individuelle Komplexität des Einzelfalls aus dem Blick geraten? Würden damit zugleich Trends einer „tayloristisch“ strukturierten Arbeitsorganisation verstärkt (Almeida Vieira Monteiro 2016, S. 23).

Im Folgenden sollen zunächst unter fachlich dominierenden Gesichtspunkten die pflegewissenschaftliche Diskussion neuerer Technikentwicklungen im Berufsfeld Pflege und die damit verbundenen Einschätzungen möglicher Folgen sowohl für professionelle Akteure als auch für betroffene Patienten und PatientinnenFootnote 1 bzw. hilfebedürftige Menschen in der gebotenen Breite rekonstruiert werden. Auch wenn die empirische Studienlage erweiterungsbedürftig ist (ohnehin ein Agens wissenschaftlichen Fortschritts), so schließt sie eine Erörterung damit zusammenhängender ethischer Fragen im Hinblick auf mögliche Folgen nicht aus.

Bei der abschließenden ethischen Bewertung der gegenwärtigen Technikentwicklung gehen wir zum einen von der normativen Prämisse aus, dass durch den Einsatz von Technologien Autonomie-Ansprüche sowie Integritätsinteressen der Person nicht verletzt werden dürfen. Im Anschluss bspw. an eine Ethics of Care werden sich zum anderen quasi-teleologische Ansprüche an die Technik-Gestaltung erheben lassen bspw. im Sinne der Befähigung zur Aufrechterhaltung eines Lebens in sozialen Gemeinschaften (Partizipation), aber auch der psychophysischen Entlastung aller am Versorgungsgeschehen Beteiligten. Ungeachtet des im Schlussteil vorgenommenen Versuchs einer ethischen Gesamtbeurteilung werden wir im Zuge unserer vorgängigen Rekonstruktion des Technikentwicklungs- und Diskussionstandes die jeweils impliziten ethischen Probleme benennen.

Theoretische Einordnung: der pflegewissenschaftliche Diskurs

Einige Charakteristika pflegerischen Handelns

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich zwei große, miteinander verzahnte Modernisierungsschübe rasant durch: eine Verwissenschaftlichung und Technisierung des Medizin- und, mit Verzögerungen, des Pflegesystems, mit denen nicht allein die Krankenbehandlung verbessert, sondern durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitungssysteme klinische Arbeitsabläufe rationalisiert und damit kostenökonomische Einspareffekten erzielt werden sollten. Diese Trends sind hochgradig durch Formalisierungs- und Standardisierungsprozesse charakterisiert. Dabei prallen aber zwei inkommensurable Logiken aufeinander: Während professionelle Beziehungen in der Pflege, teilweise auch in der hausärztlichen Medizin, einer eigensinnigen, in die soziale Lebenswelt von Personen verflochtenen Logik gehorchen, folgen technologische Programme in hohem Maße den Logiken von Ökonomie und planender Verwaltung (Remmers 2015; Glaser et al. 2008).Footnote 2 Durch Einsatz moderner Technologien können auf instrumenteller Ebene wachsende Erfolge medizinischer und zumeist nachgeordneter pflegerischer Eingriffe und ein damit verbundener Zuwachs vitaler Sicherheit erzielt werden. Nicht übersehen werden dürfen dabei aber auch technisch induzierte Entfremdungsphänomene (z. B. Verlust der persönlichen, körperlich-leiblichen Nähe zum Patienten) und damit zusammenhängende Deprofessionalisierungstendenzen, welche Widerstände erzeugen (Darbyshire 2004; Wakefield et al. 2004; Remmers und Hülsken-Giesler 2011).

Die sich im Berufsfeld Pflege häufig bekundenden Vorbehalte gegen technische Modernisierungen scheinen mit der Logik technischer Konstruktionen zuinnerst zusammenzuhängen. Denn das Ideal von Technik, so die Erläuterung Grunwalds (2013), ihr funktionelles Apriori, beruht darauf, Apparate so zu konstruieren und zu programmieren, dass sie situationsinvariant funktionieren. Technizität heißt: präzise Reproduzierbarkeit identischer Ergebnisse durch optimale Regelhaftigkeit technischer Verfahren. Dieses Ideal kann aber nur erfüllt werden unter der Voraussetzung möglichst großer Kontextunabhängigkeit. Programmgemäßes Funktionieren setzt insofern voraus, dass von situativen Besonderheiten abstrahiert wird. Diese Prämissen könnten indessen mit weiteren Entwicklungen künstlicher Intelligenz obsolet werden.

Problematisch erscheint es zunächst, wenn jenes technische Ideal auf Handlungszusammenhänge der sozialen Lebenswelt übertragen wird. Erzeugt wird damit die Erwartung, dass sich durch technische Schematisierung von Verfahren bzw. durch Berechenbarkeit maschineller Funktionsabläufe quasi soziale Verlässlichkeit stiften ließe. Einem technischen Programm gemäß gesteuerte Verfahren und Abläufe scheinen geeignet zu sein, soziale Akteure vom Improvisationsaufwand ständig neuer Situationsdefinitionen und von ständig neuen Begründungen von Handlungsentscheidungen zu entlasten.

Dabei sollte aber auch die Kehrseite beachtet werden: Der technischen Logik situationsinvarianter Reproduzierbarkeit von Ergebnissen zufolge können Ansprüche auf Freiheit und Individualität von Handlungsentscheidungen letztlich nicht mehr erhoben werden (Grunwald 2013). Die vielfach zu beobachtende Skepsis von Pflegekräften gegenüber einer fortwährenden Technifizierung beruflicher Tätigkeiten scheint sich einer sicheren Intuition zu verdanken. Vermutet wird, dass sich technische Artefakte oder Verfahren, die gemäß dem Prinzip situationsinvarianter Regelhaftigkeit funktionieren, professionellen, gemäß Prinzipien der Individualisierung und Kontextualisierung strukturierten Handlungszusammenhängen nur bedingt integrieren lassen (Remmers 2018, S. 168). Denn für die Pflege als Profession ebenso wie für andere personenbezogene Dienstleistungsberufe (einschließlich ärztlicher Tätigkeiten) ist das Prinzip der Individualisierung in Diagnostik und Therapie ein fachlich unhintergehbarer sowie ethisch unverrückbarer Maßstab.

Freilich könnte dieses der Technik zugeschriebene Prinzip situationsinvarianten Funktionierens mit der Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz, wie bereits angedeutet, seine Gültigkeit verlieren. Denn mit der Schaffung tiefer neuronaler Netzwerke als Basis maschinellen Lernens entsteht die Möglichkeit, aus großen Datenmengen diejenigen Variablen zu identifizieren und zu gewichten im Hinblick darauf, bestimmte, letztlich persönlich definierte Ziele zu erreichen. In Kauf zu nehmen wäre dabei allerdings, dass sich Resultate neueren maschinellen Lernens menschlicher Verstehbarkeit entziehen. Die Tatsache menschlicher Nicht-Nachvollziehbarkeit würde dem Vertrauen in Computer gestützte Diagnose- und Therapieprogramme Grenzen setzen.

Wodurch ist nun Pflege als spezifische Dienstleistung charakterisiert? Adressaten von Pflege sind Menschen, die durch Erkrankungen oder Beeinträchtigungen Hilfe bedürfen. Selbst im Kontext der Hochleistungsmedizin sind diese Hilfen stets in eine soziale Lebenswelt dieser Menschen eingebettet. Dies besagt, dass im Falle bspw. krisenhaft zugespitzter Leidenszustände Bedürfnisse nach Sicherheit und Bewältigung von Stress im Vordergrund stehen. Da Pflege eine an den Grundbedürfnissen hilfebedürftiger Menschen ansetzende Beziehungsarbeit darstellt, hat sie neben wissenschaftlich-fachlichen auch emotionalen Anforderungen zu genügen (Strauss et al. 1980). Beziehungsarbeit vollzieht sich im psychophysischen Medium leiblicher Gegenseitigkeit. Insofern birgt sie Risiken einer Diffusität beruflicher Rollen ohne Schutz vor grenzenloser Verausgabung mit unweigerlich eintretendem Burnout.

Bedeutsam ist ein weiteres, organisationsförmiges Charakteristikum von Pflege als Beziehungsarbeit: ausgerichtet auf natürliche, zyklisch wiederkehrende, jedoch situativ variierende Grundbedürfnisse anbefohlener Personen, ist Pflege zeitlich nur eingeschränkt planbar und kontrollierbar (Weishaupt 2006; Dunkel und Weihrich 2010). Eingeschränkt ist häufig auch das Erfolgserleben bei therapeutischer Aussichtslosigkeit, Siechtum, Verfall (Belan und Schiller 2016).

Es ist vor allem der zyklische Charakter von Pflege als Beziehungsarbeit, der einen eher niedrigen Rang in der Statushierarchie therapeutischer Berufe mit sich bringt. Wirksamkeitsprüfungen pflegerischer Maßnahmen sind schwierig. Angesichts der Komplexität und Diffusität pflegerischer Handlungen lassen sich auslösende Faktoren von Interventionen kaum messbar isolieren. Auch das im praktischen Umgang mit Hilfebedürftigen erworbene Wissen stellt eine hochwertige, jedoch wissenschaftlich nur durch methodisch anspruchsvolle Verfahren analytisch anschlussfähige Wissensform dar. Dieser Aspekt wird uns später noch weiter beschäftigen.

Angesichts starker psychophysischer Belastungen gilt der Einsatz arbeitserleichternder maschineller Unterstützungstechnologien nicht nur als willkommen, er kann auch unter ethischen Gesichtspunkten als ein Gebot verstanden werden. Allerdings stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht und in welchem Ausmaße Beziehungsarbeit durch Roboter als „freundliche Companions“ ersetzt werden kann und darf. Bei der ethischen Einschätzung und Bewertung sollten drei Charakteristika besondere Beachtung finden: die zyklische Organisationsform pflegerischer Arbeit, der affektuelle Anteil der Tätigkeit und, da Pflege ein Berührungsberuf ist, das auch therapeutisch relevante Charakteristikum einer „leiblichen Responsivität“ pflegerischer Handlungen (Waldenfels 1994). Zu den professionellen Kernkompetenzen Pflegender gehören multisensorische Wahrnehmungsfähigkeiten, die beim Einsatz technischer Assistenzsysteme zu berücksichtigen sind. Sollen sie entfaltet, verstärkt oder substituiert werden (vgl. Oleson 2006)? Dies wäre eine ethisch ebenso bedeutsame Frage, wie wir sehen werden. Nicht zufällig zeigen empirisch gehaltvolle Studien, dass professionelle Pflegekräfte im Bewusstsein originärer Aufgaben und Fähigkeiten dem Einsatz bspw. von Überwachungstechnologien mit ambivalenten Einstellungen begegnen (Pols 2012).

Stand des Technik-Diskurses in der Pflegewissenschaft

Neueste technische Innovationen in der professionellen Pflege

Seit den 1990er Jahren haben sich die Technifizierungsschübe in der akutstationären und mit Verzögerung auch in der Langzeitpflege erheblich verstärkt (vgl. im Folgenden u. a. Hülsken-Giesler 2016; Becker et al. 2013; BMG 2013). Zu den jüngsten Entwicklungen gehören ambulante medizinisch-pflegerische Dienstleistungsangebote auf der Basis von Telenursing, damit teilweise gekoppelt die Einrichtung altersgerechter, sensorgestützter Assistenzsysteme vor allem im häuslichen Lebensbereich älterer, ggf. pflegebedürftiger Menschen, welche der Sicherheit in Notfällen, Kommunikation, Mobilität, Erinnerung, Ernährung etc. dienen und Ortungssysteme einschließen; ferner die Entwicklung von multifunktionalen robotischen Assistenten in häuslicher oder stationärer Versorgungssituation und von Therapierobotern zur kognitiven und emotionalen Aktivierung, aber auch zur Intimpflege oder zu rehabilitativen Zwecken. Für das Pflegepersonal werden verstärkt robotische Systeme zur Verringerung physischer und psychischer Arbeitsbelastungen geschaffen, aber auch Informations- und Kommunikationstechnologien weiterentwickelt, die zu einer Verbesserung der Datenverwaltung, der interprofessionellen Kommunikation, der Arbeitsorganisation und Personalsteuerung sowie des Informationsflusses zwischen Pflegeeinrichtungen und relevanten Kostenträgern führen sollen. Mit all diesen Entwicklungen sind Vorteile wie beispielsweise physische und kognitive Entlastungen des Pflegepersonals verbunden, aber auch Risiken wie beispielsweise Verluste eines erfahrungsgesättigten Urteilsvermögens und einer sich unter anderem darauf stützenden Beziehungsarbeit. Dabei lautet die hier vertretene Auffassung, dass „Nutzen- und Schadenspotenziale“ (Marckmann 2016, S. 95) aufgrund bestimmter, nicht zu unterlaufender normativer Anforderungen an ethische Aushandlungsprozesse nicht in einer symmetrischen Bilanzierung abgewogen und verrechnet werden können (Misselhorn 2018, S. 135–155).

Zwei Kulturen der Pflege: Instrumentalität vs. Emotionalität

Spätestens mit dem – gelegentlich unreflektierten – Einsatz humanoider Roboter (z. B. als companion) in der Pflege schien es notwendig zu werden, sich über originär pflegerische Aufgaben im Klaren zu werden. Als Ergebnis einer typologischen Analyse haben Metzler et al. (2015) den Vorschlag unterbreitet, zwei in ihren Augen idealtypisch klassifizierbare, aber inkommensurable Aufgaben der Pflege zu unterscheiden. Dabei handelt es sich zum einen um eher instrumentell zugeschnittene repetitive Aufgaben, die beispielsweise in den Bereich der körperbezogenen Grundpflege fallen. Davon abzugrenzen wären zum anderen stärker empathisch ausgerichtete, am psychophysischen Empfindungsvermögen von Patienten orientierte pflegerische Aufgaben, welche vorstehend (siehe oben den Abschnitt: Einige Charakteristika pflegerischen Handelns) als Balance- bzw. Bewältigungsaufgaben charakterisiert wurden. Dieser Unterscheidung zufolge könnten in einem stärker instrumentellen Zuschnitt körperlicher Assistenz erfolgende Pflegehandlungen durch den Einsatz technischer Artefakte unterstützt bzw. ersetzt werden (robotische Systeme, die bspw. vielfach mit Scham assoziierte Tätigkeiten aus dem Umkreis körperlicher Hygiene übernehmen). Freilich sind ethisch relevante Bedenken dann zu erheben, wenn technische Substitution den Persönlichkeitsanteil pflegerischer Tätigkeiten mitumfasst; das heißt, wenn dabei die Sphäre emotionalen Empfindens und Ausdrucksvermögens vernachlässigt oder Einbußen erleiden würde (Metzler et al. 2015). Bereits solche Bedenken zeigen, dass lediglich in einer idealtypischen Abstraktion von zwei Kulturen in der Pflege gesprochen werden kann. Dagegen zeigen empirische Untersuchungen bspw. von Turkle (2011), dass sogenannte human-robot interactions zwar auf rein behavioraler Ebene bis zu einer bestimmten Grenze zwischenmenschlichem Handeln gleichen, der entscheidende Unterschied jedoch darin besteht, dass bei diesem Interaktionsmodus die Dimension subjektiven Erlebens als Grund der Responsivität und erst dadurch möglicher authentischer Beziehungen nicht zum Tragen kommen kann.Footnote 3 Die Sinnhaftigkeit und Akzeptanz des Einsatzes maschineller Unterstützungssysteme lässt sich daher zureichend nur kontextuell beurteilen.

Es scheint weitgehend Einigkeit darin zu bestehen, dass Maschinen Pflegepersonen nicht ersetzen können. Die Typologie zweier Kulturen sollte daher nicht zu polarisierenden Sichtweisen führen, die, wie gezeigt, sachlich unangemessen sind und zur Aufrichtung innerpsychischer Abwehr beitragen (Sandelowski 1991). Auch werden Bedenken zerstreut, dass der Einsatz etwa robotischer Systeme im Umkreis instrumenteller Unterstützung Health Professionals zwangsläufig in Cyborgs, in menschliche Maschinen, verwandeln werde. Eher sollte gemäß Whelton (2016) davon ausgegangen werden, dass bspw. Pflegeexpertinnen und -experten eine Art „harmonische“ Zwischenstellung einnehmen werden zwischen den Anforderungen neuer Technologien einerseits und den Bedürfnissen und Belangen von Patienten andererseits. In diesem Sinne haben bereits Almerud et al. (2008, S. 60) folgende, die ethische Debatte entspannende Auffassung vertreten: „It is a question of balancing state-of-the-art technology with integrative and comprehensive care, of harmonizing the demands of subjectivity with objective signs.“

Mensch-Technik-Interaktion

Im Umkreis rein instrumenteller Aufgabenzuschnitte wird, wie wir sahen, der Einsatz von Pflegerobotern begrenzt als akzeptabel betrachtet. Eine genaue Betrachtung der human-robot interaction wirft allerdings Fragen auf, inwieweit dabei von einer symmetrischen Beziehung gesprochen werden könne (Metzler und Barnes 2014). Symmetriebedingungen wären erst bei einer Vergleichbarkeit robotischer und menschlicher Eigenschaften auf behavioralem, kognitivem und affektivem Niveau gegeben. Damit zusammenhängend stellt sich für Metzler und Barnes (2014, S. 12) eine das menschliche Selbstverständnis berührende Frage – eine Frage also der Selbstachtung, inwieweit sich Menschen in der Interaktion mit Robotern in ihrem Personsein gespiegelt, wiedererkannt fühlen. Gemeint ist damit ebenso jene bereits genannte Responsivität. Dies ist letztlich eine grundlagentheoretisch zu beantwortende Frage der anthropologischen Verfasstheit des Menschen, der auf höherer Ebene seines Selbstverständnisses sich entfaltenden Eigenschaften, denen schließlich in einer auch philosophischFootnote 4 informierten Mensch-Technik-Interaktionsforschung größere Beachtung geschenkt werden sollte.

Der im Kontext vor allem der angloamerikanischen Pflegewissenschaft angesiedelte techniktheoretische Diskurs zeichnet sich durch skeptische Zurückhaltung wie auch dezidiert kritische Bedenken aus. Besorgnisse bestehen, dass sich durch kontinuierliche Interaktion mit sogenannten „relationalen Artefakten“ nicht allein Veränderungen des menschlichen Selbstverständnisses einstellen werden, sondern sich auch kulturell verankerte Traditionen von Care bzw. Caring als Sorgehandeln wandeln (Metzler und Barnes 2014). Ein rein instrumentelles Verständnis von Technik und ihrer neutralen Nützlichkeit greife deswegen zu kurz, weil in besonders dichten Mensch-Technik-Interaktionen Gefahren einer technischen Instrumentalisierbarkeit des Nutzers angelegt sind (Almerud et al. 2008). Dafür sprechen zum Beispiel technisch hochentwickelte Bereiche etwa der Intensivmedizin und Intensivpflege, in denen sich menschliche Aufmerksamkeit weniger auf den apparativ dicht umstellten Patienten, als vielmehr magisch auf eine Vielzahl maschinell produzierter und angezeigter Daten richtet (Almerud et al. 2008). Je mehr Technik durch intensive kontinuierliche Interaktion gleichsam mit Leben amalgamiert wird, desto mehr umweht sie ein Schleier des Mystischen, kraft dessen sie sich verselbständigt.

Die häufig auch von pflegewissenschaftlichen Autorinnen verwendete Metapher der „Janus-Köpfigkeit“ von Technik; die immer auch etwas beschwichtigenden, um Ausgewogenheit bemühten Hinweise darauf, dass das, was wir als wohltuend und hilfreich empfänden, nicht zugleich gut für uns sein müsse; das Insistieren darauf, dass es letztlich auf den Umgang mit Technik ankäme (Almerud et al. 2008) – für alle hier artikulierten Ambivalenzen konnten bislang, ausgenommen wenige differenzierte Untersuchungen und dezidierten Stellungnahmen etwa von Barnard (2016), keine wirklich zufriedenstellenden Lösungsvorschläge unterbreitet werden. Auch überrascht, dass hierzu thematisch einschlägige psychologische Untersuchungen etwa zu Mensch-Technik-Interaktionen (z. B. Robert 2018) nur spärlich oder gar nicht Beachtung gefunden haben. Gewiss lässt sich unter dem Einsatz lebenserhaltender Apparate in der Intensivmedizin und -pflege von einer Art „Verschmelzung“ von Patient und Maschine sprechen. Unklar ist indessen, ob dies ebenso für den Einsatz von Therapie- bzw. Emotionsrobotern gilt (Almerud et al. 2008). Psychologisch solide Studien gibt es inzwischen zum Einsatz prominenter Trackingsysteme bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen (Shoval et al. 2008).

Zu sogenannten socially assistive robots gibt es nur wenige und dazu methodisch teils fragwürdige Untersuchungen. Zwar berichten einige Studien über positive psychosoziale und physiologische Effekte von Therapie- oder Emotionsrobotern (companion robots), wobei deren methodische Qualität und wissenschaftlicher Evidenzgrad eher begrenzt ist (Baisch et al. 2018; Klein et al. 2016; Bemelmans et al. 2012). Die immer wiederkehrende Frage lautet, inwieweit die gemessenen Effekte des Einsatzes von Emotionsrobotern etwas über die Qualität der Mensch-Maschine-Interaktion aussagen und inwieweit das Interaktionsgeschehen positiv, z. B. als hilfreich und stabilisierend bewertet wird. Von besonderer Bedeutung dürften dabei Effekte von Emotionsrobotern sein, die über moderne Lernalgorithmen verfügen (Decker 2010, S. 51), deren Einsatz jedoch insbesondere bei dementiell Erkrankten wegen möglicherweise falscher Deutungen eines situativen Verhaltensangebots bzw. einer situativen Problemlage sehr sorgfältig zu prüfen ist. Noch vor zehn Jahren lagen international keine randomisierten kontrollierten Studien zu sozialen Assistenztechnologien vor. Unklar ist freilich, mithilfe welcher Forschungsmethoden welche überzeugenden Effekte solide nachgewiesen werden können. In Zukunft werden daher auf spezifische Merkmale sensitiv zugeschnittene Methoden zu entwickeln sein. Und es werden vor allem vom Umfang der einbezogenen Studienpopulation her weitaus robustere Untersuchungen vorzunehmen sein (Broekens et al. 2009). Empirische Evidenz zu den Auswirkungen moderner Technologien in der Interaktion mit pflegebedürftigen, teilweise sehr vulnerablen Menschen ist aber nur eines von mehreren Beurteilungskriterien im Rahmen ethischer Untersuchungen. In deontologischen Begründungszusammenhängen dessen, was zulässig oder gesollt ist, können empirische Evidenzen für sich keinen normativen Geltungsanspruch erheben. Andernfalls bestünde der Einwand naturalistischer Fehlschlüsse zu Recht.

Wahrnehmung und Beobachtung

Zu den Kernkompetenzen von Pflegefachkräften gehören geschulte sensorische Fähigkeiten der Wahrnehmung und Beobachtung. Sie sind die Grundlage für rasche und sichere Interventionen. Dies gilt auch und besonders für den Bereich der Intensivmedizin und -pflege, in dem die Folgen zunehmender Technisierung beruflichen Handelns bspw. durch Einschaltung lebenserhaltender Maschinen besonders hervorstechen. Dadurch werden jene Fähigkeiten elementar beeinflusst und gelenkt. Die Aufmerksamkeit richtet sich zunehmend auf die Datenproduktion und Signalfunktion jener Maschinen, durch welche sich nicht nur für das Individuum das Verhältnis des Sichtbaren und Unsichtbaren, des Hörbaren und Nichthörbaren von Grund auf wandelt, sondern auch das Relevanz- und Bewertungssystem des eigenen Lebens. Patienten treten in ihrer unsichtbaren Lebendigkeit zunehmend zurück hinter einem im Vordergrund stehenden Arrangement von Apparaten, welche permanente Aufmerksamkeit verlangen. Pflegefachkräfte berichten, sich durch zwischengeschaltete Maschinen gleichsam technisch „belagert“ und absorbiert zu fühlen (Almerud et al. 2008). Sie erleben moderne Technik und Maschinen genau als das, was Hegel (1970, S. 145–155) in seiner „Phänomenologie des Geistes“ als neue, versachlichte Formen der Herrschaft begrifflich entfaltet hat. Freilich kehrt sich das in älteren Technikphilosophien (vgl. Gehlen 1975 [1956]) konservierte Bild von Technik als „Organverlängerung“ insofern um, als sich Pflegekräfte nunmehr als verlängerte Arme (extensions) von Maschinen empfinden (Almerud et al. 2008).

Und mit weiteren Paradoxien ist der Einsatz maschineller Überlebenstechnologien in der Intensivpflege verbunden: Die maschinelle Umgebung erzeugt Lärm, welcher Patienten einerseits zum Schweigen, zur Stille verurteilt. Andererseits sind rhythmisch wiederkehrender Signalgeräusche geeignet, wachen Patienten ein Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit zu geben.

Anders wiederum verhält es sich mit Kernkompetenzen der Wahrnehmung und Beobachtung angesichts eines raschen Einzugs neuer Dokumentationsinstrumente wie bspw. EHR (electronic health record). Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen nicht mehr individuell anschauliche Entwicklungen und persönliche Belange von Patienten, sondern die Konfiguration und Weitergabe von Daten an eigens dafür vorgesehene Pools, und zwar in Abhängigkeit von institutionellen Prioritäten (Budgetierung, Risiko-Management, Qualitätssicherung) und nach Maßgabe politischer Vorgaben wie bspw. der Akkreditierung einer Einrichtung (de Ruiter et al. 2016). Letztlich führt die Einführung von EHR dazu, dass sich persönliche Besonderheiten und Bedürfnisse lediglich durch Abgleich mit statistischen Pools verifizieren lassen.

Nimmt man auf dieser analytischen Ebene eine Zwischenbilanz vor, so scheint es auf den ersten Blick möglich zu sein, durch Digitalisierung jene auf basaler Ebene menschlichen Sinnesvermögens ausgebildeten Fähigkeiten der Wahrnehmung durch technische Artefakte zu ersetzen. Näher betrachtet bleiben jedoch neue Dokumentations- und Datenverarbeitungsinstrumente auf verfeinerte interpretatorische und diagnostische Kunstfertigkeiten angewiesen, deren Genese letztlich im Kontext klinischer, dabei stets lebensweltlich konstituierter Erfahrungszusammenhänge verankert ist (Almerud et al. 2008).

Körpererleben

Ein weiteres, unter anderem von de Ruiter et al. (2016) thematisiertes Problem besteht darin, inwieweit durch den Einsatz autonomer Informationsverarbeitungssysteme körperliches Selbst- und Fremderleben verändert wird (Nagel und Remmers 2012). Folgen einer permanenten Detektion biometrischer Daten bspw. durch Trackingsysteme können Gefühle eines körperlichen Kontrollverlustes sein, die sich auch in Phänomenen einer Depersonalisierung manifestieren. Demgegenüber erleben Pflegefachkräfte häufig moderne Informationstechnologien als Unterstützung eines „besseren“ Niveaus der Datenerhebung. Dieses die körperliche Distanz und Fremdheit eher positiv unterstreichende Erfahrungsurteil bestätigt die bereits von Metzler und Barnes (2014) erhobenen Bedenken, dass Menschen ihr Verhalten durch den Umgang mit künstlicher Intelligenz verändern.

Nun können Verhaltensveränderungen möglicherweise auch das Resultat eines durch Einschaltung moderner Technologien erzeugten Wandels in den Selbstverhältnissen menschlicher Körper (body) sein. Wandlungen zeigen sich bspw. darin, dass der Körper als etwas Zwiespältiges erlebt wird: als Natürliches und Künstliches zugleich. Zu verzeichnen sind zum einen Tendenzen einer zunehmenden Vermessung des Körpers und seiner lebendigen Funktionen (Selke 2014). Der lebendige Körper wird damit verstärkt zu einem digitalen Artefakt. Er verwandelt sich nicht nur in einen prothetischen, sondern auch in einen hybriden Körper. Zu verzeichnen sind im Berufsfeld Pflege zum anderen Tendenzen, eingesetzte Maschinen selbst als eine Art „zweite“ Klasse von „Klienten“ mit besonderen Fürsorgeansprüchen zu betrachten (Almeida Vieira Monteiro 2016).

Trotz unbestreitbaren Nutzens digitaler Technologien ist damit zu rechnen, dass Ambiguitäten im Erleben von Pflegekräften, das heißt in ihrem leiblichen und emotionalen Verhältnis zu Patienten, verstärkt werden (Barnard 2016). Zu befürchten steht, dass Care unter wachsenden technologischen Einflüssen eine kulturelle Aufspaltung (siehe oben) einerseits in vorrangig technisch zu bewältigende Anforderungen und andererseits in einen Bereich erleben wird, in dem das lebensgeschichtlich erworbene, buchstäblich „einverleibte“ und als solches technisch nicht abbildbare berufliche Erfahrungswissen eine tragende Rolle spielt. Mit der wachsenden Technizität beruflichen Handelns dehnt sich zugleich der überkommene, für das Medizinsystem bislang maßgebende Cartesianismus als Grundlage des Maschinenmodells aus: Das Technische überlagert die leibliche Dimension personaler beruflicher Erfahrung.

Bereits Watson (1988) hatte bezweifelt, dass sich das der neuzeitlichen Naturwissenschaft zugrundeliegende Maschinenmodell auf Bereiche von Care übertragen lasse, in denen zwischenmenschliches Handeln von Personen konstitutiv ist. In ihren Augen war ja gerade die Krise der modernen Medizin durch einen Mangel an bedeutungsvollen Perspektiven auf das Wesen von Menschen und ihre Menschlichkeit charakterisiert. Im Anschluss daran geben Turkle (2011) und Hefner (2003) kritisch zu Bedenken, dass der gestalterische Einfluss von Maschinen auf menschliche Interaktion nicht unterschätzt werden dürfe (vgl. auch Metzler und Barnes 2014). Bezogen auf Care-Handlungen empfiehlt daher auch Barnard (2016) eine gewisse Distanzierung gegenüber technischen Ansprüchen.

Personalität und Authentizität

In der gegenwärtigen Diskussion bemessen sich Fragen eines akzeptablen Einsatzes humanoider Roboter, bspw. Therapie- oder Emotionsroboter als echte Begleiter (companions), auch daran, inwieweit sie authentische Beziehungen herstellen können (Metzler et al. 2015; Remmers 2016). Auf rein behavioraler Ebene stellt sich die Frage, ob sie in der Lage sind, menschliches Verhalten nicht nur nachzuahmen, sondern darauf auch selbstständig zu reagieren. Für diesen Fall kämen ihnen substituierende Funktionen zu; sie würden den Schein einer tatsächlichen Präsenz von Pflegepersonen erzeugen. Aus einer Außenperspektive betrachtet stellt das Verhalten von Robotern (insbesondere Emotionsrobotern) allerdings eine Irreführung dar, die mit erheblichen psychologischen und ethischen Problemen verbunden ist.

Als echter companion müsste der Roboter ein einem Subjekt vergleichbares Empfindungs- und Empathievermögen besitzen. Dies ist beim gegenwärtigen Entwicklungsstand auszuschließen. Gleichwohl gaben Sparrow und Sparrow bereits 2006 zu Bedenken, dass für die Zukunft eine Befähigung von Robotern zum Ausdruck authentischer Gefühle und nicht nur ihre Imitation nicht ausgeschlossen werden könne. Ihre Schlussfolgerung lautet: „If robots do become capable of experiencing and expressing these emotions and participating in these social relations then there would presumably be nothing wrong with substituting relationships with robots for human relationships“ (Sparrow und Sparrow 2006, S. 154).

Nun könnte aus einer deontologischen Perspektive der Ethik der Einwand erhoben werden, es sei verwerflich, durch Roboter menschliche Zuwendung ersetzen zu wollen, weil ihnen echte menschliche Fähigkeiten fehlen. Auch ein moralischer Status könne humanoiden Robotern nicht zuerkannt werden (Metzler et al. 2015, S. 38). Algorithmisch automatisiertes Verhalten schließt Authentizität aus. Auch sind, wie bereits Davies (2007) mutmaßt, bei fälschlicher Wahrnehmung oder Zuschreibung von Personalität bei Robotern Tendenzen einer Depersonalisierung zu befürchten. Metzler et al. (2015) empfehlen daher den Einsatz von Robotern auf rein instrumentelle Aufgaben wie z. B. Sturz-Detektion zu beschränken. Ginge man jedoch ernsthaft von einer Substituierbarkeit menschlicher Pflege durch technische Assistenten aus, so würden damit zugleich konzeptionell „posthumanistische Dimensionen“ des Personseins, des Geistes und Bewusstseins als Rechtfertigungsgrundlage dienen (Almeida Vieira Monteiro 2016; Metzler und Barnes 2014; zum Post- bzw. Transhumanismus vgl. insbes. Coenen 2009).

Epistemologische Kluft des Wissens

Nicht nur durch Wissenschaft als Erfahrung zweiter Hand, sondern ebenso durch praktische Erfahrungen erworbene Wissensbestände werden mit Einführung neuer Biotechnologien sowie Assistenzsysteme paradigmatische Veränderungen erleben (Almeida Vieira Monteiro 2016, S. 22). Das wissenschaftliche Selbstverständnis des Berufs wird sich wandeln, vertraute Wege des Wissenserwerbs werden sich verändern, insofern originäres Pflegewissen in wachsendem Maße an den Schnittstellen zu modernen Informationstechnologien erworben und zugleich rekonfiguriert wird. Damit wächst zugleich eine Kluft zwischen körpernahem Wissen (body care) einerseits und Vorstellungen des menschlichen Körpers als Cyborg body andererseits, das heißt eines menschlichen Körpers als Mischwesen organischer und künstlicher Bestandteile. Inwieweit eine auch von Spreen (2010) empfohlene Unterscheidung zwischen einer technischen und medialen Durchdringung der Lebenswelt beispielsweise mit neuen Kommunikationstechnologien auf der einen und der technischen Durchdringung des menschlichen Leibes beispielsweise in einer zunehmend prothetisch ausgerichteten modernen Medizin auf der anderen Seite weiterhilft, ist fraglich.

Die technische Mediatisierung stets auch alltagsweltlich fundierten Erfahrungswissens birgt zahlreiche Probleme, vor allem im Hinblick auf Herausforderungen, die sich aus der Pflege besonders vulnerabler Personen ergeben. Die Einführung moderner technischer Systeme im Berufsfeld Pflege erfordert den Erwerb eines dazu gehörenden Wissens und darauf spezialisierter Fertigkeiten. Schwierigkeiten von erheblicher Tragweite entstehen dann, wenn dieses instrumentelle, auf Machbarkeit ausgerichtete Wissen mit einem durch praktischen Umgang mit Pflegebedürftigen erworbenen Erfahrungswissen nicht mehr ohne weiteres harmonisiert werden kann (Barnard 2016; Remmers und Hülsken-Giesler 2007). So legt, um nur ein Beispiel zu nennen, ein praktisch erworbenes sensibles Wissen um Vulnerabilität im Alter (Kruse 2017) eher Zurückhaltung bei diagnostischen bzw. therapeutischen Interventionen nahe in Anbetracht ungewisser, problematischer Folgen, die sich auch durch automatisierte Informationsverarbeitungssystemen nicht sicher berechnen lassen (vgl. de Ruiter et al. 2016).

Überwachung und Kontrolle

Das ethische Selbstverständnis der beruflichen Pflege ist in hohem Maße durch einen advokatorischen Auftrag bestimmt, begründet durch eine zumeist starke Vulnerabilität kranker und hilfebedürftiger Personen, deren Recht auf Selbstbestimmung selbst bei hoher Beeinträchtigung zu achten und möglichst auch durchzusetzen ist. Dieser Auftrag ist in den Augen von Barnard (2016) „radikal“ zu verstehen in dem Sinne, dass gegenüber offener oder strukturell unauffälliger Kontrolle alternative Praktiken von Care geboten sind. Von ihrem Design und ihren charakteristischen Merkmalen her wohnt Technologien in der Pflege jedoch eine Tendenz der graduellen Missachtung bzw. Beseitigung von Autonomie zugunsten von Kontrolle inne. Zu bedenken ist ferner, dass sowohl pflegerische wie auch ärztliche Behandlungsprozesse durch strukturelle Merkmale der Unbestimmtheit und der Ungewissheit gekennzeichnet sind. Zufällige Ereignisse oder Entwicklungen sind stets zu gewärtigen. Sie zu minimieren bzw. zu kontrollieren ist erklärtes Ziel sowie Legitimationsgrund technischer Einrichtungen. Die Auffassung, technische Lösungen für strukturelle, im subjektiven Erleben und persönlichen Bewerten kontingenter Ereignisse liegende Ungewissheiten anbieten zu können, verkennt den Kontingenzcharakter menschlichen Lebens und darauf bezogener klinischer Praktiken. Solche Lösungsversuche erzeugen überdies häufig neue Probleme.

Mit dem Ziel der Effizienzsteigerung gerechtfertigte Technologien bergen, wie de Ruiter et al. (2016) zeigen, häufig nicht-beabsichtigte Nebeneffekte. Bedeutsamer sind indessen qua Standardisierung beabsichtigte Effekte, die in einer durchgängigen Beobachtung und Kontrolle bestehen. Ethisch schwerwiegende Einwände richten sich nicht allein gegen latente Entmündigungseffekte auch bei Patienten und Pflegebedürftigen. Vielmehr sind auch auf der Ebene pflegeberuflichen Handelns Fragmentierungserscheinungen infolge eines hohen Grades bürokratischer und technologischer Standardisierung zu verzeichnen, welche zu problematischen Verhaltensnormierungen im Sinne persönlicher Compliance führen. So fungieren bspw. elektronische Dokumentationssysteme zugleich als Mittel externer beruflicher Kontrolle (de Ruiter et al. 2016, S. 54); als ein Element der bereits von Armstrong (1995) diagnostizierten „Überwachungsmedizin“, welche neben therapeutischen auch technische Letztverantwortlichkeiten im Zusammenwirken mit klinischen Administratoren beinhaltet (Barnard 2016; de Ruiter et al. 2016).

Wachsende klinische, auf Individuen bezogene Datenmengen bergen spezifische Risiken: Transparenz der Person als Patient, der damit zunehmend fungibel wird, wenn Professionalität von Behandlern oder Pflegefachkräften nicht auch als kategorisch geforderte Respektierung von Autonomie und personaler Integrität verstanden wird. Wachsende Risiken der Fungibilität aufgrund technisch transparenter Daten entstehen vor allem auch dann, wenn ökonomische Interessen der Kostenminimierung in Führung gehen, das heißt wenn Selektionen von Patienten im Hinblick auf die mit bestimmten Diagnosetiteln verbundenen finanziellen Erträge maßgebend sind.

Techniktheoretische Diskurse insbesondere in der angloamerikanischen Pflegewissenschaft sind sehr wohl durch kritische Einwände gegenüber einem Vorrang ökonomischer Rationalität der Technik-Nutzung charakterisiert; gegenüber stark formalisierter Kommunikation; gegenüber Vorstellungen, das Zufällige kontrollieren zu können und dabei traditionelle Aspekte der Pflege im Sinne des Caring und damit zusammenhängender Fähigkeiten der Intuition und eines daraus ableitbaren Wissens zu vernachlässigen bzw. auszuhöhlen. Gleichwohl sind viele Repräsentanten der Pflegewissenschaft darum bemüht, Polarisierungen (Technik versus Caring) zu vermeiden. Trotz aller Bedenken scheinen sie aber nicht davor gefeit zu sein, dem Beruf eine Macht zu vindizieren, menschliches Leben kontrollieren zu können (Almerud et al. 2008). Diesem neuzeitlichen, indessen praktisch vielfach dementierten Fortschrittsoptimismus bleiben sie trotz gewichtiger Einwände verhaftet.

Zur politischen Ökonomie technischer Rationalisierung

Die Einführung technischer Unterstützungs- sowie elektronischer Datenverarbeitungssysteme im Berufsfeld Pflege ist kein interessensneutraler Vorgang, sondern strukturell eingebettet in Trends allgemeiner Technikentwicklungen, die eine gewisse Gerichtetheit aufweisen in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten neuer technischer Produkte (Ropohl 2009, S. 284 ff.). Zu einem ähnlichen Befund kommt Kornwachs (2013, S. 98), demzufolge die beschleunigte Technikentwicklung ein Resultat beschleunigter Kapitaldynamik ist. Eine eigengesetzliche Technikentwicklung kann daher bezweifelt werden. Ihr Motor scheint vielmehr das wachsende Interesse an Technologien zu sein, die es erlauben, eine kostenökonomisch teure Arbeitskraft apparativ zu ersetzen, und zwar dann, wenn beispielsweise maschinelle Investitionskosten signifikant unterhalb dadurch eingesparter Arbeitskosten liegen. Auch im Gesundheitswesen sind technologische Innovationen stark von ökonomischen Erwägungen geleitet (Nemet 2009). Dazu gehören: Erwartungen technischer Rationalisierungseffekte, wodurch sich die finanzielle Einnahmesituation verbessern lassen soll; Erwartungen einer finanziell ebenso relevanten Risiko-Minimierung; Erfüllbarkeit rechtlicher Vorgaben wie Qualitätssicherung durch nachgewiesene Ergebnisse einer evidenzbasierten Pflegepraxis. Dabei handelt es sich oftmals um Standardanforderungen bei Akkreditierungen (de Ruiter et al. 2016). Diesen Zielsetzungen liegt sehr häufig eine Zweck-Rationalität zugrunde, bei der fälschlicherweise von einer Mittel-Neutralität eingesetzter Technologien ausgegangen wird (Barnard 1997; Winner 1980). Demgegenüber wird argumentiert, dass die technischen Mittel und Szenarios Einfluss auf die Art ihrer praktischen Verwendung haben. Über diesen Einwand gehen de Ruiter et al. (2016) insofern hinaus, als sie die Wirkungen bestimmter technischer Artefakte stets von der konkreten Verfasstheit historischer, sozialer, ökonomischer und politischer Kontexte, in die technische Innovation eingebettet sind, abhängig machen (vgl. auch Latour 1996).

Gewiss gehen von Technologien in ihrer Beschaffenheit Wirkungen auf diejenigen aus, die sie anwenden. Wirkungen und Reichweite technischer Artefakte sind aber auch abhängig davon, in welche persönlichen Dispositionen oder strukturellen Gegebenheiten sie verflochten sind. Dies können etwa auch ganz bestimmte kulturelle Umwelten sein sowie darin verankerte Selbstverständnisse des menschlichen Körpers und dessen Erleben. Diese werden bereits durch vorgängige Erfahrungen mit neuen Technologien geformt sein, die ihrerseits auch zu einer Dualität körperlicher Selbstverhältnisse und dadurch konstituierter Beziehungen zur sozialen Umwelt geführt haben mögen, wie Idhe (2010; vgl. de Ruiter et al. 2016) betont. Auch sind Wirkungen neuer Technologien abhängig davon, auf welches Wertesystem sie bspw. in der beruflichen Pflege treffen (Metzler und Barnes 2014). Ökonomische Rationalisierung durch Technik ist kein neutraler Vorgang, sondern wird abgefedert durch entsprechende mentale Dispositionen, Persönlichkeitseigenschaften und Wertorientierungen von Menschen in unterschiedlichen Positionen.

Zentrale ethische Fragen

Anthropologische Prämissen

Was es bedeutet, ein Mensch zu sein (conditio humana), ist eine Frage, die sich stellt angesichts eines extrem individualistischen Selbstverständnisses unserer Kultur; einer Kultur, in der das Bewusstsein verloren zu gehen droht, dass sich menschliches Leben unter Bedingungen physischer Abhängigkeiten und sozialer Angewiesenheiten vollzieht (vgl. auch Remmers 2018)Footnote 5. Im Bewusstsein gegenseitiger Abhängigkeiten und Angewiesenheiten werden auch Sensibilitäten gegenüber der Verletzlichkeit von Menschen gebildet, selbst wenn sie noch weitgehend souverän ihr Leben zu meistern vermögen. Unsere moralischen Anschauungen sind Antworten auf Erfahrungen der Verletzlichkeit, denen das Prinzip der Schonung korrespondiert (Siep 2004). Allein durch die Geburt eines Menschen wird offensichtlich, in welchem Maße er auf Hilfe, Zuwendung und Anerkennung seiner Umgebung elementar angewiesen ist und in unterschiedlichen Graden sein Leben lang angewiesen bleibt. Dies bezeugen alle vorhersehbaren und nicht-vorhersehbaren Krisen als lebensgeschichtliche Wendepunkte. Gewiss bezeugen historisch variationsreich entwickelte technische Hilfsmittel, dass sich Grundstrukturen menschlichen Lebens auch wandeln, aber nicht aufheben lassen. Zu solchen Modifikationen gehören eben auch soziale Eingriffe, das heißt Versuche der gesellschaftlichen Organisation von Bedingungen, unter denen Hilfe und Unterstützung situationsangemessen geleistet werden können. Und nicht zuletzt demonstrieren Menschen durch soziale und technische Eingriffe ihre Produktivität und Kreativität. Gegenwärtig aber zeichnen sich Trends ab, für jene durch gesellschaftlichen Wandel erzeugten Probleme, etwa der nicht ausreichenden pflegerischen Versorgung, technische Lösungen anzubieten (vgl. Beimborn et al. 2016; van Dyk 2009). Damit stellt sich die Frage, ob sich hinter den damit verbundenen technischen Fantasien näher besehen nicht auch soziale Ohnmacht verbirgt.

Normative Aspekte einer Ethics of Care als Bewertungsmaßstäbe technischer Assistenzsysteme

Die menschliche Grundsituation gegenseitiger Abhängigkeiten und Angewiesenheiten – auch dies besagt im Übrigen die aristotelische Lehre des Menschen als zoon politicon – steht im Zentrum einer perspektivisch auf menschliches Gedeihen, persönliches Wohlergehen und biografisches Gelingen ausgerichteten Ethics of Care (vgl. dazu auch Remmers 2018; Kittay 2011; Conradi 2010; Kohlen 2010, 2009; Held 2005). Sie versteht sich insofern auch als eine konkrete Ethik, welche Antworten darauf finden möchte, wie bspw. „Voraussetzungen schweren Leidens“ beseitigt werden, ebenso aber auch indisponible Rechte von Personen geschützt werden können (Siep 2004). Dieser Schutzanspruch kann aber nur eingelöst werden, wenn gleichzeitig Rechte von Menschen als kooperationsbedürftige und kooperationsfähige Wesen verteidigt werden. Diesem Möglichkeitshorizont einen normativen Geltungsanspruch zu verleihen, ist das Anliegen des von Beimborn et al. (2016) vorgelegten Entwurfs eines sozialwissenschaftlich-interdisziplinär fundierten ethischen Bewertungssystems altersbezogener moderner Technologien.

Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung altersbezogener assistiver Technologien wird darin gesehen, durch spezielle technische Innovationen einen Beitrag zur Kompensation unterschiedlicher, sozial oder biologisch bedingter Einschränkungen oder Benachteiligungen zu leisten. Diese lediglich auf Kompensation ausgerichtete Entwicklungsperspektive ist unzureichend deswegen, weil sie das selbst im fortgeschrittenen Alter noch bestehende Aktivierungs- bzw. Kreativitätspotenzial vernachlässigt (Remmers und Hülsken-Giesler 2012; Kruse und Schmitt 2010, 2015). E contraio ergibt sich daraus der auch für eine Ethics of Care maßgebende normative Anspruch, Produktentwicklungen darauf auszurichten, spätere Nutzer nicht allein in die Lage zu versetzen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, sondern durch diese Teilhabe auch etwas Produktives der eigenen Person gesellschaftlich einbringen zu können.

Eine Grundprämisse dieses Entwicklungsansatzes wäre bspw. der von Nussbaum (2011) eingeführte Capability-Approach (so auch Beimborn et al. 2016, S. 320 f.). Durch Engführung einer Ethics of Care und jenes Capability-Ansatzes lassen sich Maßstäbe der Bewertung assistiver Technologien bis hin zur Robotik in der Pflege entwickeln (vgl. Remmers 2010). Sie erweitern gleichzeitig Sichtweisen auf technische Funktionalitäten. Ihr Telos sind nicht mehr kompensatorische Leistungen, ihre Leitbilder nicht mehr ausschließlich auf Hilfe angewiesene Individuen, sondern deren Potenziale selbst bei massiven Einschränkungen. In die Technizität apparativer Hilfen haben Phänomene des Menschen, das heißt Tendenzen der Selbstaktualisierung und der Bildsamkeit Eingang zu finden. Wird das darauf bezogene Kriterium technisch unterstützter Befähigung als ethisches Bewertungskriterium ernst genommen, dann wird das von seiner besitzindividualistischen Genese abgekoppelte Autonomieprinzip, wie es bspw. in den medizinethischen Beurteilungskatalog von Beauchamp und Childress (1979) Eingang gefunden hat, eine neue Bedeutung finden. Das Prinzip der Autonomie wäre teleologisch zu interpretieren als Befähigung der Person, seinem Leben auch unter Bedingungen extremer Einschränkungen praktisch einlösbare Ziele setzen und diese in lebendiger Beziehung mit Anderen realisieren zu können (Beimborn et al. 2016, S. 321).

Ethische Beurteilung der Folgen des Einsatzes moderner Technologien

In einer konsequenzialistischen Beurteilungsperspektive kommt es häufig dazu, dass verschiedene, aus unterschiedlichen Sichtweisen als jeweils angemessen geltende Bewertungskriterien wie bspw. Selbstbestimmung und Wohlbefinden kollidieren.Footnote 6 Zu solchen Bewertungsdiskrepanzen kann es auch bei der Beurteilung des konkreten Einsatzes neuer Technologien im Berufsfeld Pflege kommen. Wird durch den Einsatz assistierender Technologien im häuslichen Umfeld Unabhängigkeit erzielt, so muss dies mit persönlichem Wohlbefinden nicht uneingeschränkt kongruent sein. Technisch unterstützte häusliche Unabhängigkeit kann seitens betreuender Angehöriger zu einem größeren Sicherheitsgefühl beitragen. Die dadurch gleichzeitig verminderten sozialen Kontakte können indes zu vermehrter Einsamkeit führen (Kamphof 2016, S. 176). Ethische Kriterien wie Unabhängigkeit oder Sicherheit können somit keinen Vorrang beanspruchen, sondern durch andere ethische Kriterien wie Versorgungsqualität oder persönliche Zuwendung übertrumpft werden. Das Konzept personaler Autonomie wird daher in seiner Einseitigkeit (als „Robinsonade“) relativiert werden müssen. Demgegenüber würde das Konzept einer relationalen Autonomie (vgl. Simon und Nauck 2013) technisch-konstruktive Arrangements verlangen, welche Vereinsamung möglichst ausschlössen. Dazu aber bedarf es simultaner sozialer Gestaltungsanstrengungen.

Kann durch den Einsatz neuer IK-Technologien eine Rationalisierung von Arbeitsabläufen mit einem Zugewinn an Zeitreserven des Pflegepersonals für besonders versorgungsbedürftige ältere Menschen oder Patienten erreicht werden? Diese Frage beantwortet sich mit dem Hinweis auf eine das Gesundheitswesen übergreifende betriebswirtschaftliche „Gesetzmäßigkeit“ der Kosteneinsparung. Genau diese Logik wird am Ende nicht nur Entscheidungen bestimmen, Service-Roboter zur Erleichterung physisch belastender Aufgaben (Heben, Lagern) einzusetzen, was ein Gebot der Schonung wäre. Anders verhielte es sich mit dem Einsatz telematischer Assistenzsysteme (bspw. telenursing), mit dem ökonomisch teure menschliche Kontakte reduziert werden können (sollen). Nachgewiesene Folgen bestehen in einer zunehmenden sozialen Isolation hilfebedürftiger älterer Menschen (Sharkey und Sharkey 2012a; Sparrow und Sparrow 2006; Sparrow 2002). Zwar kann der Wunsch von Familienmitgliedern, von gewissen Verpflichtungen entlastet zu werden, als legitim gelten (Sharkey und Sharkey 2012b). Dadurch hervorgerufene Vereinzelungen machen jedoch stärkere Kontrollen etwa auf dem Wege von Telenursing erforderlich (Sorell und Draper 2014)Footnote 7. Daher ist die Wahrscheinlichkeit sozialer Isolation durch AAL-Technologien stets im Einzelfall zu beurteilen (vgl. Sorell und Draper 2012; Murray et al. 2011; Pols 2010). Das Gleiche gilt für mögliche, moralisch relevante Einbußen an Anerkennung und Zuwendung durch Einschaltung technischer Assistenzsysteme (vgl. etwa Borenstein und Pearson 2012). Die ethische Beurteilung hat daher unter Abwägung verschiedener normativer Prinzipien zu erfolgen.

Auch sollte sich die ethische Beurteilung auf einen mit der Einführung von Assistenztechnologien verbundenen Wandel von Einstellungen und gesellschaftlichen Vorstellungen von Verantwortung beziehen (vgl. Hinman 2009; Sparrow und Sparrow 2006). Dabei zu berücksichtigen ist ein über mehrere Jahrzehnte vollzogener Wandel von Familienstrukturen und affektiven Bindungen. Durch diesen Wandel haben sich kollektiv zugeschriebene Verantwortlichkeiten erwachsener Kinder gegenüber ihren Eltern ebenso verändert.

Möglicherweise kann durch den Einsatz von Robotern die soziale Interaktion älterer Menschen verbessert werden, wie bereits Studien von Berkman und Syme (1979) zeigten. Fehlen jedoch soziale Beziehungen, so kann dies zu einem höheren Risiko vorzeitigen Versterbens führen. Auch sind wenige soziale Beziehungen, seltene Teilnahme an sozialen Aktivitäten und sozialer Rückzug Risikofaktoren für die Abnahme kognitiver Fähigkeiten älterer Personen (Alvarado et al. 2003). Positiv formuliert: Da soziale Interaktion das Risiko, an Demenz zu erkranken, reduziert (Saczynski et al. 2006), wären soziale Teilhabe ermöglichende Roboter ethisch vertretbar und falls erwünscht auch geboten.

Aus der Perspektive eines ethischen Konsequenzialismus sowie vor dem Hintergrund einer Ethics of Care lässt sich fordern, den Einsatz assistiver Technologien bis hin zu Robotern davon abhängig zu machen, inwieweit soziale Beziehungen, die erwiesenermaßen zur Steigerung subjektiven Wohlbefindens beitragen, gestärkt oder geschwächt werden (Palm 2014; Fine und Spencer 2009; Szebehely und Trydegård 2011). Allerdings wohnt sozialen Interaktionen auch ein intrinsischer, unter sozio- und psychometrischen Nützlichkeitsgesichtspunkten schwer fassbarer Wert inne: „Social networks are said to imply (1) appreciation, recognition and a feeling of belonging, (2) intimacy and friendship and (3) emotional and practical support […]“ (Palm 2014; mit Verweis auf Fine und Spencer 2009). Ethische Implikationen des Capability Approaches sollten in der Weise Anwendung finden, die gegenwärtige Entwicklung altersgerechter Assistenztechnologien dahingehend zu überprüfen, ob sie auch soziale Vernetzungsprozesse unterstützen. Denn soziale Netzwerke sind eine Voraussetzung sozialen Lernens und einer damit zusammenhängenden Entfaltung kreativer Potentiale, die sich positiv auch auf die Selbstorganisation beispielsweise des älteren Menschen auswirken kann (Remmers und Hülsken-Giesler 2012). Die Einbeziehung späterer Nutzer in die Technikentwicklung ist somit aus mindestens zwei Gründen geboten: Die Adressaten wissen am besten, von welchen technischen Funktionalitäten und Möglichkeiten sie den größten Nutzen haben, sowohl im Sinne eines Entlastungs- als auch im Sinne eines Anregungspotentials. Und die gemeinschaftliche Partizipation an konkreten Technikentwicklungsprozessen setzt bereits das frei, was von altersgerechten technischen Artefakten später auch erwartet wird: experimentelle Fantasie in der Mensch-Technik-Interaktion sowie die Befähigung zur persönlichen und sozialen Lebensgestaltung.

Zusammenfassung und Fazit

Mit diesem Beitrag sollte zunächst der gegenwärtige Stand einer diskursiven, empirisch fundierten und theoretisch geleiteten Auseinandersetzung mit Technikentwicklungen in der Pflege rekonstruiert werden. Die dabei vertretene These lautet, dass eine ethische Bewertung neuer Technologien differenzierter – indessen noch kaum vorhandener – empirischer Informationen bedarf. Bei der ethischen Bewertung moderner Technologien, zum Beispiel solcher zur physischen oder emotionalen Unterstützung älterer, ggf. noch selbstständig lebender Menschen, wird gegenwärtig vorranging eine auf konkrete Folgeprobleme ausgerichtete Perspektive eingenommen. In dieser post hoc Perspektive gilt es die Wirkungen des Einsatzes assistiver Systeme von Fall zu Fall zu beurteilen. Dafür gibt es inzwischen methodisch ausgearbeitete, bspw. an etablierten Prinzipien der Medizinethik (Beauchamp und Childress 1979) kohärentistisch orientierte Bewertungsinstrumente wie MEESTAR (Manzeschke 2015; Weber 2016) oder die Ethische Bewertungsmatrix für eHealth-Anwendungen (Marckmann 2016). Im Übrigen ist eine darüber hinaus existierende Vielzahl datenschutzrechtlicher Probleme, die im Zusammenhang einer umfassenden Digitalisierung pflegerischer und ärztlicher Arbeitsfelder entstehen, keineswegs geklärt (Rölker-Denker et al. 2011).

In diesem Beitrag wurde zwar auch eine ethisch-konsequenzialistische Beurteilungsperspektive eingenommen, jedoch unter Einschluss eher grundlagentheoretisch orientierter Sichtweisen auf das Feld professioneller Pflege, ihre Charakteristika und spezifischen Anforderungen. Dabei wurde die Auffassung vertreten, dass der Einsatz moderner technischer Unterstützungssysteme unter Gesichtspunkten dessen, was tatsächlich unterstützt werden soll und unterstützt werden kann, zu beurteilen ist; m. a. W.: in welcher Weise Pflege als eine helfende Beziehungsarbeit dabei im Kern tangiert ist. Wir haben zu begründen versucht, dass mit Vorhaben, persönliche Pflege technisch möglicherweise substituieren zu wollen, nicht allein die von uns unterstellte anthropologische Grundsituation des Menschen unterwandert wird, sondern dass solche Vorhaben auch mit deontologischen Prämissen einer Ethik, welche Menschlichkeit im zwischenmenschlichen Verkehr normativ an die wechselseitige Austauschbarkeit von Perspektiven und der darin sich bekundenden Anerkennung als Menschen bindet, kollidieren. Dieser ethische Anspruch würde mit technischen Artefakten, die darauf gerichtet sind, zwischenmenschliche Beziehungen zu substituieren, denen immer auch ein therapeutisch heilsamer, stabilisierender Effekt innewohnt, unterlaufen. Ethisch relevante Probleme ergeben sich der hier vertretenen Überzeugung nach dann, wenn Pflegebeziehungen in ganz elementaren Bereichen (körperliche Nähe, subtile, differenzierte Wahrnehmung, therapeutisch bedeutsame Berührung) technisch substituiert werden sollen. „[…] It clearly can be argued that peaceful, even loving, interaction among humans is a moral good in itself. (…), we should probably distrust the motives of those who wish to introduce technology in a way that tends to substitute for interaction between humans. (…) for a social mammal such as a human, companionship and social interaction are of crucial psychological importance“ (Whitby 2012, S. 238).

Die vorstehend entfalteten normativen Aspekte einer Ethics of Care scheinen, da sie mit teleologischen Ansprüchen verknüpft sind, in besonderer Weise als Bewertungsmaßstäbe für konkrete Entwicklungsvorhaben technischer Assistenzsysteme geeignet zu sein. Nicht nur die post hoc Perspektive, sondern vielmehr auch die mit Technikentwicklern und potenziell Betroffenen einzunehmende partizipative und auch experimentelle Perspektive erlaubt es, für etliche der vorstehend genannten Probleme praktisch zu sensibilisieren.